Fler – Vibe


  • 01. Vibe
    02. Junge aus der City
    03. C.R.E.A.M.
    04. Lifestyle der Armen und Gefährlichen
    05. Episch
    06. Attitude
    feat. Bushido & Shindy
    07. Hätte nie gedacht
    08. Bündel
    feat. Jalil
    09. Famebitch feat. Laas Unltd.
    10. Bewaffnet & Ready feat. Jalil
    11. Sophia Thomalla / Slang kriminell
    12. Skit
    13. Unsichtbar
    14. Mercedesstern
    15. Du hast den geilsten Arsch der Welt
    16. Moderne Sklaverei Acapella
    17. Unterwegs
    feat. Sentino
    18. Infrared


    Sprechen wir über Fler. Sprechen wir darüber, dass der grobschlächtige Muskelprotz mit Berliner Urgesteinstatus in etwa einem Jahr eine Reputationskehrtwende vom lebenden Deutschrapmeme wider Willen zum gefeierten Innovator des Mainstreamsounds hingelegt hat, ohne dabei irgendetwas an seinem Verhalten zu ändern. Natürlich können wir darüber reden, dass "Vibe" vermutlich sein bestes Album ist, großartige Produktion mit stilsicher integrierten Südstaatenflows verknüpft und dabei Charme und Persona des "Maskulin"-Oberhaupts wunderbar in Szene setzt. Aber ich glaube, dass das den Kern des Albumerfolgs weit verfehlen würde. Denn wie bei jedem Album hängt die Resonanz von "Vibe" allen voran vom Momentum ab, von der Peripherie und der Eigendynamik, die es umgeben. Und diese sind gar nicht mal so einfach zu verstehen:
    Zum einen erleben wir zur Zeit vermutlich einen deutlichen Schwerpunktwechsel in der Konsumentenwahrnehmung der Deutschraphörer: Sound, Musikalität und Feeling lösen Wortspielerei und Technik ab, es ist fast so, als hätten Flers Aussagen aus dem letztjährigen epischen Interview selbst bei der "Hihi, Lol"-Fraktion subtile Früchte getragen, die darauf ihre Freunde in den Facebookkommentaren verlinkten und ihnen die Frage stellten, ob da denn jemand Kollegah mit Rakim verglichen hätte. Doppelpunkt D dafür, Fler, solltest du das als bewusstes Marketing verwendet haben, bin ich tatsächlich froh darüber, dass du Niko nicht hast ausreden lassen.
    Zum anderen ist da ein weitaus weniger subtilen Marketingzug, der Fler derzeit immens in die Karten spielt. Und auch wenn wir ihn nicht mit Rakim vergleichen wollen (Semikolon, Klammer Auf), müssen wir an dieser Stelle über Kollegah sprechen. Denn dass "Fanpost 2" ein ordentlicher Schuss in den Ofen war, haben wir ja schon diskutiert, aber in welchem Ausmaß es eventuell sogar symbolisch für den Wandel im Deutschrapkosmos 2016 hätte werden können, hätte vermutlich niemand geahnt. Seien wir nämlich mal ehrlich: Nicht einmal ich als bekennender Kollegah-Hater, selbst zu den Zeiten, als er eigentlich noch gut war, hätte in Frage gestellt, dass Kollegah in der Deutschrap-Hierarchie über Fler stehen müsste. Dieses Stigma war seit "Fanpost" eigentlich in Stein gemeißelt. Und nun kommt Kollegah zurück und sucht den Vergleich ein zweites Mal und siehe da – was er uns zeigt, ist lediglich, dass dieses Stigma eventuell zu Unrecht bestehen könnte. Denn lässt man Punchlines und Wortspielereien beiseite, musikalisch überbietet Fler einen Kollegah um Längen. Und plötzlich scheint diese Erkenntnis endgültig in der breiteren Masse anzukommen. Perfektes Fahrwasser für einen Fler, der dementsprechend mit "Vibe" im Rücken momentan ein absolutes Karrierehoch erlebt, das ihm vor einem Jahr noch wohl niemand zugetraut hätte. Doch all dieses Drumherum beiseite – was kann das Album denn jetzt eigentlich?


