Audio88 & Yassin – Halleluja


  • 01. Halleluja
    02. Asia Box
    03. Jammerlappen
    04. K.R.A.U.M.H.
    feat. Doz9
    05. Gnade feat. Nico
    06. Beat Konducta Brandenburg
    07. Weshalb ich Menschen nicht mag
    08. Schellen


    Das Jahr 2015 war zweifellos das erfolgreichste in der Laufbahn des chronisch schlechtgelaunten Fleischmützenträgers Audio88 und seines langjährigen Partners Yassin, der seinen Zweitjob als George-Clooney-Double auf Junggesellenabschieden endlich kündigte, sodass sich das Duo Infernale Vollzeit dem Deutschrap-Business widmen konnte. Samtig weich begab sich die wohl normalste Kombo der Republik mit der verfassungsfeindlichen Krawallkapelle K.I.Z. auf große Deutschlandtour und beehrte auch das ein oder andere Festival mit ihrer Anwesenheit. Mit "Schellen" lieferte man ebenfalls noch im abgelaufenen Kalenderjahr einen Vorboten für "Halleluja", den die beiden vermutlich ebenfalls noch nicht als einen solchen intendierten. Sozialkritisch wie eh und je watschte man den rechten Rand und Alltagsrassismen ab und hätte damit den Zeitgeist nicht zärtlicher liebkosen können. Nun also "Halleluja"; ob als göttliche Abrechnung oder als Abrechnung mit dem Gottglauben bleibt zunächst offen, doch sicher scheint, dass die beiden Erzengel ihren querulantischen Geist nicht verloren haben.


    Du hast die Tastentöne laut gestellt/
    Halleluja! Dich hat der Beelzebub schon auserwählt/
    Und dank deines 'Tanzen-ist-auch-Sport'-Beutels/
    Wird er dich pirouettendrehend mit nach Hause nehmen/

    Audio88 auf "Halleluja"


    Während Prinz Porno für seine Bibel einst sechs Wörter benötigte ("Ich bin tight, ihr seid wack"), reduzieren die beiden Hohepriester die Aussage ihres Testaments im Wesentlichen auf das Mantra "Sei kein Spast", dessen Einhaltung vor dem Fegefeuer schützt. Neben "Schellen", das aus der Perspektive eines Schlechtmenschen gedichtet ist, sticht hier besonders der Audio88-Solotrip "Weshalb ich Menschen nicht mag" in seiner vehementen Kritik hervor. Die Bezeichnung des Misanthropen lehnt der leidenschaftliche Finger-in-die-Wunde-Stecker ab – zurecht, sind doch seine Abneigungen entgegen dem allgemein gehaltenen Titel immer selektiv und umfassend begründet. Die Parts des 88ers lösen eine interessante Mischung aus zustimmendem Nicken und kurzem Ertapptfühlen aus und profitieren von der sukzessiven Entwicklung des Rapvortrags, der es ermöglicht, die gewohnt genialen One-Liner ("Relativieren ist niemals eine Meinung") würdig zu inszenieren. Während der Fokus seines Partners deutlich mehr auf zitierwürdige Passagen gelegt worden ist, beweist Yassin etwa auf dem Titeltrack "Halleluja" sein Gespür für harmonische Hooks. Die Arbeitsteilung von Part und Refrain funktioniert fabelhaft und durch die orchestralen Klänge, die Produzent Dexter hier arrangiert, liefert man einen lehrbuchhaften Opener. Audio88 kehrt seine Wut offensiv nach außen, sein graumelierter Gevatter sorgt hingegen mit seiner Introspektive "Jammerlappen" für ungewohnte Töne. Das ernüchternde Suhlen im Selbstmitleid sowie der Umgang mit dem Altern werden von Yassin, der offensichtlich weitere deepe Themen außerhalb von Hoffnung, Trauer und Freimaurerlogen kennt, angeschnitten und zu einem authentischen wie atmosphärischen Titel verarbeitet. Neben "Asia Box", das von Torky Tork mit einem fernöstlichen Sample ausgestattet wurde, ist besonders die Kooperation mit Nico, "Gnade", der größte Gehörfänger. In biblischer Breite (an dieser Stelle kein bemühter Bezug zum Albumtitel) wird auf diesem sechsminütigen Ungetüm inhaltlich alles zusammengefasst, wofür das Duo steht. Yassin entwickelt sich hier mit Lines wie "Wenn ich deine Songs nicht feier, holt der Teufel sich dein Kind", zum Most Valuable Player und liefert erneut eine bemerkenswerte Hook, die durch die epische Inszenierung von Farhot aufgewertet wird.


    Denn das Wort der Straße dringt auch durch schalldichte Wände/
    Ich sitze nachts im Studio und such' für die Zeile ein Ende/
    Und von draußen brüllt es ohne Unterlass hinein:/
    "Musik ist keine Arbeit, macht sie dich nicht reich"/

    Yassin auf "K.R.A.U.M.H."


    Fazit:
    Das Niveau der Auskopplungen kann über die gesamte Laufzeit zwar nicht gehalten werden, dennoch bieten Audio88 & Yassin mit "Halleluja" eine durchaus kurzweilige EP, wobei sich 'kurzweilig' eindeutig auf die musikalische Vielfalt und nicht auf den dargebotenen Themenkosmos bezieht. Denn entgegen der durch Auskopplungen und Artwork geweckten Erwartungen ist der Kirchenkomplex nur ein peripher behandelter Inhaltspunkt. Eine gewisse Einheitlichkeit wäre allerdings durchaus wünschenswert gewesen, denn so gerät "Halleluja" gewissermaßen zur Schnipselcollage von Sammelstücken aus den vergangenen Wochen, Monaten und teilweise Jahren. Szenehass und Gesellschaftskritik sind noch immer Grundpfeiler der gemeinsamen Religion und werden auf unnachahmliche Weise kultiviert. Auch für die weitere tragende Säule, die Beats, wurde durch Kooperationen mit großen Namen wie Dexter und Farhot wieder ein solides Fundament gelegt, sodass "Halleluja" deutlich mehr ist als nur eine Überbrückung bis zum nächsten Langspieler.



    Lennart Gerhardt


    [redbew]2080[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2080[/reframe]

  • Mh, was die Einheiltlichkeit anbelangt handelt es sich hier alt in gewisser weise um ein Mixtape in ep Form, das Mixtape ist aber hammer, einzeln überzeugt mich so ziemlich jeder Track!

    +They always expect the Monster. And It's always just some bloke.
    There ain't no monsters. There's no great saving grace.
    No us and them. There's just us. - Hellblazer+

  • Die Einheitlichkeit, deren Fehlen bemängelt wurde, liegt darin, dass jeder Track großartig ist. Die Platte ist auf jeden Fall eine der besten des Jahres/der letzten Jahre und in dem Review wurde mindestens ein Dingsbums zu wenig vergeben.

  • Der stärkste Song der Platte "Warum ich Menschen nicht mag" wurde ja nicht ausgekoppelt, so dass die ohnehin sehr guten Auskopplungen zumindest meiner Meinnung nach noch etwas übertrumpft wurden.

  • hätt n halbes mehr gegeben aber an sich nachvollziehbar geschrieben. N Album muss halt auch als Gesamtwerkstehen und zwar aus wie ich mein offensichtlichen Gründen. Und ich denk mal Audio88 und Yassin werdens verkraften ;)

    all y'all records sound the same
    I'm sick of that fake thug, R&B-rap scenario, all day on the radio
    Same scenes in the video, monotonous material

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