1. Mama's Intro (God's Order)
2. Talk Up On It
3. Bite Your Tongue
4. Didn't Wanna Wake You
5. Outta Line
6. Behave (feat. Tech N9ne)
7. More (feat. Stevie Stone)
8. No No's
9. Orangutan (feat. Ces Cru, Tech N9ne, JL B. Hood, Wrekonize, Rittz)
10. Wallflower (feat. Tech N9ne)
11. Big FU
12. Logged Off
13. No Love Interlude
14. No Love (feat. Tech N9ne)
15. Stop The World
16. Happyish
Auch wenn HipHop noch nicht komplett im Mainstream angekommen ist, so gibt es doch immer wieder den ein oder anderen Song, der voll in den austauschbaren Sendeplänen internationaler Radiostationen einschlägt. Ein waschechter Hit. Doch kaum eines dieser Lieder würde ohne seinen Refrain auskommen. Auch im Rap sind die Hooks oftmals das Herzstück des Tracks und das was uns noch lange nach dem Anhören im Ohr bleibt. Den Rapper und Sänger Krizz Kaliko, der bis zum heutigen Tag keinen austauschbaren Refrain geschrieben hat, kann man wohl als Meister in dieser Kategorie beschreiben. Als ich zum ersten mal einen Song von ihm hörte, war ich überwältigt von der kräftigen Stimme, dem intelligenten, bildhaften und reflektierten Text und gerade von der Kreativität, die sich durch das gesamte Lied zog, seien dies nun die ständig wechselnden Flowpatterns, der mächtige Stimmeinsatz oder die Art und Weise, auf die der Rapper, den ich bis dahin bloß als Sidekick Tech N9nes gesehen hatte, mit dem Beat harmonierte. Irgendwo zwischen ergreifenden Soul- und R'n'B-Hymnen, pathetischen Gospelchören, harten Metaleinlagen und vielen anderen bunten Genremischungen findet sich der Künstler aus Missouri wieder, der momentan bei dem Indielabel Strange Music unter Vertrag steht. Dort veröffentlicht der 42-Jährige nun sein bereits sechstes Soloalbum "GO", das jedoch im Gegensatz zu seinen Vorgängern fast komplett auf Rapparts des Musiker verzichtet und sich stattdessen auf seine Gesangsseite konzentriert, trotz alledem die HipHop typischen Klänge, Texte und technischen Herangehensweisen an die Songs für sich behält. Ein gewagtes Experiment, das sicherlich viele Hörer anfangs abschrecken könnte, doch wie gut funktioniert die Entwicklung des Sängers wirklich?
Mit "GO", eine Abkürzung für "God's Order", wagt sich der Musiker an neue Genres und Klänge heran, von denen er auf den Vorgängeralben noch die Finger ließ. Der Langspieler öffnet direkt mit dem wunderbaren "Talk Up On It", einem poppigen Liebeslied mit Hitpotenzial, das auch in leicht veränderter Form von einem frühen Michael Jackson oder Prince-Album stammen könnte. Gerade die erste Hälfte von "GO" ist sehr lebensbejahend, kurzweilig und spaßig. Inhaltlich werden dabei keine neuen Maßstäbe gesetzt, im Zentrum stehen vor allem stressige Beziehungen, wilde Partynächte und hübsche Frauen. Allerdings schlagen einige Lieder auch gerne immer mal wieder kritischere Töne an, so setzt sich Krizz vermehrt mit seiner bipolaren Störung, seinen Depressionen und anderen Problemen aus der Vergangenheit auseinander.
And I'm gettin' burned out/
Been down for too long/
A little drink puts me where I belong/
Don't bring me down/
I'm try'na move on/
Turn up 'till I forget about .../
(Krizz Kaliko auf "Bite Your Tongue")
Diese Themen werden gerade in der zweiten Hälfte des Albums zum Hauptmotiv und schaffen es immer wieder aufs Neue, durch einfache Bilder und Formulierungen große Gefühle auszulösen. Die musikalische Untermalung ist dabei stets perfekt an den Gesang angepasst, teilweise sehr pompös und manchmal doch einfach und simpel gehalten. Man kann jedem Song anhören, wie viel Arbeit Hausproduzent Seven in die Scheibe gesteckt hat. Trotz der unzähligen wild verwucherten Genreanreihungen, die von poppigen Trompeten und fröhlichen Xylophonklängen bis hin zu sinistren Synthiebässen ranken, ziehen sich gewisse Elemente wie die Blasinstrumentierung oder Gospelchöre, die den Sänger unterstützen, als eine Art roter Faden durch das Album. Allgemein wurden bei der Produktion von "GO" extrem viele Live-Instrumente eingesetzt und sehr viel Wert auf kleine Details gelegt. Dadurch entsteht ein sehr homogener, qualitativ hochwertiger eigener Sound, der durch die virtuosen und, im Gegensatz zu aktuellen musikalischen Trends, Autotune-freien Gesangsparts zusammengehalten wird. Bei Tracks wie "Outta Line" oder "No No's", dem gefühlten Nachfolger zum Partybanger "Spaz", auf dem Stevie Stone seine Fähigkeiten als Hypeman unter Beweis stellt, spürt man, wie viel Spaß die Arbeit an dem Projekt gemacht haben muss und man fühlt sich sofort versucht, auf die nächste Tanzfläche zu springen und mit ein paar eher schlecht als recht einstudierten Tanzschritten das Gebäude zum Einsturz zu bringen.
