01. Wie Plot mich schuf
02. Gentlemen's Club
03. Colossus
04. Charlie Chaplin
05. Kraft feat. 3Plusss
06. Tränen schmecken salzig
07. Alkohol auf
08. Diskotieren
09. Auf ein Wort
10. Väter und Oliven
11. Problem
12. Schwanengesang
Ein pinkes Ausrufezeichen, ein schwarzes Fragezeichen, sonst nichts. Ein Interrobang eben. Das wirft zwei Fragen auf, von denen die erste etwa "Bitte, was?", und die zweite etwa "Was bedeutet das genau?" lautet. Auf die erste Frage lässt sich leicht antworten: Ein Interrobang ist ein Satzzeichen, das aus einem mit einem Ausrufezeichen verbundenen Fragezeichen besteht. Es wird in Deutschland nicht verwendet, da man hierzulande stattdessen beide Zeichen hintereinander schreibt. Damit bleibt nur noch die zweite Frage zu klären. Nach eigener Aussage steht der Titel Interrobang für die sowohl musikalische als auch inhaltliche Zerrissenheit. Damit passt sich dieser hervorragend in eine bereits vor merkwürdigen Titeln strotzenden Diskographie, ist er doch Nachfolger solcher Geistesblitze wie "Freunde des schlechten Geschmacks" und "Mit der Concorde über den Atlantik". Unter dem noch recht frischen Eindruck des letzten Albums ist es durchaus berechtigt, große Erwartungen zu hegen, aber eben auch hohe Ansprüche zu haben. Schließlich war "Mit der Concorde über den Atlantik" ein lohnender musikalischer Drahtseilakt zwischen verschiedensten Klangbildern und alles deutet darauf hin, dass sich das nicht geändert hat. Hier die Balance zu halten, wird entscheidend sein.
"Das war bis gerade alles hier/
Warte kurz, ich lauf' zurück, wie kann man so was denn verlier'n?/
Doch du glaubst nicht, dass ich das finde, was du suchst/
Und für ein bisschen Tragikomik fehlt mir wohl der Hut/"
(Conny auf "Charlie Chaplin")
Am besten getroffen wird der Titel in "Charlie Chaplin", einer ruhigen, traurigen Ballade über die Unfähigkeit, die eigenen Gefühle auszudrücken. Die darin verkörperte Tragikomik zieht sich durch das gesamte Werk, weshalb der Track zentral für das Album ist. Oftmals gewinnt der Hörer den Eindruck, dass die Jungs vom Plot sich, ihre Musik und generell einfach alles niemals zu ernst nehmen können, bis ihn wieder eines der gefühlvollen, nachdenklichen Stücke kalt erwischt und ihm verdeutlicht, wie viele Facetten auf einem einzigen Album Platz finden können. Der Geschmack für merkwürdige Themen ist dem Plot auf jeden Fall erhalten geblieben, dreht sich doch "Colossus" um den modernen Transhumanismus, der hier wirklich klug reflektiert und kritisiert wird. Schön ist zum Beispiel die Bridge vor dem Refrain: "Wir sind keine Menschen mehr, wir sind jetzt was anderes/", vorgetragen wie ein Mantra, das man sich selbst dann doch nicht glauben kann. Passend wird das Ganze von einem kratzigen Drumstep-Beat untermalt.
"Mann ich glaub' ich träume, kannst du mich bitte mal zwicken?/
Sag mal spinnst du, Alter? Das hat voll weh getan/"
(Elmäx auf "Tränen schmecken salzig")
Ein repräsentatives Beispiel für einen komischen Song ist "Tränen schmecken salzig", in dem sich Conny und Elmäx über das männliche Bedürfnis zu weinen auslassen. Für beide Varianten des Plot'schen Schaffens lassen sich noch viele weitere schöne Beispiele anführen, und es spricht für die Band, dass es mich wirklich stört, dass ich nicht allen Songs die Aufmerksamkeit schenken kann, die sie verdienen. Das einzige Feature auf dem Album stammt von 3Plusss, der sich, wie auch sonst, auf "Kraft" die Ehre gibt und einen unterstützenden Part abliefert, ohne irgendwem die Show zu stehlen. Ohnehin zählt der Track zu den schwächeren Teilen im Konzept, von denen es natürlich auch einige gibt. Gerade die komisch gemeinten Texte haben eine gewisse Tendenz zur Plumpheit und sind für Hörer, die den speziellen Humor des Duos nicht teilen, unter Umständen nicht nachvollziehbar. Trotzdem schaffen diese Aspekte einen notwendigen Gegenpol zu den vermehrt ernsten Tönen, die, wenn sie Überhand nähmen, die Hörbarkeit einschränken würden. Letztlich war und ist der schräge Witz unersetzlicher Bestandteil dessen, was den Plot als Band ausmacht.