    Chille in Milano/
    Fashion? Ihr habt keine Ahnung/
    Ghetto wie der Wu-Tang-Clan/
    Ich werd observiert, wenn ich am Ku’damm häng'/

    (Fler auf "Lifestyle der Armen und Gefährlichen")


    Allen voran kann das Album gut klingen. Die fast schon psychedelisch im Raum hängenden Synth-Spiralen levitieren auf Bass-Fundamenten, die so gigantisch, glänzend und monumental im Raum stehen, dass es in all ihrer Hochwertigkeit an ein Wunder grenzt, dass sie dennoch so raw und ungestüm klingen. Dazwischen zucken 808-Drumcomputer mit Snarerolls und rasselnden Hats mit akribischer Genauigkeit, sodass ein Sound entsteht, der Flers bisherigen Straßenrapvibe in eine Südstaatenkulisse hüllt, um genau die besten Elemente von beiden Seiten in perfekte Harmonie zu bringen. Als hätten wir es hier mit einem Drake zu tun, der dich halt verprügelt, statt dir deine Freundin zu stehlen. Ist ja auch nicht verkehrt. Doch abseits von all dem Lob, das der Produktion in diesem Maße definitiv zusteht, ist da noch ein anderes Element im Mixdown gelandet, das man vielleicht nicht überhören sollte. Und genau hier kommt der Punkt, an dem ich aufgreife, warum ich meine Einleitung einmal mehr komplett ausufern haben lasse: Denn wenn ein negativer Hype plötzlich in einen positiven Hype umschlägt, haben wir mehr denn je eine Situation, in der die Faktenlage gerne erst einmal über den grünen Klee gelobt wird. Das ist wichtig zu verstehen, denn trotz all des Feierns steht da immer noch ein Faktum im Raum: Fler. Ein so wahnsinnig guter Rapper ist der Kerl nun leider Gottes einfach nicht.


    Habe ich im beim Sound noch den Vergleich zu Drake bemüht, weiß ich bei den Vocals nicht so recht, wer er eigentlich sein will. Bei seinen zumeist recht bemühten Versuchen, amerikanische Flowpatterns aufzugreifen und sich zu eigen zu machen, wirkt er auf fast jedem Song mindestens einmal deutlich deplatziert. Viel zu grobmotorisch, viel zu unsensibel geht er mit den Beats um, seine Vocals bewegen sich zu klotzig und ungelenk, um smooth zu sein, seine Stimme ist aber zu melodisch und mild, um raw oder abgedreht zu klingen. Was bleibt, ist ein Mittelding, das nicht unbedingt schlecht ist, aber doch nicht zu hundert Prozent den Standards der Produktion gerecht wird. Am coolsten klingt es eigentlich immer dann, wenn er nicht so viel versucht, sondern einfach einen ganz simplen, stringenten Flow vom Stapel lässt. Dann legt er nämlich den Fokus auf seine durchaus wohlklingende Stimme und seine Persona, welche wiederum eine klare Stärke der Platte ist. Selbstreflektiert, mit einem überraschend subtilen Humor und viel zu Erzählen gibt sich Flizzy maskulin, selbstsicher und wissend. Dass er dabei selten mehr zum Besten gibt als lauwarme Gangsterklischees, ist egal oder eigentlich sogar gut, denn die pure Kredibilität zu besitzen, ein derartiges Album zu delivern, sagt eigentlich schon genug. Fler ist authentisch, er wirkt glaubhaft, selbst wenn er Dinge sagt, die bei anderen sinnentleertes Geprotze wäre.


