01. SVPA x NOVA Interlude
02. Ohrwurm
03. Für immer und eh weg
04. Karussell
05. Nichts gesehen feat. Vega
06. Gestern
07. Welt feat. NjungEderalynes
08. Dein Song
09. Der Sonne so nah
10. Urlaub bei dir
11. Outback feat. Raf Camora
12. Auf nem guten Weg
13. Vorbei
14. Ins Licht
Als er im Alter von frischen 16 Jahren beim HipHop.de-Wettbewerb "Newcomer des Jahres" von einer, unter anderem aus Azad, K.I.Z. und Sido bestehenden Jury zum Sieger gekürt wurde und kurze Zeit später schon sein Solodebüt "Karneval" auf den Markt brachte, wurde Montez von der Szene als das nächste große Ding beäugt. Es folgten ein Splash!-Auftritt, die gemeinsame Tour mit Kool Savas und im Zuge dessen ein Deal mit der Konzertagentur Essah Entertainment. Trotz, oder vielleicht gerade wegen dieser optimalen Ausgangsposition wurde es danach relativ still um den jungen Nachwuchsrapper, der laut eigener Aussage von einer längeren Schreibblockade geplagt wurde. Diese scheint nun ein Ende gefunden zu haben, denn neben einer Unterschrift bei Vegas neu gegründetem Label "über die Grenze" beliefert der mittlerweile 21-jährige seine Fans mit dem neuen Album "Für immer und eh weg":
Das rein Instrumental gehaltene Intro lässt schon in etwa erahnen, in welche Richtung die Platte geht und über weite Strecken bleibt die ungefähre Richtung erhalten. Das Produzententeam SVPA X NOVA leistet auf dem Release ganze Arbeit und schafft mit verträumten Pianos, innovativen Synthie-Entwürfen, knallenden Drums und der ein oder anderen Gitarrenpassage einen organischen, stimmungsvollen und zugleich größtenteils sehr monumentalen Sound, der aber leider doch ein bisschen nach etwas klingt, was man schon mehrmals gehört hat. Für Fans solcher Beats ist das Release definitiv zu empfehlen, während andere wohl ihre berechtigten Probleme mit der Platte haben werden. Alle Instrumentals sind sauber ausproduziert, professionell abgemischt und trotz des einheitlichen Sounds kommt Abwechslung auch nicht zu kurz. Ein gewisser Rockeinfluss zieht sich durch das ganze Album und besonders die Gitarrenriffs am Ende der Tracks "Outback" und "Ins Licht" fallen sehr positiv ins Auge. Stellt sich nur die Frage, ob der Rapper auf diesem instrumentalen Grundgerüst auch mit seinen Raps überzeugen kann.
"Und diese Wände zeigen Schwerter, bin kein Ritter – mit der Faust kämpfend/
Ich kenn' das Röntgen meiner Hände mittlerweile auswendig/
Und ich saß in der Ferne, kein Licht ist gekommen/
Und denke seit Jahren, diese Straßenlaternen sind meine Sonne/"
(Montez auf "Für immer und eh weg")
Der Anspruch, den Montez an seine Lyrics stellt, fällt von Beginn an ins Auge, denn als Hörer bekommt man auf "Für immer und eh weg" weder Battletracks noch Partymusik oder witziges Storytelling, sondern vielmehr Geschichten aus dem Leben eines leicht depressiven jungen Mannes zu hören. Schonungslos ehrlicher und persönlicher Umgang mit familiären Problemen und ein Eingeständnis der eigenen Spielsucht, wie es auf "Ohrwurm" passiert, erfordern mit Sicherheit ein gewisses Maß an Mut und scheinen für den von Existenzängsten geplagten Rapper eine Art Therapiestunde zu sein, auch wenn die flüsternd dahin gesungene Hook absolut nicht meinen Geschmack trifft und auch nicht wirklich auf den sonst so kraftvollen Track passt. Gleich im Anschluss folgt mit "Für immer und eh weg" ein Track, in dem stimmungstechnisch alles falsch gemacht wurde, was falsch gemacht werden kann. Nicht nur, dass Beat und Flow wesentlich fröhlicher anmuten, als es der doch eher traurige Text eigentlich zulassen würde, zu allem Überfluss baut sich der Song