Seyed – Engel mit der AK


  • 01. Danke Jeannie
    02. Rap oder Einzelhaft
    03. Number One Newcomer
    04. Tijara im Pyjama
    05. MP5
    ft. Kollegah
    06. Engel mit der AK
    07. Kanaks in den Streets
    ft. Kurdo
    08. Schlangen ft. Kollegah & Farid Bang
    09. Ghettoblues
    10. Koffer voller Cash
    11. Bessere Welt Slut
    12. Moralpredigt
    13. Cool Prince
    14. Kein Interview
    15. Alpha ist Imperium
    ft. Kollegah
    16. Persische Kriegerin


    Früher schwarz gefahren im Lamborghini/
    Danke Jeanny/
    Zeiten ändern dich nicht, aber mich du Bitch/
    Denn ich bin bald rich/
    Habe mit 21 Jahren die Szene komplett weggefickt/

    (Seyed auf "Danke Jeanny")


    Logbuch, 16.06.2016, 11:31


    Ich liege benommen in meinem Bett. Das Intro des Albums setzt das siebzehnte Mal ein. Ich verstehe immer noch nicht, warum er die Szene denn jetzt komplett weggefickt haben soll, aber langsam kümmert es nicht mehr, ich verstehe überhaupt nichts mehr. Den inhaltlich hanebüchenden Blödsinn nehme ich kaum noch wahr, genau wie die immer gleich ekelhaften Preset-Synth-Loops, die mir in ihrem penetranten monotonen Surren mittlerweile vorkommen wie Mücken oder Stubenfliegen, die in allen Ecken meines Raumes auf und ab fliegen, zu latent um ihnen wirklich negativen Klang zu attestieren, zu laut, um sie zu ignorieren. Ich zucke und fuchtele um mich, will die Musik aus meinem Zimmer vertreiben. Sie geht nicht weg. Ich liege den ganzen Tag schon hier, nur ein paar zerknüllte Blockblätter habe ich in Richtung Papierkorb geworfen. Seyed hat mich kaputt gemacht. Ich habe seit Tagen jede Nacht den selben Traum und ich glaube, langsam Fieber an meiner Stirn festzustellen. Ich stehe auf einem Fußballplatz, in einem riesigen Stadion, an der Seitenlinie steht der muskulöse Kapitän des Gegnerteams, kurz davor, den Ball mit Karacho in seinen eigenen Strafraum zu flanken. "F. Blume – 9 – Team Alpha", säumt sein Trikot von hinten, und die Hereingabe in seinen eigenen Strafraum kommt. Der Kerl im Tor steht hilflos und überfordert da, scheint gar nicht zu realisieren, dass er zwei Meter links vom linken Pfosten steht, "Seyed – 1 – Team Alpha" steht da auf seinem Oberteil. Doch als er bemerkt, dass das Spielgerät in unsere Reihen fliegt, ist es schon zu spät für ihn, um irgendetwas zu halten. Und da kommt auch schon der erste von uns: "Skinny – 17 – Team Musikjournalismus", er murmelt irgendetwas von Hunden und Fehlkäufen, bevor er den Ball Volley nimmt. Traumtor. Die Szene setzt sich zurück. Erneut gibt F. Blume den Ball hinein, erneut steht Seyed hilflos am Rand. "Dani Fromm von laut.de – 6 – Team Musikjournalismus", Fallrückzieher, Traumtor. Die Szene wiederholt sich, jeder in dem Gemenge aus meinem Team überbietet sich mit kunstvollen Schüssen, bis schließlich nur noch ich vor dem Tor stehe, den Ball annehmen will und kurz vor dem Schuss aufwache. 16.06.2016. Das Album ist schon lange draußen. "Engel mit der AK". Die Deadline für meine Review ist heute.


    Jeder Spast hier ist famous/
    Ich kille die Sluts auf den Stages/
    Yeah – vom Backup zum Rapstar/
    Vom Hustler zum Mainact/

    (Seyed auf "Number One Newcomer")