Trotz der lebhaften und stark vom Pop der achtziger Jahre beeinflussten ersten Hälfte, entfaltet sich das Album erst mit dem überragenden "Wallflower", der zehnten Anspielstation, das als Einleitung für eine düstere und emotionale Seite des Werks perfekt funktioniert, da es trotz persönlicherer Themen weiterhin sehr fröhlich und energiegeladen daherkommt. Der Part von Tech N9ne zu Ende des Tracks rundet diesen perfekt ab. Beide Künstler widmen sich ihren Außenseiterrollen in der Schulzeit, Problemen Mädchen anzusprechen, Selbstzweifeln und den typischen Underdogstories.
This is me and I don't even dance/
And I won't take the chance/
To let you put that note on my back, kick me in my pants/
And I don't even know/
What it feels like to glow/
I leave that up to y'all/
I'll be a flower on the wall/
(Krizz Kaliko auf "Wallflower")
Von da an verdüstert sich die Grundstimmung des Albums zunehmend mit jedem Song und auch inhaltlich widmet sich Kaliko, wie schon so oft in der Vergangenheit, bedeutsameren, tiefschürfenden Themen als auf den Songs davor. Nach "Son of Sam" quälten den Musiker aus Kansas City erneute Depressionen, die ihm das Leben erschwerten. Dies ging so weit, dass dieser schon nahe am Suizid stand. Diese Ängste und Gedanken entladen sich auf dem Album in dem zutiefst ergreifenden "Stop the World", welches einen von vielen Höhepunkten des Releases darstellt. Doch auch wenn der Anteil gesungener Hooks, Bridges und Verses auf dem Album nicht zu verachten ist, sollte dennoch jeder Rapfan auf seine Kosten kommen: Gerade die Featuregäste, die ausschließlich MCs des Strange Music Labels sind, reihen sich sehr gut zwischen die wundervollen Gesangseinlagen des Protagonisten ein, vor allem Tech N9ne und Stevie Stone sind hierbei positiv hervorzuheben. Aber auch der Hauptakteur ließ sich nicht davon abhalten, auf ein paar Liedern selbst einige Bars zu spitten. So ist mit "Orangutan" ebenfalls ein reiner Rapsong vertreten, der das Herz jedes Chopper-Enthusiasten höher schlagen lassen sollte. Auch das allgemeine Klangbild ist durchzogen von HipHop-typischen Sounds, dumpfen Bässen, eingebauten Samples, 808-Drumkits sowie hochfrequenten Synthesizern hier und da und vor allem Genreanleihen, derer sich HipHop-Künstler seit Urzeiten bedienen. Seien dies nun Soul und Gospel oder eingestreute Reggae Elemente. "GO" ist immer noch ein Album, das in seiner Attitüde, den Themen, der Musik und auch den Texten fest in den vier Grundfesten unserer HipHop-Kultur verankert ist. Krizz geht noch weiter und besinnt sich auf seine eigenen Wurzeln, die Kirchenmusik und andere Einflüsse, die aus den suburbanen schwarzen Gemeinden der Mitte des Landes, gerade in den sechzigern und siebzigern nur förmlich aus den Ghettos quollen, zurück und hebt all diese Elemente auf eine neue Ebene, die sowohl reine Rapfans als auch Mainstream orientierte Radiohörer anspricht.
To get to the sun you gotta go through the rain/
(Krizz Kaliko auf "Stop The World")
Mit "Happyish" schließt "GO" dann doch noch mit einem versönlicheren Track ab, auf dem Kaliko sich selbst und jeden anderen ermutigt, nicht aufzugeben, egal wie hart es gerade für einen sein mag. Und genau das ist letzten Endes die Botschaft des gesamten Albums: When life gives you lemons, you make lemonade ("Wallflower").
Fazit:
Mit "GO" liefert Krizz Kaliko ein durchweg unterhaltsames und exzellent produziertes Album, das manchmal durch seine Extravaganz und manchmal durch seine Zurückhaltung und Konzentration auf die Texte und den Gesang besonders überzeugen und somit den Hörer für viele Stunden unterhalten kann, da es keinen Song gibt, den man selbst nach mehreren Durchläufen nicht mehr hören will. Auch wenn die Rapparts des Künstlers deutlich abgespeckt wurden und nur noch vereinzelt zu finden sind, ist dieser Schritt keine falsche Entscheidung, denn "GO" ist lediglich eine logische künstlerische Entwicklung in der Diskographie des Musikers, der schon seit seinem ersten Album gerade durch gesungene Liedabschnitte Fans für sich gewinnen konnte. So bleibt auch mit dem sechsten Kapitel in Krizz Kalikos Albenliste eine gewisse Kohärenz zu den Vorgängern erhalten, da "GO" aus musikalischer Sicht wie auch auf der Songwriting Ebene ein Pop- bzw. R'n'B-Album eines HipHop-Künstlers bleibt, was in gewisser Form der kreativen Art und Weise des Musikers entspricht, der nie wirklich einem bestimmten Genre fest zuordenbar war. Auf musikalischer Ebene wird hier gleichermaßen viel Qualität geboten und nur in wenigen Momenten biedert sich die Produktion unnötigerweise zu sehr den generischen Sounds aktueller Popmusik an und verliert somit an Charme und Eigenheit, ansonsten bleibt das komplette Werk stets ein Genuss, ob man nun die wilden Clubsynthesizer auf "No No's", die entspannten Melodien auf "Behave", die bewegenden Texte von "No Love" oder die Rapparts in Verbindung mit der verrückten Instrumentalisierung auf "Logged Off" präferiert, bleibt jedem selbst überlassen. Fest steht allerdings, dass Krizz Kaliko mit "GO" sein wahrscheinlich bestes Album seit "Kickin and Screamin" geschaffen hat, das in jeder Hinsicht noch persönlicher und zugleich fröhlicher, Disco- und Radiotauglicher ist als all seine vorherigen Werke, ohne dabei die Essenz dessen zu verlieren, was den Künstler stets ausgemacht hat.
Paul Stümke
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