Timi Hendrix – 2 Zimmer, Küche, Bong


  • 01. Intro
    02. OK
    03. Der Kaiser von China
    04. Morgens
    05. 2 Joints
    feat. Sapient & Skinny Shef
    06. Genau wie Du 2015
    07. Alles beim Alten
    feat. Das W
    08. Schlaflos in Guantanamo feat. Alligatoah
    09. I Just Killed Two Cops Today
    10. Gang
    feat. Meister Elch, Basti DNP & Karate Andi
    11. Misanthrop feat. Sapient
    12. Main Bitch
    13. Lost In Bat Country
    feat. Sapient & Das W
    14. Hunderttausend Meilen

    Als Vince Gilligan nach dem Ende der Erfolgsserie Breaking Bad das Prequel "Better call Saul" ankündigte, welches die Vorgeschichte des umtriebigen Anwalts Saul Goodman beleuchten sollte, waren die Kritiker skeptisch. Zwar unterhielten die Szenen mit dem von Bob Odenkirk gespielten Advokaten stets prächtig, doch als alleiniges Zugpferd, ohne die Stars Bryan Cranston und Aaron Paul, stand der Erfolg der Serie zunächst in den Sternen. Das Projekt glückte, sowohl Kritiker als auch Zuschauer erkannten die Eigenständigkeit des neuen Formates an und inzwischen ist die zweite Staffel in der Pipeline. In einer ähnlichen Situation befindet sich Timi Hendrix, der als Mitglied der Formation Trailerpark in den letzten Jahren zahlreiche Charterfolge verbuchen konnte, auf Solopfaden jedoch noch ein recht unbeschriebenes Blatt ist. Auch vor seiner Zeit in der Wohnwagengang war der Pimpulsiv-MC selten allein unterwegs, sodass Tim Weitkamp trotz etlichen Jahren im Business mit "2 Zimmer, Küche, Bong" sein Debütrelease ankündigte. Doch kann dieses Projekt auf Albumlänge funktionieren oder fehlt Hendrix ohne Crew-Kollegen notwendige Abwechslung, um den recht fordernden Vortrag des Bielefelders über 45 Minuten ertragen können?


    "Manchmal kack ich mir in meine Hand, schmiere mir das dann in mein Gesicht, rufe meine Ex an und schreie 'Tim, Timey'", das sind die Zeilen, mit welchen der Crackstreet Boy seine Hörer im Intro begrüßt. Kann man so machen. Zumindest gibt dieser Auszug eine ungefährer Ko(s)tprobe des angepeilten Humorniveaus, das sich als fäkal-feucht-fröhlich klassifizieren lässt. Das konnte man bei einer Trailerpark Produktion allerdings genauso erwarten, ebenso wie das Drogen-Namedropping, das in sämtlichen Titeln durchgezogen wird. Tim präsentiert sich hier als Vertreter des Mischkonsums, alles von Amphetaminen bis Zombiedroge Cloud Nine wird querbeet geschnupft, geschluckt, gespritzt oder geraucht. Auch die Textstruktur passt Deutschraps Pete Doherty an diesen exzessiven Lebensstil an: Gewollt zusammenhanglos, ohne irgendeinen thematischen Überbau, lispelt er vielsilbige Reime auf 14 Anspielstationen.


    "Die Schlampe vom Jugendamt kann ruhig mit dem Richter drohen/
    Fick dich, Hoe, mein dritter Sohn wird Hitlers Klon/
    Ich hab die GoPro am Schwanz, fahr auf Drogen durch's Land/
    Und halte Bitches von der Schule fern, wie Boko Haram
    /"
    (Timi Hendrix auf "Morgens")


    Stellvertretend für die ersten vier Titel, die ohne irgendeinen Gehalt auskommen, sondern lediglich eine Versuchsfläche bieten, den Konsum wie vieler Rauschmittel man in 16 Zeilen beschreiben kann, steht der Track "Morgens". Auf einem ziemlich unspektakulären Beat schießt Timi gegen alles, was durch die Branche kreucht und fleucht: Lance Butters, Majoe oder DJs, die an Tagen wie diesen "An Tagen wie diesen" spielen (genrefremd), bekommen ihr Fett weg. Nach so viel Feindseligkeit bringen Sapient und Skinny Shef, die in Kifferhymne "2 Joints" assistieren, etwas Entspannung. Während Hendrix den Ikonen des gepflegten Cannabis-Konsums huldigt, übertrumpft ihn sein ehemaliger Pimpulsiv-Gefährte mit seinem Part, welcher sich der Legalisierung von Gras widmet. Da sich auch die englische Sapient Hook gut ins Klangbild einfügt, entsteht ein runder Track, der zum kollektiven Nicken einlädt.