immer weiter auf und in dem Moment, wo ich schon bereit bin, mich einem einschlagenden Gitarrenriff, knallenden Drums und einer druckvoll gebrüllten Hook hinzugeben, kippt die Stimmung komplett zu einem weiteren ruhigen mit Flüsterstimme gesungenen Gebilde. Zurück bleibt ein Gefühl, als wär mir die Kugel Eis auf den schmutzigen Boden gefallen, bevor ich auch nur ein einziges Mal daran lecken konnte. "Gestern" macht in dieser Hinsicht dafür alles richtig, denn hier wird mit der nötigen Melancholie in der Stimme ein weiteres sehr privates Thema behandelt und auf einem lockeren Instrumental von der simplen aber sehr eindringlichen E-Gitarre über die volle Spielzeit hinweg getragen, was alles in allem die wohl stimmigste Nummer auf der ganzen Platte darstellt. Während die Texte auch auf den weiteren Tracks großteils ehrlich, persönlich und wie frisch aus dem echten Leben wirken, kommt man beim Hören oft nicht an klassischen, deepen Floskeln vorbei, wie man sie schon hundert Mal auf den tiefgründigen Tracks irgendwelcher semi-begabter Straßenrapper, an deren Namen sich heute wohl nur noch die eigene Mutter erinnert, gehört hat. Darüber hinaus kommt vereinzelt leider auch das Gefühl auf, Montez habe sehr tief in der Kiste mit den kitschigen Metaphern gewühlt:
"Verlier' jedes Tauziehen und kann trotzdem nicht loslassen" (Montez auf "Karussell")
"Wollt' unsere Liebe malen, doch habe das Schwarz nicht gefunden" (Montez auf "Dein Song")
"Deine Küsse haben nach Engel geschmeckt" (Montez auf "Vorbei")
Die Featureparts von NjungEderalynes und Labelboss Vega passen sehr gut ins Gesamtbild der Platte, heben durch solide Parts den Hörgenuss ein ganzes Stück an und sorgen an den richtigen Stellen für den nötigen Funken Abwechslung. In erster Linie das gegenseitige Zuspiel von Andeutungen auf ältere Textstellen Vegas sorgt auf "Nichts gesehen" für Unterhaltung, auch wenn man die Tracks von Vega kennen muss, um sich nicht zu fragen, was das gerade sollte. Das Highlight unter den Gastrappern stellt allerdings Raf Camora dar, der in der Form seines Lebens zu sein scheint und einen textlich soliden Part derart routiniert und gekonnt über einen energiegeladenen Beat hämmert, dass man schon fast vergisst, wessen Album man sich eigentlich gerade anhört.
"Wenn ich gehe, wird es schneien, Regen wird zur Eis/
Gelb-braune Blätter sagen 'red' mir nicht rein'/
Ich war kurz davor, meinen Verstand zu verlier'n/
Fast so wie Nash, doch nicht ganz so verwirrt/"
(Montez auf "Nichts gesehen")
Fazit:
Montez ist ein guter Rapper, wenn auch ein guter Rapper mit gewöhnungsbedürftiger Stimme, die das Potential hat, dem ein oder anderen dieses Album zu vermiesen. Spaß macht "Für immer und eh weg" definitiv nicht, dafür ist es dann musikalisch doch zu düster und die Themenpalette, die sich von Suchtproblemen über Existenzängste bis hin zu brüchigen familiären Strukturen allem bedient, was in irgendeiner Art und Weise deprimierend erscheint, legt es auch nicht darauf an zu unterhalten, sondern eher darauf, eine gewisse Stimmung zu transportieren, was über weite Strecken auch gelingt. Unterbrochen wird dieses instrumental wie textlich sehr stimmige Album nur durch gelegentliche Phrasendrescherei und einige unpassend, uninspiriert geflüsterte Hooks. Wäre "Für immer und eh weg" ein Film, dann weniger ein mit Effekten beladener Hollywood-Blockbuster sondern viel mehr ein französisches Kriegsdrama: Künstlerisch, qualitativ hochwertig, bedrückend und düster, aber irgendwie doch kurzweilig und unterhaltsam.
El-Patroni (David)
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