    Logbuch, 17.06.2016, 23:57


    Ich erwache zu den Klängen von "Number One Newcomer", einem selbst für die Verhältnisse von "Engel mit der AK" furchtbaren Song, die überlebensgroße Unauthentizität klebt an geschwollenen, uninteressanten Synthesizern, die sich nach ein paar Takten wieder zu durch meinen Raum schwirrenden Insekten verwandeln. Die gesungene Hook klingt nach misslungenem RBA-Entry-Experiment. Ich huste Schleim. Meine Stirn glüht. Die Review ist gestern nicht fertig geworden. Wie denn auch? Es gibt nichts mehr zu sagen. Der Typ ist ein fleischgewordenes Klischee, wurde vermutlich von Kollegah in einem geheimen Laboratorium im Iran im Erlenmeyerkolben gezüchtet, wo er im Wechsel Tapes von ihm selbst und Shindy auf den gequälten Homunculus einschallen lies. Als dann am Ende ein ausgewachsener Homo Sapiens auf den sterilen Fliesen stand, tobte draußen wohl ein Gewitter und Kollegah wird wohl sein bestes Filmantagonistenlachen gelacht haben, immerhin war ihm das eigentlich unmögliche geglückt: Er hatte Majoe noch einmal getoppt. Ein klein wenig weniger ungelenk auf den Beats, aber dafür das letzte bisschen Persönlichkeit getilgt. Ein Blitz erhellt das Labor durch die Fenster, Kollegah lacht. Ich wache schweißgebadet auf, ich musste eingeschlafen sein. Genug von meinen Fieberträumen, ich glaube, ich will das Fußballstadion zurück. Das Album ist musikalisch aber tatsächlich genauso eindimensional, wie man es erwarten dürfte. Beats von der Resterampe, Synthpresets, ab und zu ein Vocalsample, ab und zu ein geschwollenes Klavier, in den Drumlines zuckt ab und zu eine Snareroll aus dem leblosen Plastikgerüst. Beats, so sehr nach Blaupause konstruiert, dass es mich keinen Zentimeter wundern würde, einen Container davon morgen im IKEA zwischen bunten Plastikmülleimern und weißem Geschirr zu finden. Und textlich wäre es noch wohlwollend, ihn als Klischee zu bezeichnen. Sich selbst findet er klasse, Frauen (außer Mami!) sind allesamt wandelnde Fleischballen, die, wenn Seyed sich mal auf ihr niederes Level herablässt, natürlich sofort mit ihren besten Freundinnen in seinem Bett landen, er hat sich von ganz unten nach ganz oben gekämpft und wenn ihm gerade keins der anderen, komplett ausgelutschten Standardthemen einfällt, um es komplett profillos abzugrasen, dann rappt er halt austauschbare Punchlines runter oder holt sich ein Feature (meistens Kollegah, manchmal schlimmeres), das dann eben mit einer anderen Stimme langweilt, ins Boot. Und dass die Texte dazu noch inhaltlich absolut keinen Sinn ergeben, hat Kollege Antagonist (Klickst du hier) ja schon wunderschön abgegrast. Ich versuche, ein paar Zeilen zu schreiben, aber nichts Vernünftiges kommt zustande. Es ist vier Uhr morgens. Das Album rotiert weiter. Ich schlafe ein und träume dieselben Träume wie jede Nacht.


    Ich lade paar Playmates ein ins Studio, sie strippen/
    Jeder braucht Inspiration, bei mir sind es supergroße Titten/
    Willst du Hurensohn mich ficken, muss ich dich leider enttäuschen/
    Ich bin Cool Prince Seyed, ein Blick reicht, dass deine Schwestern feucht sind/

    (Seyed auf "Cool Prince")


    Logbuch, 18.06.2016, Uhrzeit unbekannt


    Ich habe meine Boxen inzwischen vollständig aufgedreht. Mein Kopf fühlt sich an wie ein Festivaldixieklo und ich kichere zur Hook von Medusa ("Spürst du die Schlangen im Nacken von Medusaaaaaah?"). Ich kichere hysterisch. Ich habe heute morgen schon drei Mal neben mein Bett gekotzt. Die Synthesizer sind nun keine Insekten mehr, sondern mannsgroße Blutegel, die sich wild und belämmert durch meinen Raum winden, Regale zertrümmern und die Tapete mit grünlichem Schleim beschmieren. Ich glaube, einer von ihnen hat eine AK. Spürst du die Schlangen im Nacken wie Medusaaaaaah? MEDUSAAAAAAAAAH? Ich kann nicht aufhören, zu kichern. Ich drehe mich nach links und falle aus dem Bett in mein eigenes Erbrochenes, ich huste ein bisschen Blut. Ich weiß nicht, ob ich noch träume oder schon wieder wach bin, das Brummen in meinem Schädel und der Schmerz in der Magengrube fühlen sich ziemlich real an. Sie haben es also geschafft. Alpha Musik hat gewonnen. Es wird keine Review geben. Kichern. Ich habe alle Absätze verworfen, zwischen dem Egel mit der AK und den Exkrementen liegen inzwischen mehrere Tausend zerknüllte Blockblätter, jedes einzelne ist wertlos. Ich drehe meinen Kopf um 360 Grad und drücke auf Pause. Solltet ihr nichts mehr von mir hören, gebt nicht Seyed die Schuld. Ich glaube, er weiß nicht, was er tut. Gebt Kollegah die Schuld. Die Blutegel werden langsam ruhiger. Ich schlafe ein und träume von einem Licht am Ende des Tunnels.



