Instrumental Audition #1

  • Deutschrap 2015: HipHop im Radio ist mittlerweile keine Besonderheit mehr und kaum vergeht eine Woche ohne einem Rapper in den TopTen der Albumcharts. Doch bei all den Lorbeeren, die Deutschlands Rapper momentan ernten, wird häufig jene Person vergessen, die einen großen Anteil am Erfolg eines Tracks hat: Der Produzent. Diese Männer und Frauen, die sonst nur im Hintergrund agieren, verdienen eindeutig mehr Aufmerksamkeit und diese möchten wir ihnen hiermit geben. Unser neues Format Instrumental Audition soll den Produzenten eine Plattform bieten und auf einige sehr gute Künstler sowie Instrumentalalben der letzten Jahre zurückblicken.




    Betty Ford Boys – Retox (2014)


    Versucht man, die Musik der Betty Ford Boys zu beschreiben, so gelingt dies wohl am besten mit den Worten: Deutscher Westcoast HipHop. Auf einer Party mit viel Bier und chemischen Drogen würde vermutlich keiner auf die Idee kommen, "Retox" aufzulegen, dafür könnte das neueste Werk von Suff Daddy, Brenk Sinatra und Dexter sowohl in einem nach Joints riechenden Jugendzimmer als auch in der noblen Villa eines neureichen Whiskeytrinkers laufen. "Retox" glänzt durch melodische Leichtigkeit, ohne dabei zu ruhig zu werden. Tiefe und dominante Bässe ziehen sich durch das komplette Album, aber trotzdem bleibt die Stimmung entspannt und auch bei den Instrumenten kommt keine Langeweile auf: Von Jazztrompetensamples über Synthybretter bis hin zum klassischen Piano ist alles dabei und genau diese Aspekte lassen "Retox" gerne mal etwas lauter und verrückt, jedoch nie überdreht wirken. Die im zusammenhang mit den Betty Ford Boys regelmäßig erwähnten Gangster-Flöten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, ziehen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Release und tauchen immer dort auf, wo noch ein bisschen Platz frei gewesen wäre. Ein Rapper fehlt auf dem Album nicht, ganz im Gegenteil; die vielen Cuts in den einzelnen Tracks, die übrigens selten über die Spielzeit von zwei Minuten hinausgehen, lassen gar keinen Raum dafür. "Retox" ist Musik für verrauchte oder versoffene Abende und funktioniert sowohl als Gesamtwerk wie auch Track für Track einzeln, aber eins sollte man als Hörer schon mitbringen: Eine Gewisse Vorliebe für den G-Funk der 90er Jahre.





    Dexter – The Trip
    (2013)


    Dexter kann es aber auch alleine. Der Gold- und Platinproduzent liefert nicht nur als Mitglied der zuvor erwähnten Betty Ford Boys gute Leistungen ab und Produziert Hits für Cro und Casper, auch auf seinem zweiten Soloalbum "The Trip" weiß er zu gefallen. "Have you ever wondered, what it's like to take an LSD trip on a sugar cube?" Diese Frage stellt uns Dexter mit Hilfe eines kurzen Einspielers auf dem Track "walk with us" und kaum ein Satz könnte wohl besser beschreiben, wie "The Trip" klingt. Hier schraubt Dexter aus genrespezifischen Samples von bekannten wie auch unbekannten Psychedelic Rockbands der 60er Jahre großartig entspannte Beats und interpretiert die originalen Werke mit eingängigem Rhythmus, klassischen HipHop Drums und Scratches komplett neu, ohne jedoch den Grundcharakter der ursprünglichen Lieder zu verfälschen. Die betont abgehackten Samples bilden, aufgrund der Ähnlichkeit zueinander, ein sehr einheitliches Gesamtbild und oft ist nicht klar, wo ein Track aufhört und der andere beginnt. Permanentes Plattenknistern und Filmsounds aus eben dieser Zeit machen das Retrofeeling dieser generell sehr geräuschigen und vollen Platte komplett. Nicht jeder vermag es, die Klangästhetik der späten 60er Jahre in ein BoomBap Gewand zu hüllen. Dexter hat es jedoch geschafft und liefert ein Konzeptalbum, welches auf seinem Gebiet wirklich einzigartig ist und garantiert jedem Samplenerd viel Freude bereiten kann. "Come along with Dexter and get the feel of a psychedelic wonderland."




    Morlockko Plus – The Instrumentals (2011)


    Morlockk Dilemma ist nicht nur ein ziemlich guter, wenn auch gewöhnungsbedürftiger Rapper, sondern auch ein ebenso guter, wenn auch gewöhnungsbedürftiger Produzent. Letzteres passiert unter dem Pseudonym Morlockko Plus. "The Instrumentals" ist eine Sammlung von samplelastigen, eher langsamen Beats, die alle eine gewisse, Morlockko Plus-typische, Dramatik ausstrahlen. Die Samples stammen großteils aus Filmsoundtracks der 70er und 80er Jahre, was durch die regelmäßig auftretenden Filmschnipsel noch verdeutlicht wird und es lässt sich nicht verleugnen, dass hier jemand von den Produzenten des Wu-Tang-Clans inspiriert wurde, aber trotzdem weisen die Beats einen eigenen düsteren und leicht metallischen Klang vor. Auf dem Release finden sich Beats, die durch den Mut des Produzenten zu gewissen Samples verstören, andere, die trotz der dunklen Atmosphäre einen entspannten Charakter mit sich bringen und auch ganz klassische Kopfnickerinstrumentals. Morlockko Plus hält perfekt die Balance zwischen diesen drei Punkten und kreiert mit "The Instrumentals" sein ganz eigenes Soundbild: Wenn dreckige Drums und fast schon reizüberflutend krachende Samples plötzlich von engelsgleichen Gesangssamples unterbrochen werden, weiß man, dass es nur ein Album von Morlockko Plus sein kann. Diese Einzigartigkeit und der extrem rohe, dunkle und fast schon kalte Charakter der Instrumentals sind die Punkte, die Morlockko Plus von vielen anderen Oldschoolproduzenten unterscheiden und das Album zu einem akustischen Erlebnis machen. Jeder einzelne der Beats kann für sich selbst stehen, fügt sich aber auch gut ins Gesamtbild ein und gibt somit ein sehr gelungenes Werk ab, welches zum Mitnicken einlädt, aber auch gleichermaßen verstört. "The Instrumentals" ist mit Sicherheit nichts zum Nebenbeihören und man muss sich schon auf das Werk einlassen, um es voll genießen zu können, aber mit den Raps von Morlockk Dilemma ist es ja auch nicht anders.



    El-Patroni (David)

  • Super Rubrik!


    Eine der großartigsten Instumental-Releases für mich ist immernoch "Kaseta" von Hulk Hodn & Hubert Daviz. Unendlich loopbare Dopeness...

  • Super!
    Freut mich richtig das sich nun auch mehr auf Instrumentals bezogen wird und ebenso bin ich schonma gespannt was im 2. Teil kommt.

    Leute sagen ich bin eingebildet, doch mich gibts wirklich ich bin aus keinem deiner Hightech-Filme!
    - Dokta Jotta

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!