01. Ich hör nicht auf
02. Rache
03. Tesla
04. Scheiß auf eure Party
05. 24/7 feat. Nimo
06. 500 Joints
07. Flieg
08. Down feat. Greeny
09. Kein Erbarmen feat. Capital
10. Bleib mal lieber Fan
11. Kafa feat. Maxwell
12. Nicht mit mir
13. Safi feat. Soufian
14. Bombay Gin feat. Young Hurn [Remix]
15. Ich bin 2 Berliner
Es gibt Internetregeln, die werden eigentlich nie gebrochen. Eine davon ist, dass Bands mit ungoogelbaren Namen fast nie Erfolg haben, eine andere, dass alles, was man nicht googeln kann, ohne auf Ekelhaftes zu stoßen, nicht lange Thema sein wird. Trap bricht diese letztere Regel, wenngleich Trap in Deutschland ein interessantes Eigenleben entwickelt hat und deutlich mehr als in seiner Heimat USA wolkig interpretiert wird. Ufo361 ist es mit seinem 2015er-Album "Ich bin ein Berliner" gelungen, Erfolg mit einem eher klassisch ausgerichteten deutschsprachigen Trapalbum zu erzielen. Da gute Berliner Rapper außerhalb von BoomBap eher rar gesät sind, konnte er damit einen beachtenswerten Erfolg erzielen, sah sich aber durchaus dem Vorwurf ausgesetzt, die klassische US-Erfolgsformel nur (wenngleich handwerklich sauber) kopiert zu haben. Nun stellt sich die Frage, ob sein neues Mixtape "Ich bin 2 Berliner" dem angeblichen Mimikry seines Vorgängers neue, eigene Aspekte hinzufügen kann, schließlich entwickelt sich US-Trap relativ rasch weiter und fächert in verschiedene Richtungen aus – bleibt der nicht identifizierte Berliner also bei ganz klassischem Trap und gibt sich damit zufrieden, auf seiner eigenen Welle mitzuschwimmen, kopiert er aktuellen US-Trap oder, und das würde uns natürlich am meisten freuen, entwickelt er eine eigene distinktive Definition von Trap?
Beginnen wir mit den Lyrics, denn die sind bei klar als Nachfolger ausgerichteten Alben ja eigentlich am interessantesten. Schließlich geht der Künstler davon aus, er hätte hier einen Faden aufgenommen, den es sich lohnt, weiterzuspinnen. Insofern könnte man, selbst wenn das Ausgangswerk kein inhaltlicher Volltreffer war, vielleicht auf fortgeführte Gedankenstränge und etwas Reflexion treffen. Leider bleibt das Werk diesbezüglich auf dem Niveau des Vorgängeralbums:
Ich trink Gin, du trinkst 'n Radler/
Bin zu hacke, brauch ein' Fahrer/
Lass sie labern, denn sie haben kein' Plan/
Ufo361, ich rapp wie im Wahn
(Ufo361 auf "Ich hör nicht auf")
Irgendein ungnädiger Gott hat ja entschieden, dass die allermeisten Traprapper belanglosen Lean-Scheiß rappen müssen und Ufo361 entzieht sich hier erfolgreich einer Ausnahmestellung. Ersetze Lean durch Bombay Gin, der Rest bleibt austauschbarer Stuss. Nicht nur glänzt jeglicher Inhalt durch Abwesenheit, es fehlen auch brauchbare Sprachbilder oder sonstige lyrische Mittel, wie man sie seit Friedrich von Hausen eigentlich in der Musik benutzt.