    Jede zweite Nacht in Polizeigewahrsam/
    Und zuhause wieder Cornflakes mit Leitungswasser/
    Bei mir gab's keinen Urlaub an der Ostsee/
    Deshalb musst' ich meine Runden hier am Block drehen/

    (Fler auf "Junge aus der City")


    Fazit:
    In diesem Sinne ist "Vibe" ein gutes Album. Vielleicht sogar ein sehr gutes. Es ist unglaublich schön, jemanden wie Fler in der modernen deutschen Musikkultur zu wissen, denn trotz seiner Schwächen weiß er sein ästhetisches Gespür und seine Berliner Erfahrungen perfekt Hand in Hand gehen zu lassen, um einen der wenigen Musiker seines Milieus zu schaffen, der auf eigene Art und Weise am Zahn der Zeit agiert, ohne sich ihm zu unterwerfen. Demnach verdient er auch jeden Hype, jeden neu gewonnenen Respekt, sei es von den Kollegahfans, den Facebookonlinkommentareschreibern, den Musikjournalisten aus dem Allgäu oder den Gangstern aus dem Berliner Untergrund. "Vibe" ist ein starkes Album, "Vibe" ist ein wichtiges Album, und auch wenn man seine Schwächen nicht komplett vergessen sollte, kann man es doch als das möglicherweise relevanteste Projekt des Jahres bezeichnen. Wie es jetzt weitergehen wird mit diesem deutschen Rap, das kann wohl keiner sagen, aber ich denke, wir können uns darauf einigen, dass Flizzy dabei eine Rolle spielen wird. Und das ist eine gute Sache.


    Merkst du nicht, ich vibe gerade?
    (Fler auf "Vibe")



    (Yannik Gölz)


    [redbew]2114[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2114[/reframe]

    pocky bloom gravity boy

    Einmal editiert, zuletzt von Max ()

  • Sehr schöne Review! Um Welten besser als die zu "Palmen aus Plastik". Hier wird faire Kritik geübt und nicht zwanghaft nach dem Haar in der Suppe gesucht. Bewertung passt auch, Flizzy hat ordentlich abgeliefert und sich weiterentwickelt, auch wenn ich die Kartoffel nicht ausstehen kann.

  • Sehr schöne Review! Um Welten besser als die zu "Palmen aus Plastik". Hier wird faire Kritik geübt und nicht zwanghaft nach dem Haar in der Suppe gesucht. Bewertung passt auch, Flizzy hat ordentlich abgeliefert und sich weiterentwickelt, auch wenn ich die Kartoffel nicht ausstehen kann.


    nur weile eine review nicht deine vorstellungen widerspiegelt ist sie weder gut noch schlecht
    ot: schön geschrieben, bis auf die auskopplungen hatte ich noch nicht die gelegenheit ins album reinzuhören, hab auch angst vor einer enttäuschung da ich wie du auch angesprochen hast, nicht auf flers flow klar komme und das für mich schon ausschlaggebend ist ob ich einen track feiern kann
    edt: flizzy meinte doch, dass er das album irgendwo for free streamen lässt, hat da jemand infos zu?

  • Sehr gute Review, würde auch exakt die selbe Wertung geben
    Klar, normalerweise müsste so ein Sound in Deutschland Normalität und Durchschnitt sein, da das aber nicht der Fall ist, ist es gut, dass es Vibe gibt
    Und Fler hat sich endlich gebessert und sich Eigenschaften wie Selbstironie angeeignet ("Fler kann nicht reflektieren, ER RASTET AUS") anstatt wie immer bierernst zu bleiben, was cooler rüberkommt


    Übrigens hab ich von den Mainstreamrappern nicht ein negatives Wort über Vibe gehört, selbst Animus hat Props gegeben, spricht also auch für den Sound


    Meine Favoriten sind Episch, Lifestyle, CREAM, Unterwegs und Unsichtbar in dieser Reihenfolge

  • nur weile eine review nicht deine vorstellungen widerspiegelt ist sie weder gut noch schlecht


    Das hat mit Vorstellungen gar nichts zu tun. Mich stört es null, wenn ein Album hier anders bewertet wird, als ich es getan hätte. Nur wenn die Kritikpunkte haltlos und lächerlich sind, ist das nun mal so. Bin mit Sicherheit nicht der Einzige, der so denkt.


