01. Intro
02. Empire Business
03. Blutdiamanten
04. Kool & The Gang
05. John Gotti
06. Schusswaffengeräusche
07. Bye Bye Mr. President
08. Hoodtales IV
09. Kalter Krieg
10. V.I.P.I.M.P.
11. Wall Street
12. Nebel
13. Tropische Tierpelze
14. Pitbulls & AKs
15. Carpe Diem
16. Mörder
17. Weißer Testarossa
18. Winter
19. Angeberprollrap Infinity (Outro)
Mit großem Erfolg kommen auch immer mehr Kritiker aus den Löchern; diese Erfahrung musste der selbstinthronisierte King im vergangen Jahr machen. Der Widerstand begründete sich hierbei nicht nur auf der musikalischen Entwicklung, sondern besonders die Geschäftsgebaren des Selfmade-Interpreten wurden bisweilen als zweifelhaft bewertet, neben einer nie dagewesenen Albumpromotion, welche die Produktionsphase zeitlich übertraf, erntete hier besonders das Fitnessprogramm "Bosstransformation" kritische Resonanz. Als Kollegah im Laufe des Jahres die Fortführung seiner Zuhältertape-Reihe ankündigte, war die Reaktion dementsprechend eher verhalten. Viele vermuteten dahinter eine weitere Businessentscheidung, um durch die Vermarktung der populären Serie der Anhängerschaft weiteres Geld aus den Taschen zu ziehen, ohne jedoch musikalisch an die früheren Werke anzuknüpfen zu können. Betreibt der Düsseldorfer hier also Etikettenschwindel und serviert ein austauschbares Werk in der Bugwelle seiner Tape-Reihe oder fügt sich die Veröffentlichung in die ZHT-Saga ein und ergänzt es im besten Fall um neue Elemente?
Schon die Tracklist lässt das Herz des geneigten Kollegah-Hörers höherschlagen, denn mit "Hoodtales IV" und "Angeberprollrap Infinity" finden sich offensichtlich Fortsetzungen einiger Klassiker auf der Platte. Besonders "Winter", die Komplementierung der Jahreszeitenzyklus-Tracks, und "Nebel", welcher eine Weiterführung von "Rauch" ist und für den der ehemalige kongeniale Partner Rizbo gewonnen werden konnte, wecken hier das Interesse. Neben dem außergewöhnlichen Umfang, 64 Minuten Spielzeit verteilen sich auf 19 Anspielstationen, fällt auf, dass der Platininterpret komplett auf Featuregäste verzichtet hat, auch für ZHT-Veteranen wie Casper und Favorite wurde keine Ausnahme gemacht.
"Impulse meiner total kühlen Koka-Psyche/
Gelangen über hochaktive Synapsen/
Und Neuronen an meine Großhirndrüse/"
(Kollegah auf "John Gotti")
Kollegah bewies schon seit jeher ein Gespür für stimmige Anordnungen und so schaltet er nach dem verhältnismäßig unspektakulären Intro in den höchsten Gang. Der Titel "Blutdimanten", dessen Hook an frühere Refrains angelehnt ist und mit dieser Selbstreferenz exemplarisch für das Album steht, überzeugt durch einen absolut kompromisslosen Text und erinnert damit an den direkten Vorgänger in der Zuhältertape-Reihe. Deutlich entspannter wirkt da "Kool & The Gang", das sich den Golden-Era-Beats von Kollegahs Debüt angleicht und mit dem lässigen Vortrag und trockenen Humor einen ersten Höhepunkt darstellt. Epischer präsentiert sich das Instrumental von "John Gotti", das von AON-Haus-und-Hof-Produzent Reaf beigesteuert wurde. Auf choralen Klängen demonstriert der Reimarchitekt sein schier unendliches Repertoire an Wortspielen und Vergleichen und zeigt einmal mehr seine Ausnamestellung in dieser Hinsicht. Pure Arroganz ist ein weiteres Erkennungsmerkmal, das im Track "Schusswaffengeräusche" kultiviert wird, in dem der Interpret das Abfeuern von "Guns" als Feauturegast vorstellt. Auch der Sexismus, mit dem der Boss häufig kokettiert, findet hier einen zwischenzeitlichen Höhepunkt und wird mit einem Augenzwinkern zelebriert: "Feministen hören mein Tape und staunen nicht schlecht, denn Kollegah ist ein Businessman, der nur Frauen beschäftigt."
