Scotch – Anthrazit


  • 01. Immer wenn es schneit
    02. Anthrazit
    03. Vogelperspektive
    feat. Das W & Fehring Grau
    04. Tapetenwechsel
    05. Augenringe
    feat. Calli
    06. 2010
    07. Morgenstunden
    feat. Mave
    08. Nachhause kommen feat. Duzoe & Dollar John
    09. Grenzgänger feat. Fehring Grau
    10. Anthrazit Pt. 2


    Wagen wir einen Blick zurück in die Vergangenheit, genauer gesagt in das Jahr 2011. Das Videobattleturnier erlebte gerade eine Blütezeit und mittendrin fand sich ein immer feiernder, stets sympathisch wirkender Mann aus dem Norden wieder. Zusammen mit seiner Crew Bestes von Town heizte der Flensburger Scotch den Zuschauern damals ein und verbucht für sich mit seiner Hinrunde im Achtelfinale eine der ersten Runden des Turniers, welche die Eine-Million-Klickmarke durchbrachen. Danach wurde es trotz weiterer Teilnahmen an Turnieren und vereinzelten Songauskopplungen ruhiger um den Künstler. Anfang des Jahres allerdings postete er ein Foto auf seiner Facebookseite. Darauf standen mit der damaligen Tracklist zu "Anthrazit" die ersten Informationen zu einem Tape, auf das einige Fans bereits lange sehnsüchtig gewartet hatten. Knappe vier Monate später war es dann soweit, mit leicht abgeänderter Songlist ist die neueste Platte des Flensburgers seit dem 08. April erhältlich. Die Frage, die sich mir vor dem Hören letztendlich nur noch stellte, war, ob Scotch neue Wege gegangen ist oder ob wir uns auf eine EP freuen dürfen, die dem in der Vergangenheit angepriesenen Lebenswandel nun erneut einen musikalischen Nährboden gibt.


    Ich hab' mich dafür gehasst, viel von mir verschenkt/
    Geblendet von dem Scheiß und viel zu viel verdrängt/
    Und hab' gemerkt, dass der Konsum für mich nicht richtig ist/
    Und hab' verzichtet, um zu zeigen, was mir wichtig ist/

    (Scotch auf "Anthrazit")


    Das Intro von "Immer wenn es schneit" löst einen Déjà-vu-Moment aus; man hört Elektrosounds und erinnert sich an die Partymusik, die Scotch eine lange Phase seines künstlerischen Schaffens begleitet hat. Der Einsatz des Parts lässt diesen Eindruck sofort verschwinden. Der Künstler klingt härter, die leicht flapsige Art, welche die Attitüde des BvT-Frontmanns gefühlt seine komplette Feierphase begleitet hat, ist verschwunden. Und das bleibt kein Einzeleindruck, auch auf dem Titeltrack und "Vogelperspektive" merkt man, dass sich im Leben des Menschen und damit automatisch auch in dem der Kunstfigur in den letzten Jahren einiges getan hat. Routiniert klingt die Musik, die aus der nördlichsten Stadt Deutschlands und später auch Hamburg in die Republik gesendet wurde, seit ich durch das VBT das erste Mal von Scotch hörte; der Unterschied zu dieser Zeit ist allerdings, dass es nun auch gefestigt und passend klingt. So finden sich in der Instrumentierung der Platte Elemente des Soundbilds wieder, welche frühere Veröffentlichung des Künstlers prägten; allerdings nicht ohne dabei einen sehr viel ernsteren, beinahe erwachsenen Ton anzuschlagen. Hierbei ist der rote Faden, der trotz sechs verschiedener Produzenten, namentlich Dollar John, Nugat, Creepa, Neek, Petschino und Lazaro Valenzuela für zehn Tracks vorhanden ist, positiv hervorzuheben. Jeder Song bringt seinen eigenen Flavour mit, so klingt "Anthrazit Pt. 2" vom Soundbild her weicher und ruhiger als der erste Teil, bricht dabei aber nicht aus der vorhandenen Stimmung aus. Es scheint fast so, als würde sich der Lebenswandel des Menschen Scotch in seinem Sound abbilden. Konnte man die Musik des Flensburgers früher ohne Probleme auf einer Hausparty laufen lassen, bietet sie sich heute eher dazu an, während einer Zugfahrt zum Abschalten gehört zu werden, was in meinen Augen wahrhaft nichts Schlechtes darstellt.


