Fatoni & Dexter – Yo, Picasso


  • 01. Benjamin Button
    02. Authitenzität
    03. 32 Grad
    04. Semmelweisreflex
    05. Kann nicht reden ich esse
    feat. Kryptik Joe
    06. Ein schlechter Mensch
    07. Stalingrad
    08. Mike
    09. Kein Tag
    10. Dienstag Nacht
    11. ADHS
    12. Schauspielführer
    13. ICE Abteil


    Ein Raunen der Begeisterung zog durch die deutsche Untergrundrapszene, als diese Kollabo bekannt gegeben wurde: Fatoni macht auf Albumlänge gemeinsame Sache mit Dexter. Die im Vorfeld durchweg positive Resonanz scheint wohl auch berechtigt, betrachtet man beide Parteien mal für sich. Auf der einen Seite steht Fatoni, seines Zeichens ehemaliger MC der Münchener Crew Creme Fresh, der gerade in den letzten Jahren für jubilierende Kritiker und offene Münder bei eingefleischten Rapheads sorgen konnte. Seine EP "Die Zeit heilt alle Hypes" war Stammgast in den Jahrestoplisten, auch das gemeinsame Album "Nocebo" mit Edgar Wasser erntete absolut verdienten Ruhm. So konnte er sich zurecht den Status als äußerst kreativer und innovativer Vollblut-MC sichern, der dank jahrelanger Erfahrung im Vergleich zu einigen Kollegen auf der Bühne sogar vor längeren Freestyle-Einlagen und der Performance ohne Backup oder DJ nicht zurückschreckt. Auf der anderen Seite steht Dexter. An dieser Stelle könnte man auch einfach einen Punkt setzen, schließlich sollte jedem Rapfan dieser Name ein Begriff sein. Kaum jemand schafft den Spagat zwischen anspruchsvoll-innovativem Untergrundsound sowie der Präsenz im Mainstream samt Goldener Platten so konsequent wie der gebürtige Heilbronner Produzent. So weit, so vielversprechend. Die Erwartungshaltung des Rezensenten ist kaum übersehbar hoch, die Frage ist nun, ob die Beiden einen gemeinsamen Nenner und somit eine passende Soundvision gefunden haben, die auf Albumlänge gemeinsam funktioniert.


    "Guck mal die Anderen, die waren früher besser/
    Doch bei mir ist das anders, ich war früher schlechter/
    Mit Anfang 20 war ich wack/
    Guck mal jetzt, ich werde langsam perfekt/
    "
    (Fatoni & Dexter auf "Benjamin Button")


    An dieser Stelle könnte man es sich wieder einfach machen, schlicht "Ja" sagen und die Review abbrechen, aber ich will mal nicht so sein. Selten hat ein Rapper seinen bisherigen Werdegang so frei von Kitsch und gleichzeitig treffend charakterisiert wie Fatoni auf dem zitierten Titel, denn es kann wohl nicht geleugnet werden, dass der Münchener seit der Auflösung von Creme Fresh auf Solopfaden eine deutliche Entwicklung durchgemacht hat. Diese setzt er auf "Yo, Picasso" nahtlos fort und gibt sich wie gewohnt zwischen Humor und Ernst, repräsentativ dafür sei auf die Videosingle "32 Grad" verwiesen. Dabei schielt stets ein Auge aus dem Rapkosmos hinaus und prangert gesellschaftliche Zustände und Gepflogenheiten in sehr bildlichen Storytelling-Texten an ("Semmelweisreflex"; "Stalingrad"), auch vor experimentellen Konzepten wie "Kein Tag" und angenehm ehrlicher Selbstkritik ohne Pathos wird nicht Halt gemacht ("Dienstag Nacht"; "Mike Skinner"). Sowohl Flow als auch Stimmeinsatz sind durchgehend zu 100% kontrolliert und ausgereift, bleiben aber für den Hörer in gewisser Weise unberechenbar und schrecken auch vor keinen Experimenten zurück. So hält Fatoni seinen Hörer konstant zwischen zufriedenem Lächeln, Nachdenken und Überraschungsmomenten, wodurch man kaum merkt, wie schnell die 13 Anspielstationen vorbeifliegen. Insgesamt ist es einfach wahnsinnig erfrischend zu sehen, mit wie viel Freude hier zur Sache gegangen wird und wie wenig sich an rapüblichen Konventionen orientiert wird.