"Und als der Sarg sich endlich schließt/
Will ich nur zu gerne glauben, was der Pfarrer von sich gibt/
Doch ich seh' da kein Licht und niemand kommt mich retten/
Auf dem Weg nach Hause fangt ihr an, mich zu vergessen/"
(Conny auf "Schwanengesang")
Etwas weniger divers als beim letzten Album ist dafür das Soundbild, das hauptsächlich aus elektronischen Sounds besteht, und bei Bedarf um Piano oder Gitarre erweitert wird. Zwar klingen einige der Synthies trashig, was hörbar gewollt ist, aber beeinträchtigen den Genuss nicht negativ. Eher selten hört man noch heraus, dass Der Plot eigentlich eine vier Mann starke Band ist, dafür hört man deutlich, dass die Platte vollständig selbst produziert ist. Text und Beat schmiegen sich auf eine Weise an, die für Rapper, die Beats picken, die große Ausnahme bleibt. Und waren die ersten gesungenen Hooks auf "Mit der Concorde über den Atlantik" noch vereinzelte Höhepunkte, hat sich der Pop dieses Mal endgültig durchgesetzt, wovon das elektro-poppige "Alkohol auf" und das trashige "Diskotieren", über Diskogänger, die anderen lieber ein Ohr abkauen, als zu tanzen, eindrucksvoll zeugen. Aber auch bei den nachdenklichen Songs gibt es wahre Highlights in den Hooks. "Brauchst du ein Problem, weil du nicht glücklich sein kannst ohne?/ " auf ("Problem") ist ein besonders gelungenes Beispiel, das gleichzeitig zeigt, dass auch philosophische beziehungsweise psychologische Gedanken in melodisch ansprechender Form transportiert werden können. Überhaupt wird die Frage zum Stilmittel erhoben, wer sich jedoch Antworten erhofft, wird wohl enttäuscht werden. Der gewisse intellektuelle Anspruch, der sich hier bemerkbar macht, ist ein willkommenes Alleinstellungsmerkmal.
"Du bewegst deine Lippen, doch ich hör' nur David Guetta/
David, David Guetta, David, David Guetta/
Du redest dir nen' Wolf doch ich hab Rotkäppchen im Sektglas/
Freud'scher Versprecher, Mädchen, Mädchen, lass doch lieber diskutieren/"
(Elmäx auf "Diskotieren")
Fazit:
"Interrobang" ist genau die konsequente Fortführung und positive Weiterentwicklung, die man einem jeden Rapper und jeder Band wünschen möchte. Das Produktionsniveau hat einen weiteren Schritt nach vorne gemacht, und der Mixtape-Charme des letzten Albums ist einem gegossen passenden Soundbild gewichen. Textlich weiterhin abwechslungsreich und auf hohem Level gibt es kaum Nennenswertes zu kritisieren. Der noch stärkere Pop-Einschlag wird zwar an einigen Hörern vorbeigehen, doch wer es mag, auch einfach mal einen guten Ohrwurm im Ohr zu haben, dem bietet sich hier eine großartige Fundgrube. Da das Erfolgsrezept für ein optimales Plot-Album gefunden zu sein scheint, darf man nur noch hoffen, dass sich dieses in Zukunft nicht allzu sehr abnutzt. Schlussendlich gibt es zu diesem Album nicht mehr viel anderes zu sagen, als dass es einfach ein schönes Stück Musik ist. Wer daraus einen Makel in Form von fehlenden Ecken und Kanten ableiten will, könnte durchaus berechtigte Kritik üben, allerdings sollte man Musikern hin und wieder auch einfach gönnen, ihren Job gut gemacht zu haben. Schließlich ist das doch genau das, was der Titel verspricht: Ein Irgendwo-dazwischen, ohne das Ganze fest greifen zu können. Und selbst wenn man es nicht greifen kann, dann ist es immerhin ein verdammt schönes Ganzes.
(Rogozhin)
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