Caput – Intensiv – Mit mir oder gegen mich


  • 01. Weil sagen, dass man Gangster ist, nicht Gangster ist
    02. Nur die Zukunft
    03. Was ich sehe
    04. Laber mich nicht voll
    05. 2 Jungs & eine Waffe
    06. In dieser Stadt
    07. Kaputte Sicht
    08. Nur Kriminelle
    09. Wirbel
    10. Der Umzug
    11. Devyl D Skit
    12. Keiner von euch
    13. Ich hab noch was vor
    feat. Classic & Faissoh
    14. Ende der Illusion
    15. Keine Freiheit ohne Risiko
    feat. MoTrip
    16. Meine erste Schlägerei
    17. Der Allerbeste
    feat. Ado Kojo
    18. Spielsüchtig
    19. Kleine Predigt
    20. Wand
    21. Dieser Tag
    22. Mach laut
    feat. Eko Fresh
    23. Hier gehörst du hin
    24. Intensiv
    25. Zeitkapsel


    Wir schreiben das Jahr 2015, Rap in Deutschland und in Übersee floriert, geht ständig neue Wege, und ist fester Bestandteil der Mainstreamkultur. Lange vergangen sind die goldenen Neunziger Jahre, die Zeit also, in der die Legenden des HipHop das harte Leben der Straße wahrheitsgemäß schilderten, über Polizeigewalt fluchten, und schließlich ihren neuen Lifestyle als Rapstar glorifizierten. Deren Namen sind zwar immer noch präsent, doch im Hier und Jetzt ist der Straßenrap allzu häufig eine krude Spielart des hierzulande übermäßig gepflegten Imageraps, der mitunter so grotesk und überspitzt ist, dass man einen Straßenrapper problemlos mit der Karikatur eines solchen verwechseln kann, wenn man nicht aufpasst. Nun wagt sich mit Caput ein fast schon in Vergessenheit geratener Veteran des deutschsprachigen HipHop daran, mit seinem vierten Soloalbum die Realness zurückzubringen. Der Künstlername selbst ist ein Ananym, also eine Namensumkehrung von Tupac, der nicht nur eine uns allen bekannte Legende, sondern auch großes Idol von Caput ist. Falls er sich auch musikalisch ein Vorbild nehmen möchte, hat er seine eigene Messlatte nicht zu tief angesetzt. Kann er seine hohen Ansprüche erfüllen?


    "Was auch kommt, irgendwie geht es immer weiter/
    Ich denk an dich, doch spreche nicht/
    Weil sagen, dass man Gangster ist, nicht Gangster ist/
    "
    (Caput auf "Weil sagen, dass man Gangster ist, nicht Gangster ist")


    Die ersten Minuten des Hördurchgangs verbringt der Hörer damit, sich an Caputs eigensinnigen Rapstil zu gewöhnen, an seine Eigenart, unvermittelt einige Silben langzuziehen oder plötzliche Pausen im Flow einzulegen. Auch inhaltlich muss man sich erst einmal zurechtfinden, denn viele Tracks sind anscheinend ein Sammelsurium an Weisheiten, die unser Protagonist immer schon einmal los werden wollte. Hier hat man noch das mittlerweile seltene Gefühl, dass der Rapper seinem Hörer etwas mitteilen will, das ihm wirklich am Herzen liegt, und Caput platzt geradezu vor mehr oder weniger wichtigen Aussagen, die er seiner Hörerschaft mitgeben möchte. In der Ausführung ist das zwar mehr als einmal hölzern, unüberlegt und durch grauenhafte Zweckreime erkauft, doch diese Schwäche ist gleichzeitig auch eine große Chance: Die unbeholfene Ehrlichkeit gibt Caputs Stil einen außergewöhnlichen Charme, und man kann sich oftmals nicht anders helfen, als den Iserlohner einfach als schrecklich sympathisch zu empfinden. Dies gilt jedoch nur so lange, bis die Texte keinem lyrischen Standard mehr genügen können.