    (Yannik "Cuttack" Gölz)


    [redbew]2075[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2075[/reframe]

  • das schönste an Seyed und Majoe sind die Verrisse jedes Mal. Wunderbar, danke!

    pull your weapon out - and point it at the one who's innocent. notice that your weapon is still down and hasn't lifted yet.
  • Das liest sich ja fast schon mitleidserregend. Ich würde dieses Album echt niemandem zumuten wollen und verstehe überhaupt nicht wie Kollegah mit seinem sonst doch ziemlich guten Geschäftssinn diesen Hampelmann signen konnte.
    Selbst wenn das Album hoch chartet: Es bleibt Müll. Und wenn es nicht mehr so dringend ums Geld geht ist die Reputation doch immer wichtig, gerade bei einem neuen Label.


    Naja, whatever. Solange es Idioten gibt die all diesen Schund kaufen wird das so weiter gehen. Zumindest gibt es zwischendurch immer Lichtblicke.

  • Das schlimme ist dass er damit noch Geld verdient, auf welchem Platz ist der eigentlich gechartet? 70 , naja...

    Zitat


    Redest du pazifistisch Verblendet reiben sich Faschisten die Hände.
    Und die Frage ist nicht warum ich vermummt bin,
    die Frage ist warum bist du's nicht du Dummchen?

  • Vielleicht sollten wir dankbar sein. Das Album hat mir so viele schöne Stunden geschenkt (Lächerliche Videoauskopplungen, Lustige Reviews und Artikel, Gespräche und Witze mit Freunden), auch wenn ich es kein einziges Mal gehört habe.


    Übrigens gehen nochmal Props raus an die lustigste Review dieses Jahres!

    Denn ihre Sicht ist zu verdreht, sie haten was sie nicht versteh'n.

  • wunderschön <3


    würde mir trotzdem wünschen, dass kollegah dafür mehr auf die fresse kriegt und das von allen reviews. haste am ende zwar kurz angerissen, aber das ist mir zu wenig.
    seyed hat einfach nichts mehr mit kunst zu tun, das ist nur noch kommerz. und das liegt zu 100% an kolle.

  • wunderschön <3


    würde mir trotzdem wünschen, dass kollegah dafür mehr auf die fresse kriegt und das von allen reviews. haste am ende zwar kurz angerissen, aber das ist mir zu wenig.
    seyed hat einfach nichts mehr mit kunst zu tun, das ist nur noch kommerz. und das liegt zu 100% an kolle.


    Das kam ja schon in diesem Kommentar zur Sprache.

  • wunderschön <3


    würde mir trotzdem wünschen, dass kollegah dafür mehr auf die fresse kriegt und das von allen reviews. haste am ende zwar kurz angerissen, aber das ist mir zu wenig.
    seyed hat einfach nichts mehr mit kunst zu tun, das ist nur noch kommerz. und das liegt zu 100% an kolle.


    In manchem Punkten bzgl. Kollegah muss ich halt auch einfach Fler recht geben. Der ist peinlich ohne Ende geworden. Leider ist es aber so, dass sich kaum wer traut, gegen große Künstler zu schießenund Missstände anspricht. rap.de macht das sonst noch ganz gut, aber die anderen Magazine verteilen nur Lobgesänge.

  • Ich hab als nur die komis in der Timeline gesehen und mich gefragt was hier abgeht. Weils nicht
    wirklich meine Intresse weckt aber weil so viele es feiern hab ich auch mal reingeschaut.
    Cool auf jeden von Cuttack. Sie Feiern die Review nicht das Album, zurecht.

  • Wirklich eine der bisher besten, freiesten Reviews der letzten Jahre. Danke, bin stolz Dich im Team zu haben.

    [indent]It ain't about who did it first, it's about who did it right.[/indent]

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