Majoe – Breiter als zwei Türsteher


  • 01. Breiter als zwei Türsteher
    02. Non plus Ultra
    03. Fallschirm
    feat. Phillippe Heithier
    04. Utopischer Körperbau
    05. Die ich immer haben wollte
    06. Prototyp Banger 2
    07. Mr. Majoe
    08. Mondschein
    09. Eins im Land
    10. Täglich grüßt das Murmeltier [ Skit ]
    11. Fresh
    12. Jungs von der Straße
    feat. Jasko
    13. Dreams
    14. Hip Hop
    feat. Farid Bang & KC Rebell
    15. Jedes deiner Worte feat. Phillippe Heithier
    16. Cruise im Benz feat. Summer Cem
    17. Eine Bewegung


    Platz 1 mit dem ersten Solorelease, dazu millionenfach geklickte YouTube-Hits durch Kooperationen mit Kollegah, 2014 hätte für den Newcomer aus Duisburg nicht besser verlaufen können. Den Hype aus dem Vorjahr wollte der Rapper mit sri-lankischen Wurzeln anscheinend konservieren, denn schon etwa 400 Tage nach der letzten Veröffentlichung steht "Breiter als zwei Türsteher" in den Regalen, dessen Titel sich von dem Vorgänger nur durch die eingeschobene Numerale unterscheidet – ganz im "Fast and Furious" Stil. Promophasen sind das Steckenpferd des Banger-Clans und so bombardierte der Muskelprotz das YouTube-Publikum mit Vlogs und Challenges, wie das inzwischen schöne Tradition ist. Auch mit den Vorab-Singles präsentierte sich der Bang-Scherge nicht gerade sparsam und stattete sieben Auskopplungen mit einem Video aus, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Entgegen der Aussagen Majoes, der in Interviews betonte, dass das Album einen einheitlichen Klang habe, gerieten die Veröffentlichungen sehr gegensätzlich: Neben Representern wie "Utopischer Körperbau" dominierten etwa bei "Jedem deiner Worte" ruhigere Klänge, während man mit "Ich wurde zurückgehalten damals" (lediglich ein Bonus-Track) einen Party-Schlager anbringt. Es wird sich also zeigen, inwiefern es gelungen ist, aus diesen verschiedenen Versatzstücken ein homogenes Werk zu stricken und inwieweit die künstlerische Profilierung, die Majoe nach eigener Aussage anstrebt, vorangetrieben werden konnte.


    "Ich habe die Tiger-Gene/
    Und du nur Biber-Zähne/
    "
    (Majoe auf "Breiter als zwei Türsteher")


    Schon nach einem Hördurchgang ist klar, dass hier überhaupt nichts zusammen passt: Exemplarisch lässt sich das an dem Übergang von "Jedes deiner Worte" zu "Cruise im Benz" herausgreifen. Während der erstgenannte eine schmalzige Kitsch-Kanone ist, fährt Majoe auf dem zweiten mit Autotune und Summer Cem durch die City. Die Titel hätte man ohnehin in jeder Reihenfolge anordnen können, sogar dem Intro fehlt etwas atmosphärisch Einführendes. Ganze Zeilen könnte man zwischen den einzelnen Selbstbeweihräucherungs-Tracks austauschen, die einzelnen Sechzehner sind derart inkohärent, dass das nicht ins Gewicht fallen würde. Wie-Vergleiche soweit die Augen reichen, mit schwankender Qualität von passabel bis Fremdscham-erregend, einige Perlen: "Ich bin ständig auf der Jagd nach Mäusen so wie Turmfalken" ("Nonplusultra"), "Hungrig wie Jagdhunde" und "Ich lass mich nicht verbiegen, wie ein Eisberg in Sibirien" (beide "Jungs von der Straße"). Auf dem zweitgenannten Track erhält der Duisburger Unterstützung von seinem Spießgesellen Jasko, der es zumindest schafft, seine Zeilen mit so etwas wie Inhalt zu füllen, womit er allein auf weiter Flur steht.


    "Angespannte Arme wie in Burkina Faso", "große Klappe wie ein Pelikan" – Majoe bedient sich des Öfteren an der Resterampe seiner Ziehväter Farid Bang und Kollegah, als deren fader Abklatsch man ihn definieren kann. Einen absoluten Tiefpunkt liefert hier etwa der Skit "Täglich grüßt das Murmeltier"; hier bin ich mir nicht sicher, ob es sich um Selbstsatire handelt, denn den hölzernen "Pinocchio-Flow" des Interpreten hätte Smudo in '95 himmelweit übertroffen. Dazu die Line: "Wir sind eine Bewegung wie laufen oder springen", die schon jetzt die Goldene Himbeere für den wacksten Vers sicher haben sollte. Der für mich stärkste Titel ist "Mr. Majoe", dem das passende Biggie-Sample sehr zu Gute kommt – als Representer-Track kann man ihn durchaus durchwinken, auch wenn man seine herausragende Qualität mit dem Bild des höchsten Bergs der Niederlande vergleichen könnte.