    Was früher war, was heute ist/
    Was wichtig war, bedeutet heute nichts/
    So vieles wollte ich nicht/

    (Scotch auf "Vogelperspektive")


    Auf "Anthrazit" begegnet uns aber nicht nur eine Vielzahl von Produzenten, mit sechs Featuregästen, unter anderem Das W und Duzoe, ist auch diese Zahl nicht unerheblich. Manch einer fragt sich nun eventuell, ob die EP hier nicht vielleicht etwas überladen ist, so kann es bei dieser Anzahl an Fremdparts geschehen, dass der eigentliche Künstler etwas in den Hintergrund rückt. Die musikalischen und privaten Wegbegleiter des Flensburgers stören jedoch keineswegs; vielmehr sorgen diese durch ihre persönlichen Blickwinkel für eine Abwechslung im inhaltlichen Aspekt der Veröffentlichung. Womit wir auch schon bei der Frage wären, was der Wahlhamburger auf "Anthrazit" letztendlich thematisiert. Und wie sollte es anders sein, natürlich rappt er über Scotch. Wer jetzt aber auf Partyrap, verpackt in einem erwachsener klingenden Sound hofft, der wird wahrscheinlich enttäuscht sein, denn es ist tatsächlich der Künstler und nicht das Getränk gemeint. "Morgenstunden" ist an und für sich das einzige Lied, welches auf der Inhaltsebene den Tenor des uns bekannten Scotch anschlägt. Passend dazu ist an dieser Stelle auch das Mave-Feature, da dieser einer der Crew-Kollegen aus der bewegten Vergangenheit ist. Bis auf eben diese Ausnahme schlägt das gesamte Tape thematisch in etwa dieselbe Kerbe. Der Mensch hinter der Kunstfigur ist erwachsener geworden und lässt die vergangenen Jahre sowie seine aktuelle Gefühlswelt nun in musikalischer Form zur Geltung kommen. Problematisch ist hierbei, dass jedem von zu Hause Weggezogenen wahrscheinlich die Gedankengänge bekannt vorkommen und einem somit der gewisse Tiefgang teilweise abhanden kommt. Einzig durch seine Vortragsweise vermag es Scotch, sich von der grauen Masse abzuheben, die tagtäglich in einer ihrer Meinung nach farblosen Welt aufwacht und denselben Weg geht. Allein dies kann ab einer gewissen Länge eine aufkommende Monotonie allerdings auch nicht verhindern, sodass die Themenvielfalt die Schwachstelle des Tapes bildet, sofern man auf das Finden eben dieser erpicht ist.


    Fazit:
    "Anthrazit" war für mich zu Beginn ein Überraschungsei, so fügten sich Tracklist, Cover und Name nicht in das Bild ein, das ich von Scotch hatte. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie das Ganze zusammenpassen soll, waren in der Vergangenheit selbst die persönlicheren Songs des Künstlers in einen lockeren, jugendlichen Sound verpackt. Doch der Flensburger schaffte es, mich eines Besseren zu belehren: Persönlich gereift, soundtechnisch gefestigt und ohne großen thematischen Aussetzer veröffentlicht er ein Tape, das auf musikalischer Ebene einen Wendepunkt für ihn darstellen dürfte. Das nächste Release sollte in seiner Themenvielfalt eventuell noch etwas zulegen, ansonsten bedarf es zukünftig nur noch der minimalen Veränderungen von wenigen Gesichtspunkten, um Scotch nach seiner Battlevergangenheit einen Platz in der deutschen Rapszene zu sichern. Und so bleibt mir letztendlich nur noch eines zu sagen: Scotch ist tot, lang lebe Scotch.



    Lasse Golenia


    [redbew]2048[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2048[/reframe]

  • "Du machst jetzt erwachsene Musik, die vom Erwachsenwerden handelt
    Versteh' ich nicht so ganz, aber erzähl das jemand and'rem
    Und zeig demjenigen dann bei der Gelegenheit
    Anhand von dieser Puppe, wo dein A'n'R dich angefasst hat"


    Reviews lesen sich aber immer besser!

  • Album klingt durchaus cool. Review ist schön geschrieben.
    Mag wie du schreibst Peasy!

    +They always expect the Monster. And It's always just some bloke.
    There ain't no monsters. There's no great saving grace.
    No us and them. There's just us. - Hellblazer+

  • Album klingt durchaus cool. Review ist schön geschrieben.
    Mag wie du schreibst Peasy!


    Stimmt hab ganz vergessen PeasOuts super Review zu loben. Das hole ich hiermit nach. Super geschrieben und liest sich gut. Darfst definitv mehr machen!

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