Steig in mein' Flieger und mach mich vom Acker/
Dicker, bin jeden Tag nur am Machen/
Der Joint macht mich kafa/
Meine Knolle zu groß, Dicker, passt nicht in' Cruncher
(Ufo361 auf "Fliegen")
Die Lines als solche funktionieren aber im Dienste der Delivery, sie lassen den MC zumindest nicht stolpern. Und so kommen wir schon zur Performance des Rappers selbst und diese ist gewohnt gut. Insbesondere dort, wo Ufo361 aggressiv agieren kann, kommen seine Fähigkeiten als Rapper schön zur Geltung, da das Songwriting ihm den nötigen Platz dafür lässt. "24/7" funktioniert als Dancefloor-Befüller, "Bleib mal lieber Fan" hat einen hübschen Industrial-Touch, "500 Joints" überzeugt durch authentisches Hardcore-Kiffergepose trotz Aggression. Man nimmt dem Berliner die ausschließliche Fokussierung auf Weed ab ("hab zwar kein' einzigen Freund"), es wird richtig greifbar, wie er in einem dunklen Raum sitzt und sich sinnlos gehetzt die Birne wegkifft. Trotz Verzerrung geht der Rap gut nach vorne und erzeugt eine stimmige, bedrohliche und düstere Atmosphäre, was durch die wirklich gelungenen Tempowechsel und abwechslungsreichen Parts noch verstärkt wird. Umgekehrt gehen entspannte Songs einfach nicht auf. Ufo361 tut ganz gut daran, den Fokus weg von Lean auf Alkohol und Weed zu setzen, denn Hustensaft nähme ihm auch niemand ab. Vordergründig laid-back wirkende Songs wie "Flieg" und "Nicht mit mir" sind uninspiriert und fallen gegenüber Yung Hurn und LGoony einfach ab, befinden sich aber auch in der klaren Minderheit.
Hinzu kommt, dass die dunklen und tiefen Trapbeats, die wie auf dem Vorgänger überzeugen können, einfach besser zu den schnelleren und aggressiveren Passagen des MCs passen. Hier ist alles sauber produziert, ohne steril zu wirken. Auch die Produktion sorgt dafür, dass auf diesem Tape kein Totalausfall zu finden ist und ein Großteil der Songs zum Nicken animiert. Die durchaus komplexen Beats von Songs wie "Kafa" sind es auch, die trotz fehlender Weiterentwicklung des Rappers Monotonie größtenteils verhindern. In den besten Momenten hat das durchaus etwas von $uicideboy$ oder Flatbush Zombies und das ist ein dickes Lob. Allerdings halt nur in einigen Momenten, denn die Beats sind zwar komplex, aber nichtsdestotrotz trauen sie sich nicht aus der engen klassischen Trap-Umzäunung, die auch den MC selbst gefangen hält. Dadurch fehlt die Spannung, die die beiden genannten US-Acts auszeichnet.
Fazit:
Ein Stück weit ist sich Ufo361 in die eigene Falle (get it?) gegangen. Als MC technisch versiert, wenngleich etwas limitiert, konnte er der Versuchung, auf dem erprobten Gaul zu reiten, nicht widerstehen. Das führt dazu, dass es jetzt ein anständiges deutschsprachiges klassisches Trapalbum mehr gibt und dass ein Sack Reis in Neukölln umgefallen ist. Damit liefert der Berliner Rapper ein Produkt ab, das, wie es sich für Produkte gehört, auf Bedürfnisbefriedigung abzielt und diese erfolgreich liefert. Statt 3,5 Mics könnten hier auch 5 Amazon-Sterne stehen, denn erhalten wie geliefert. Eine teilweise Ausnahme stellt "Bleib mal lieber Fan" dar, das zumindest eine mutige Produktion aufweist – gerne mehr davon. Denn die ansonsten vorherrschende Verbindung aus künstlerischem Totalstillstand und inhaltlicher Leere beraubt "Ich bin 2 Berliner" vieler seiner Stärken. Ufo361 schuldet sich aufgrund seines Potentials selbst mehr als nur ein Mixtape voller Stücke, die ganz ordentlich geraten sind und 2011 problemlos genauso aufgenommen worden sein könnten. Unbefriedigend bleibt auch, dass die wenigen Tracks, die versuchen, sich aktuellen Trends zu nähern, missraten sind. Dieser MC ist kein Cloudrapper und das ist völlig okay, denn von denen gibt es schon genug. "Bleib mal lieber Fan" zeigt stattdessen die dunkle und im Deutschrap nur schwach besetzte Ecke, in der sich Ufo361 hoffentlich weiterentwickeln wird.
(Franz Xaver Mauerer)
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