    Das ist jetzt auch kein Hate gegen den Redakteur, ich kann nur seine Kritikpunkte in keinster Weise nachvollziehen und ich bin weder Camora- noch Bonez-Fan.

  • Diese Bewertung ist nur aufgrund der Kontroverse um Flers Person so hoch.


    Oder um es anders auszudrücken: "Fühlst du nicht den Hype". Wer Vibe beim Hören haben will, sollte sich mal das Tape von Crack Ignaz und Lgooney anhören. Ist Vibe meilenweit überlegen und die gleiche Musikschiene (außer, mich klärt jemand bezüglich Cloud/Trap oder whatever auf).


    Hätte maximal 3,5 Mics gegeben.

  • Diese Bewertung ist nur aufgrund der Kontroverse um Flers Person so hoch.


    Oder um es anders auszudrücken: "Fühlst du nicht den Hype". Wer Vibe beim Hören haben will, sollte sich mal das Tape von Crack Ignaz und Lgooney anhören. Ist Vibe meilenweit überlegen und die gleiche Musikschiene (außer, mich klärt jemand bezüglich Cloud/Trap oder whatever auf).


    Hätte maximal 3,5 Mics gegeben.


    sehe ich tatsächlich ähnlich. album ist zwar mmn solide (besser als sonstige fler sachen), aber mehr auch nicht. starke produktionen teilweise aber.

  • Diese Bewertung ist nur aufgrund der Kontroverse um Flers Person so hoch.


    Oder um es anders auszudrücken: "Fühlst du nicht den Hype". Wer Vibe beim Hören haben will, sollte sich mal das Tape von Crack Ignaz und Lgooney anhören. Ist Vibe meilenweit überlegen und die gleiche Musikschiene (außer, mich klärt jemand bezüglich Cloud/Trap oder whatever auf).


    Hätte maximal 3,5 Mics gegeben.


    also naja. Aurora war rein musikalisch schon ziemlich anders, auch wenns beides Trap ist

    pull your weapon out - and point it at the one who's innocent. notice that your weapon is still down and hasn't lifted yet.
  • Album ist nicht schlecht und vermutlich auch das beste Fler Album. Finde es trotzdem deutlich overhyped, nur weil Fler jetzt in Richtung Trap geht.


    Bitte hör dir mal die vorherigen Fler Alben an bevor du behauptest, dass Fler "jetzt" in Richtung Trap geht. :rolleyes:


    Der Track "Chrome" ist beispielsweise von Mai 2013 und da hatte Flizzy auch schon längst so geile Trap-Beats



    Zum Review: Finde die Bewertung plausibel und angebracht und die Schwächen/Stärken des Albums wurden gut rausgearbeitet.

  • Diese Bewertung ist nur aufgrund der Kontroverse um Flers Person so hoch.


    Oder um es anders auszudrücken: "Fühlst du nicht den Hype". Wer Vibe beim Hören haben will, sollte sich mal das Tape von Crack Ignaz und Lgooney anhören. Ist Vibe meilenweit überlegen und die gleiche Musikschiene (außer, mich klärt jemand bezüglich Cloud/Trap oder whatever auf).


    Hätte maximal 3,5 Mics gegeben.


    sehe ich tatsächlich ähnlich. album ist zwar mmn solide (besser als sonstige fler sachen), aber mehr auch nicht. starke produktionen teilweise aber.


    crack ignaz und lgoony mit Fler zu vergleichen finde ich doch etwas gewagt. Klar stilistisch gesehen haben die Künstler sich schon etwas angenähert, aber Lgoony vermittelt eine wirklich komplett andere Athmosphäre. Crack Ignaz kann ich aufgrund des Akzents einfach nicht dope finden.
    Also Vibe ist schon ein ziemlich starkes Album. Es setzt jetzt aber auch keine neuen Maßstäbe und sicherlich gab es bessere Alben dieses Jahr.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!