Seit Jahren lassen Labels, Vertriebe und Künstler ihre Fans finanziell ausbluten. Sie nutzen emotionale Abhängigkeit und Gutgläubigkeit ihrer treuesten Anhänger aus, um noch den letzten Cent an Geld aus ihnen herauszuholen. Dabei gibt es positive Beispiele, die mit diesen Boxen den Fans, zwar für einen hohen Preis, ein paar kreative Goodies liefern. In letzter Zeit dominieren aber die Negativbeispiele, die billigste und ideenlos ausgewählte Ware in ihre Boxen stopfen, um kommerzielle und Charterfolge zu feiern. Shindy hat das Ganze mit seinem Drumherum, der Umgangsweise und vor allem mit der Box zu seinem neuen Album "Dreams" selbst (dessen musikalische Bewertung hier nicht stattfinden soll) auf die Spitze getrieben.
Bild: Ausschnitt aus diesem Video
Eigentlich war es ja eine gute Idee, eine Win-Win-Situation, sozusagen. Die treuesten Fans mussten sich nicht ihr Merch auf verschiedenen Shops zusammensuchen, manchmal gab es sogar exklusive Inhalte oder gar eine Vinyl dazu, alles in allem dann auch noch in einer schönen Box. Wenn man bei einigen nachrechnete, kam man mit den 40 bis 50 Euro sogar auf weniger, als man einzeln für die Inhalte bezahlt hätte. Die Verkaufsseite konnte sich wiederum freuen, da sie einerseits mehr Geld mittels eines Releases verdienen konnte und ihr Merch sicherer loswurde, andererseits über den an vielen Stellen bereits erklärten positiven Einfluss auf die Chartposition des hauseigenen Musikers. Doch diese Situation blieb nicht lange erhalten. Denn viele Unternehmen fragten sich das, was Unternehmen nun Mal (völlig berechtigterweise) fragen: Wie können wir die Kosten senken und den Umsatz erhöhen oder zumindest beibehalten?
Den Wendepunkt kann man sicherlich nicht genau benennen, er war zumindest aber dann überschritten, als um Boxinhalte schon mehr Wind gemacht wurde als um Auskopplungen. Auch da waren Shindy und Bushido schon immer beliebte Kandidaten. Aus "FBGM" gab es zwei Auskopplungen (einen Split-Track), aus CCN3 gab es keine, aus "Cla$$ic" gab es dann wieder vier, aus "Dreams" jetzt wieder nur drei. Bei jedem Album gab es gefühlt mindestens so viele Videoansagen über Boxinhalte. Natürlich gibt es genauso viele andere Beispiele im deutschsprachigen Raum. Die Unternehmen hatten einfache Antworten gefunden: Treue der Fans kann durch Intransparenz genutzt werden, wir lassen sie also lange Zeit vorbestellen, bevor sie überhaupt wissen, was sie kaufen. Bei Shindys neuester Box haben dann letztlich alle die Katze im Sack gekauft. Wie man jetzt sieht, ist das absolut keine vorteilhafte Situation für die Fans. 54,99€ kostet die Box aktuell bei Amazon, die Album-CD gibt's für nicht mehr als 18€ in den Läden und eben auch direkt daneben bei Amazon. Der Mehrwert bei dem dreifachen Preis? Eine Instrumental CD, eine DVD mit denjenigen Shindy-Videos, die es eh schon auf YouTube gibt und eben dieser legendäre Rucksack. Verschiedene Quellen haben für das Accessoire einen Wert zwischen 2 bis 7 Euro geschätzt, Einigkeit über die Minderwertigkeit von Material und Verarbeitung herrscht aber weitestgehend. Alles in allem: Der Boxinhalt steht in einem krassen Missverhältnis zum Preis und die Intransparenz und gleichzeitige Huldigung ("teuerster Boxinhalt, den wir je hatten") vor Release ist in Bezug darauf eine Dreistigkeit.
Je weniger man über etwas erfährt, desto mehr will der andere geheim halten, so sollte man zumindest, was Geschäfte angeht, denken. Man könnte auch meinen, dass letztendlich jeder irgendwo selbst Schuld sei, wenn er sich sowas andrehen lässt, was grundsätzlich ja auch absolut der Wahrheit entspricht. Dennoch wissen wir zwei Dinge: Fans sind Fans und die Verantwortung der Künstler sollten ihnen selbst am meisten bewusst sein. Viel wichtiger ist aber noch, dass einfach viele Deutschrap-Fans noch minderjährig sind und besonderen Schutz in unserer Gesellschaft genießen. Und hier kommen die Musiker selbst ins Spiel – denn Unternehmen vorzuwerfen, dass sie Geld verdienen wollen, hat wenig Sinn. Künstlern das vorzuwerfen, schon. Natürlich muss man auch da differenzieren zwischen einem Rapper mit kleinem kommerziellem Erfolg und einem Rapper mit großem kommerziellen Erfolg. Bei Shindy ist das jedoch unstrittig: Er bräuchte diese Art und Weise eigentlich nicht und macht es trotzdem. Genauso gibt es positive Beispiele im Underground, so hat Prezident sich beispielsweise nicht zu einer Box beim Release von "Limbus" breitschlagen lassen, genauso kamen Gold Roger oder auch Sierra Kidd ohne Box aus.
Die Musiker sind es, die in direktem Kontakt mit ihren Fans stehen und daraus resultierend die Verantwortung für diesen Umgang haben. Sie missbrauchen diese Verantwortung, wenn sie sich derart instrumentalisieren lassen, wie es Shindy mit dieser Box getan hat. Das können sie spätestens dann nicht mehr leugnen, wenn sie dieses Boxengehabe finanziell nicht mehr nötig hätten. So sollten die Käufer ihrerseits den Künstlern gegenüber ein Zeichen setzen, indem sie sie nicht mehr derartig mit sich umgehen lassen. Das ist natürlich schwierig für viele, aber absolut notwendig. Man kann nur hoffen, dass sich irgendwann selbst die treuesten und gutgläubigsten Fans diese Grenzüberschreitungen nicht mehr gefallen lassen und durch die Marktmacht, die sie ja durchaus haben, die Verantwortlichen zum Umdenken bringen. Musik ist das Wichtigste, Boxen sind okay, solange man um deren Inhalte nicht solch ein Geheimnis macht (denn das ist im Ergebnis für die Käufer immer von Nachteil) und solange die treuen Fans, die ja letztlich diese horrenden Summen zahlen, nicht weiter über den Tisch gezogen werden. In diesem Sinne: Deutschrapper, seid verantwortungsvoller mit dem, was Ihr außerhalb der Musik so verkauft und Fans, lasst Euch nicht verarschen.
Max