    "Wer soll die Schäden beheben, etwa Ärzte mit Prothesen/
    Seit wann sind Schmerzen Trophäen, sie machen träge und lähmen dich/
    Treten und zähmen dich, tun weh wie Machetenstich/
    Du bewegst dich nicht, bleibst stehen wie 'n Tresentisch/
    Lediglich das Überleben ist wesentlich/
    Doch gelegentlich verstehe ich's nicht wie Chinesischschrift/
    "
    (Caput auf "Was ich sehe")


    Das gesamte Album ist untermalt von einer seltsam vertrauten Instrumentierung, die nach einer ungewöhnlichen Mischung aus Beats, die durchaus auf einem 2Pac-Album Platz gefunden hätten, und solchen, die den ersten Fruity-Loops-Gehversuchen meines Bruders verblüffend ähnlich scheinen, klingt. Das bedeutet: lasche Drums, kurze Loops, und dazu das gesamte Arsenal an Klavieren, Streichern, Glocken und Gitarren. Auch die heutzutage eigentlich aus guten Gründen für überkommen gehaltenen, auf Nightcore-Tonlage gepitchten, Vocalsamples fehlen nicht. Musikalisch ginge da deutlich mehr, doch zur passenden Untermalung reicht es meistens. Bei einem so ausgedehnten Werk kann leider nicht auf alle Facetten eines Albums eingegangen werden, doch einige besondere Aspekte sollen hier noch einmal detaillierter vorgestellt werden. Interessant sind zum Beispiel Ideen wie das Recyclen eines uralten eigenen Tracks, wie geschehen mit "Keiner von euch", mit einer über zehn Jahre alten Hook. Die meisten Hooks des Albums sind sonst allerdings nicht weiter erwähnenswert, wenn man von ihrer Eigenschaft absieht, sich nur unmerklich von den Parts abzuheben und kein einziges Mal Ohrwurmpotenzial zu zeigen. Dafür hat Caput, ähnlich seinem großen Vorbild, einen Hang zum Storytelling, wobei er erfrischend unverblümt, aber dennoch leicht aufgesetzt und gegen Vorlagen wie "Brenda's got a baby" nicht konkurrenzfähig, offensichtlich fiktive Geschichten vorträgt. In diese Kategorie fallen das keiner tiefergehenden Erklärung bedürftigen "Spielsüchtig", ebenso wie "Der Umzug", in dem Caput seinem 18-jährigen Ich per Videokassette Ratschläge aus der Zukunft erteilt und "2 Jungs & eine Waffe", aus dem das zeitlose Zitat "Ich kann's nicht glauben krass, das ist kein Traubensaft/" entnommen ist. Auch das Sozialpolitische hat es ihm angetan, weshalb sich gut eine Handvoll Tracks zu diesem Thema auf dem Album befindet, auf denen er meistens in vagen Phrasen verloren zwischen ernüchterter Resignation auf "In dieser Stadt" und ungebrochenem Kampfgeist auf "Keine Freiheit ohne Risiko" mit MoTrip, der ihn beiläufig lyrisch vollkommen in den Schatten stellt, schwankt. Generell geben und nehmen sich das Gros der anderen Gastbeiträge dem Gesamteindruck nicht viel.


    "Aber ey nicht alles ist kaputt 'ne/
    Es brauch nur ein bisschen Pulver, und Wasser wird zu Suppe/
    Aus Raupe wird Schmetterling/
    Und endlich wird aus Mucke Geld, weil ich ein unglaublicher Rapper bin/
    "
    (Caput auf "Wand")


    Fazit:
    Caput ist kein deutscher 2Pac und auch Statements wie "denn so hat es davor keiner gemacht/" ("Mach laut") zeugen eher von einer gesunden Selbstüberschätzung, als von einer realistischen Einschätzung der eigenen musikalischen Fertigkeiten. Intensiv verdient sich seinen Namen vor allem, weil der Hörer ganze 77 Minuten lang einen tiefen Einblick in Caputs Gedankenwelt bekommt. Die im Titel Mit mir oder gegen mich geforderte binäre Welteinschätzung lässt sich auf dieses Album selbst nicht ohne weiteres anwenden. Es ist absolut solide und zweifelsfrei kein schlechtes Gesamtprodukt, nur kann es sich gegen eine Konkurrenz deutlich besser durchdachter und produzierter Platten nicht wirklich durchsetzen. Vielleicht wäre es für Caput Zeit, in der Gegenwart anzukommen, wo 2Pac leider seit fast zwanzig Jahren tot ist, und sich HipHop bereits mehrere Male neu erfunden hat. Ich bin zuversichtlich, dass er dann aus den Vollen seiner Möglichkeiten schöpfen kann und mehr als ein mittelmäßiges, deutlich zu langes Album zustande bringen wird.



    (Rogozhin)


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