    Die Erholungspause währt allerdings nur kurze Zeit, denn mit "Genau wie du 2015" steht ein Titel in der Pipeline, für den mir kein anderes Attribut einfällt als "stressig". Die Pitch-Effekte, die in der Hook dargeboten werden und in mehreren Titeln Einsatz finden, kommen direkt aus der Hölle. Umso angenehmer ragt dadurch der Das W-Refrain in "Alles beim Alten" heraus. Mit seiner tiefen Stimme bildet er einen Kontrast zum schrillen Timi und hat damit entscheidenden Anteil daran, dass die Kollaboration der beiden "Unverbesserlichen" zu den besten Tracks des Albums zählt. Wie eine Mischung aus Schlager und Kinderlied und deshalb als Groteske zu verstehen, mutet "Schlaflos in Guantanamo" an. Die Zusammenarbeit mit Trailerpark-Kollegen Alligatoah wird durch die vereinnahmende Art des Reptiloiden zu dessen Song – Timi gerät also zum Nebendarsteller auf seinem eigenen Album.


    "Ich habe die Nächte durchgemacht und Whiskey pur getrunken/
    Hab' dich überall gesucht, hab' dich nirgendwo gefunden/
    Alle Fenster dunkel hier, jeder Tag ist regnerisch/
    Erschieß' mal den Regisseur, mir gefällt das Drehbuch nich'/
    "
    (Timi Hendrix auf "Hunderttausend Meilen")


    Reggae-Elemente importiert Timi Hendrix im Track "I just killed two cops today", der schon im Titel einen Bob Marley-Bezug erkennen lässt. Auch hier liefert der Bielefelder in den Parts wieder gut ab, um den guten Eindruck mit Gelalle in der Hook wieder zu ruinieren. Ruiniert werden außerdem in dem Posse-Track sämtliche Moralgrenzen: Meister Elch, Basti DNP und Karate Andi unterbieten sich in Niveaulosigkeiten: Pädophilie, Inzest, Massenvergewaltigung – es gibt kein Thema, über das man nicht lachen kann. Eine andere, ungleich sanftere Seite offenbart Timi auf "Hunderttausend Meilen". Zwar wird in der Hook und den ersten vier Zeilen wieder unkontrolliert an den Reglern gedreht, dennoch schafft es der Rapper, eine nachdenkliche Atmosphäre zu erzeugen. Dem thematisierten Tod einer geliebten Person wird ein würdiger Rahmen verliehen und es gelingt, einen ungewöhnlichen und auch deshalb gelungen Albumabschluss zu bilden.


    Fazit:
    Mit dem ersten Schritt auf Solopfaden gelingt dem Bielefelder zwar weder der große Wurf noch liefert er eine absolute Enttäuschung. Zunächst präsentiert man ein Konzept der Konzeptlosigkeit, was einer Fortführung der Albumpromo entspricht – Timi als unzurechnungsfähiger Junkie. Das wirkt allerdings so wahnsinnig durchkonstruiert und verschleißt sich durch den identischen Aufbau der ersten Anspielstationen derart schnell, dass man sich freut, als einige Feature-Acts auf den Plan treten. Random-Line an Random-Line wird aneinander gereiht, davon mag die ein oder andere ziemlich unterhaltsam sein, doch ohne dasTrailerpark-Kollektiv fehlt irgendwie der Fundament, auf welchem er seinen Humor zelebrieren kann. Ich bemühe noch einen Serienvergleich: Ken Jeong, bekannt als Mr. Chow (Hangover) und Ben Chang (Community) hat jetzt seine erste Serienhauptrolle (Dr. Ken) – das läuft nicht und das liegt nicht daran, dass Ärzteserien voll 00er sind, sondern dass ein so spezieller Charakter nur als Sidekick funktionieren kann. Meine Prognose für das Timi Hendrix Album war da im Vorfeld optimistischer, durch seinen markanten Rapstil und durch die zu Pimpulsiv-Zeiten beobachtbare politische Ebene versprach er ein gewisses Profil. Umso ärgerlicher zu sehen, dass dieses Potenzial bei der monothematischen Beschränkung auf den Drogenkonsum unbeachtet bleibt, vom Sound wird etwa mit Reggae-Elementen durchaus etwas gewagt, obwohl zu bemerken ist, dass besonders die Featuregäste zur Musikalität der Platte beitragen.



    Lennart Gerhardt


    [redbew]1948[/redbew]


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  • Feier das Album richtig hart. Wusste am Anfang nicht ob ich's mir kaufen soll und hab's mir auf Spotify angehört. Jetzt hab ich's mir schon zu oft auf Spotify angehört und der Kauf lohnt sich nicht mehr. Trotzdem richtig geiles Teil!

    Denn ihre Sicht ist zu verdreht, sie haten was sie nicht versteh'n.

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