    Auf "Fallschirm" und "Jedes deiner Worte" steuert Phillippe Heithier zwei wahre Schmachtfetzen von Hooks bei, die der "Fake-Forster" möglicherweise leisten musste, da er Automatenschulden in einer der Rebell-Lounges hat. Anders lässt sich die Mitarbeit an diesem Machwerk nicht erklären, denn Heithier droht bei weiteren derartigen Verfehlungen der Ausschluss aus der Gilde der Schmuse-Barden. "Jedes deiner Worte" ruft Assoziationen an den Bushido-Titel "Wärst du immer noch hier" hervor, wobei "inspiriert" den thematischen wie strukturellen Überschneidungen nicht gerecht wird – da hat der Akademiker Majoe wohl die Fußnoten vergessen. Auf dem Kräftemessen mit den Label-Größen "Hip Hop" holpert der Bizeps-Rapper wieder beispiellos über den Beat, den Kampf um den größten Unterhaltungsfaktor gewinnen weder Farid Bang oder die Rap-Part des Rebells, sondern die Adlips KCs. Die Vorstellung, wie er im Studio sein Mikrofon anknurrt und grunzt, lässt mich das erste Mal seit knapp fünfzig Minuten lächeln.


    "Würdest du bei mir bleiben, wenn wir keinen Luxus haben?/
    Würde ich mit dir sogar gemeinsam unter Brücken schlafen/
    Wenn ich mal pleite geh, würdest du noch an meiner Seite stehen?/
    Oder würdest du dann weg gucken und weiter gehen?/
    "
    (Majoe auf "Jedes deiner Worte")


    Fazit:
    Majoe ist ein Interpret, der anscheinend absolut nichts zu erzählen hat, neben klassischen Representern, die im Vergleich zu einem passablen MC das umgekehrte Verhältnis von brauchbaren zu Füll-Lines aufweisen, bieten stereotype Schmalz-Arien das wacklige Fundament der Platte. Dabei wirkt alles wie schlecht recycelt, wie das aufgewärmte Essen vom Vortag, das eigentlich schon da nicht wirklich geschmeckt hat. Kein Konzept, kein Gedanke, keine Line weist in irgendeiner Weise Innovation oder eine künstlerische Eigenheit auf. Kann man seinen Label-Kollegen bei aller berechtigter Kritik noch irgendeine Qualität zugestehen, KC die markante rauchige Stimme und Farid Bang den primitiven Humor, fehlt derartiges bei Majoe komplett. Die Platte unterhält weder, denn in 2015 ganze Sechzehner nur mit bestenfalls mäßigen Vergleichen zu füllen, ist einfach zu wenig, noch lösen die "nachdenklichen" Titel irgendeine Emotion aus. Das Machwerk wirkt von vorne bis hinten durchkonstruiert, ist ein Schnellschuss, der um den bestehenden Höhenflug mitzunehmen, so schnell wie eben möglich erscheinen musste. Zu dem inhaltlichen Nichts gesellen sich eine lieblose Beatauswahl, die komplett ohne Höhepunkte auskommt sowie die raptechnischen (Un)fertigkeiten des Kraftprotzes, der über die Instrumentals eher stolpert als flext. Was von "Breiter als zwei Türsteher" bleiben wird, ist der peinliche berührte Moment, den der jetzt 14-jährige Banger-Fan erlebt, wenn er in zehn Jahren seine alten Platten durchstöbert und diese Scheibe in seinen Händen halten wird.



    Lennart Gerhardt


    [redbew]1953[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1953[/reframe]

  • Ziemlich enttäuschend irgendwie was die Banger so rausgehauen haben dieses Jahr.
    Mal schauen, vielleicht rettet Summer noch bisschen was.

  • Die Review ist an dieser Stelle eigentlich ohnehin komplett verschenkt, denn jeder weiß hier, dass Majoe wacke Scheiße ist die kein Mensch braucht.
    Trotzdem gut geschrieben und stimmt natürlich uneingeschränkt.

  • Mal ne prinzipielle Frage. Hier werden ja Alben reviewt und das setzt voraus, dass man zumindest eine MP3 davon besitzt.
    Darf ich davon ausgehen, dass der Reviewende hoffentlich das Ding nur illegal gedownloadet hat? Wäre nämlich schade, wenn es anders wäre.

  • Oha, zur Abwechslung kommt hier mal wieder 'ne gute Review um die Ecke. Props.


    Majoe halt scheiße wie eh und je.

    you son of a bitch, she said, I am
    trying to build a meaningful
    relationship.


    you can't build it with a hammer,
    he said.

  • Zitat

    Was von "Breiter als zwei Türsteher" bleiben wird, ist der peinliche berührte Moment, den der jetzt 14-jährige Banger-Fan erlebt, wenn er in zehn Jahren seine alten Platten durchstöbert und diese Scheibe in seinen Händen halten wird.

    so

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