    "Ich bleib immer ein Spinner, der meint er sei Künstler/
    Doch weiß innerlich ich werde nie ein Mike Skinner/
    Wenn Mike Skinner ein Buch schreiben will, schreibt er ein Buch/
    Wenn ich ein Buch schreiben will, scheitere ich beim Versuch/
    "
    (Fatoni & Dexter auf "Mike")


    Was Fatoni auf der Rapebene verwirklicht, das vermag Dexter in Sachen Soundkulisse schon lange. Man bekommt fast das Gefühl, die zwei kreativen Köpfe hätten sich gegenseitig dazu angestachelt, möglichst viel aus sich herauszuholen. So gerät die Instrumentierung von "Yo, Picasso" irgendwo zwischen rückwärts gewandter Sample-Kunst und der Höhe der Zeit zu einer Art Kollage, die nur so vor innovativen Ideen und Überraschungsmomenten strotzt. Neben klassischen BoomBap-Anleihen mit tiefem Griff in die Sample-Kiste und rumpelnden Drums finden sich dann eben auch tickende HiHats und elektronische Ansätze wieder, die dafür garantieren, dass es auf den 13 Titeln für Musikliebhaber viel zu entdecken gibt. Die Spannung und Unterhaltung, die Fatoni auf der Rapebene garantiert, wird also von Dexter problemlos ebenso in Sachen Soundbild erreicht und wenn er dann zur Krönung auch noch höchstselbst einige Rap-Passagen beisteuert, kommt das natürlich ob der Seltenheit immer als besonderes Schmankerl daher. Was so insgesamt entsteht, ist die Verschmelzung zweier großer Kreativer des hiesigen Rapspiels, die sicherlich Fans und Kritikern das Funkeln in die Augen zaubern wird.


    Fazit:
    Selten hat Rap so viel Spaß gemacht wie auf "Yo, Picasso". Was Dexter und Fatoni da gemeinsam veranstalten, ist schlicht sagenhaft und strotzt nur so vor kreativer Energie und guter Unterhaltung. Während Dexter ja schon seit einigen Jahren dafür bekannt ist, eine schier unerschöpfliche Quelle an Kopfnickern und visionären Soundideen zu bieten, findet Fatonis großartige Entwicklung auf diesem Album Seite an Seite mit Dexter ihren vorläufigen Höhepunkt. Glücklicherweise hat man im Vergleich zur sonstigen Szene nicht den Fehler gemacht und das Album zu voll gepackt, denn so können sämtliche 13 Titel das hohe Niveau durchhalten, wodurch ein sehr rundes Album entsteht, das man tatsächlich am Stück durchhören kann, ohne auch nur an die Skiptaste zu denken. Bevor nun ob des Lobes ein falscher Gedanke aufkommt: Nein, dieses Album wird HipHop nicht in seinen Grundfesten erschüttern und revolutionieren, dafür bedient es dann doch zu sehr die Sparte Untergrund- und Oldschoolrap und hat somit Schwierigkeiten die dafür nötige Relevanz und Aufmerksamkeit zu generieren. Aber in der Art, wie hier kreativ gewerkelt wird, und für das, was es eben sein soll, ist es einfach fantastisch. An dieser Stelle kann sich der geneigte Rezensent nur mit den bruchstückhaften Resten an Vokabeln aus dem französisch Schulunterricht behelfen: Chapeau!



    Felixxl


    [redbew]1971[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1971[/reframe]

  • Für mich der erste deutsche Rapper, der Mucke mit geilen Trap-Elementen macht.
    Ich hab Semmelweißreflex richtig abgefeiert. Insgesamt überragendes Album.
    Storytelling 1+


    E: Dexter auch mit 1 nicen Part auf adhs

    Jetzt fassen wir uns mal alle gegenseitig an die eigenen Nasen!

  • Obwohl ich Dexter gar nicht und Fatoni erst seit "C'mon das geht auch klüger" auf dem Schirm hatte, hab ich mir nach dem Snippet erstmal das Album vorbestellt und die Review beschreibt das Album ziemlich gut. Schade, dass es nicht noch etwas mehr Aufmerksam bekommt.

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