"Es gibt heute keinen Cock für deine Sister/
Weil die Fotze 'nen Kanisterkopf hat wie Batista/
Ich brech' deiner Mom den Kiefer vorteilhafterweise/
Reicht dazu, wenn ich 'nen Schwanz aufs Bordsteinpflaster zeichne/"
(Kollegah auf "Schusswaffengeräusche")
Im Mittelteil finden sich nach diesem überragenden Start auch immer wieder Lückenfüller, Titel wie "Carpe diem" und "Bye Bye Mr.President" rangieren etwa lediglich unter ferner liefen. Aus den Anspielstationen, die stringent dem Zuhälter-Film untergeordnet sind, ragt der Titel "Nebel", in dem Kollegah ehemaligen Weggefährten für ihre Unterstützung dankt, besonders hervor. Den Synthesizer-Beat, den man in dieser Form genauso auf "Boss der Bosse" hätte vermuten können, zeigt, wenn auch im Image, zum ersten Mal Emotionen. Eine ähnliche Wirkung erreicht der Titel "Winter", mit dem Toni Vivaldi seinen Jahreszeitenzyklus vollendet. Vergänglichkeit, Vergangenheit und die Unumkehrbarkeit des eigenen Handelns sind Themen, die auf dem angemessen düsteren Instrumental behandelt werden. Damit die Melancholie nicht allgegenwärtig wird, schießt Kollegah nach diesen besinnlichen Titeln danach umso härter. In Sachen Kompromisslosigkeit ragt hier "Mörder" heraus, das durch einen extrem atmosphärischen Alexis Troy-Beat und Lines wie, "Das nächste Mal, wenn dich deine Eltern sprechen wollen, benutzen sie ein Hexenbrett", zu einem absolutem Dauerbrenner wird. Sämtliche Punchlines und Reimketten, die im Vorfeld noch keine Verwendung fanden, ballert der Düsseldorfer in bewährter Tradition auf dem Outro "Angeberprollrap Infinity" heraus. Ein mehr als würdiger Abschluss, der eine unfassbare Reimkette beinhaltet und sich nicht vor den Outros der Vorgänger-Tapes, die stets zu den Highlights zählten, verstecken muss.
"Ey, ich zieh' gereizt um mich schießend durch Eimsbuschgebiete/
Kid, ich hatte die Glock schon in der Einschulungstüte/
Um dich lautlos zu killen, brauch' ich kein’ Schalldämpfer, Kid/
Sondern drück dir die Kugel einfach mit reiner Gewalt ins Genick/"
(Kollegah auf "Mörder")
Fazit:
Desert Eagle Guns, Dobermänner, Kokainmissbrauch – das "Zuhältertape Volume 4 " wirkt wie eine Zeitreise durch die bewegte Vergangenheit des "Drogenpapstes" und zeigt etwa durch den Gebrauch von allseits beliebten Addlips die Orientierung an den Vorgängerplatten. Unkenrufen zum Trotz bildet das Mixtape eine exzellente Fortführung, die absolut im Geiste der Vorgänger steht. Die Platte nach inhaltlicher Tragweite zu bewerten und mangelnde Themenvielfalt kritisch zu betrachten, wäre unangemessen, da man dies unter dem Label "Zuhältertape" ohnehin nicht erwarten sollte. Kollegah befindet sich auf dem Gipfel seiner Qualitäten als Texter. Die charakteristischen Reimketten sind gewohnt eindrucksvoll und auch in seiner Hauptkompetenz – komplexe Vergleiche kann der Düsseldorfer wieder auftrumpfen. Zum Unterhaltungswert tragen auch die zahlreichen Selbstzitate bei, die in einigen Fällen auch abgewandelt werden. Nicht zuletzt muss auch der trockene Humor, der durchaus für das ein oder andere Schmunzeln sorgt, hervorgehoben werden. Soundtechnisch ließ sich Alexis Troy, dem der Großteil der Produktionen zugerechnet werden kann, vom Sound sämtlicher Vorgänger-Tapes inspirieren. Es gelang dem Selfmade-Stammproduzenten dennoch, ein stimmiges Gesamtprodukt zu schustern, das auch nach einigen Durchläufen nicht langweilig wird. Besondere Highlights sind zudem zweifellos die Beats von Reaf; auch das musikalische Lebenszeichen von Rizbo fügt sich gut ins Gesamtgeschehen ein. So bleibt das "Zuhältertape Volume 4" ein Gesamtprodukt ohne gravierende Schwächen, das durch die enorme Laufzeit naturgemäß einige weniger starke Tracks beinhaltet, die allerdings nicht unmittelbar geskippt werden müssen. Wer sich davor für kein Werk von Kollegah erwärmen konnte, sollte auch um diese Veröffentlichungen einen Bogen machen, während sich jeder andere zumindest einige Rosinen aus dem Kuchen picken können wird.
Lennart Gerhardt
[redbew]1986[/redbew]
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