01. Ghetto Aristoteles
02. Alles & Nichts
03. Kanax in Tokyo feat. Farid Bang
04. Money
05. Fata Morgana feat. Xavier Naidoo
06. Bist du real feat. Moe
07. Freestyle Skit 3
08. Porzellan feat. Maxim
09. Casablance
10. Nicht mehr normal
11. Hennessy
12. Wieder an deiner Tür
13. Hasso
14. Augenblick feat. Summer Cem
15. Mein eigenes Ding
16. Auf dem Weg
17. Haute Couture feat. Kurdo & PA Sports (Bonus)
18. 1 feat. Banger Musik (Bonus)
10 Millionen Klicks, ermüdend vorhersehbare Diskussionen und die Pole Position der Charts dürfen nun also einmal mehr für die Beweisführung herhalten, dass Banger Musik auch bei sehr tiefen Griffen in die Promo-Trickkiste einen guten Riecher bewahren. Hätte man mir nämlich im Voraus prophezeit, dass mit KC Rebell ein Gangsta-Rapper der weniger diplomatischen Sorte die Leinwand auf dem Kanal von YouTube-Schmutz Dagi Bee betritt, um mit einem schmalztriefenden Schmachtfetzen die Herzen und Geldbeutel 13-Jähriger Mädchen zu mobilisieren und parallel dazu noch Xavier Naidoo als Gastbeitrag auf die Platte gecastet wird, hätte ich mir am Kopf gekratzt und mit den Schultern gezuckt, denn: So wirklich interessiert hätte mich das nicht. Als es dann dennoch wie beschrieben eintrat, man irgendwann um die Medienpräsenz kaum noch herumkam und dann noch die CD mit dem Kommentar "Review das mal" bei mir einflatterte, gab es wohl keinen Ausweg mehr, als mich tatsächlich mit "Fata Morgana" zu befassen. Zugegeben, so richtig begeistert bin ich vom Gedanken noch nicht. Aber: Wo niedrige Erwartungen hausieren gehen, könnten ja durchaus positive Überraschungen eintreten, oder? Hoffen wir mal das beste.
"Meine Seele ist ein Stein/
Mit jedem Lächeln im Gesicht fress' ich Tränen in mich rein/
Ich bin müde, mir fehlt die Kraft, ich bin schlapp/
Und der fünf Sterne Kaviar macht mich nicht satt/"
(KC Rebell auf "Alles und Nichts")
Nachdem man nun nach meiner Einleitung vermutlich einen komplett einseitigen Verriss erwartet haben dürfte, bedenke man auch die allgemeine Anitpathie in der Szene gegenüber dem Künstler, dürften die folgenden Aussagen wohl eine Überraschung darstellen. "Fata Morgana" ist klanglich gar kein schlechtes – nein, sogar ein verdammt gelungenes Album. Betrachtet man die Titel nämlich einzeln, muss man durchaus anerkennen, dass es sich da um sehr hochwertige und wohlklingende Produktionen handelt, die rein von der musikalischen Ausarbeitung auf einem hohen Niveau spielen. Während an der einen Stelle traplastige Instrumentals mit krachenden Drums und bebenden Synths ein wunderbar aggressives Klangbild erzeugen, funktionieren auch die deeperen, etwas schnulzigen Beats mit erstaunlich geschmackvollen Samples und teils sehr eingängigen Hooks für sich betrachtet absolut. Dazu kommt dann noch die charakteristische, tiefe und raue Stimme über weite Teile der Platte wunderbar zur Geltung, sodass man soundtechnisch absolut nichts zu bemängeln haben dürfte. Die Beats sitzen, die Flows passen und die Stimme ist eigentlich sehr cool. Wo liegen also die Fehler?
Das Hauptproblem ist an einer ganz anderen Stelle anzusiedeln. Denn wo musikalisch gut abgeliefert wird, findet textlich ein Trauerspiel sondergleichen statt. Es wären ja für sich einzeln betrachtet nicht einmal die schlechten Battle- und Representer-Texte, die mit inflationärer Phrasendrescherei und mit Wie-Vergleichen, die um 2000 herum schon scheiße gewesen wären, nicht zu überzeugen wissen, noch die etwas schlimmeren deepen Liebesschnulzen, auf denen KC komplett hilflos mit den Armen rudernd in einem See aus peinlich hölzernen Formulierungen, Metaphern von der Resterampe, Kitsch, Klischees und Pathos ertrinkt. Nein, das wirklich Schlimme ist die wirre und komplett wahllos scheinende Reihenfolge dieser beiden Pole. So wird auf dem ersten Titel noch gejammert, wie hart denn das Leben sei ("Anstatt Schmetterlinge hab ich Steine in mei'm Bauch,/ 1000 Bitches aber keine echte Frau/ Ich hasse mein Schicksal!" auf "Alles und Nichts"), woraufhin dann 180 Sekunden später wieder seiner unfassbaren Härte und seinem exorbitanten materiellen Wohl gepriesen wird ("Money, Money, Money (Bedeutungsschwangere Pause), ich mache Money" auf „Money“). Gefühlt kaum zwei Minuten später schluchzt der Rebell mir dann wieder etwas davon vor, das eine ganz besonders gemeine Vertreterin der weiblichen Gattung ihn tief verletzt haben muss ("Ich war einmal verliebt/ war seitdem kein mal verliebt/" auf "Porzellan"), bis erneut kaum ein paar Takte später wieder das Keinproblemhaben mit der Missachtung weiblicher Gefühle für einen schnellen Fick angepriesen wird ("Ich bin scheiße zu Frauen, und sie lieben es/ Mein Ego ist das Einzige, das größer als mein Schniedel ist/" auf "Hasso"). Dieses Faktum – mal nebenbei – ist tatsächlich mit das Abstoßendste an der Platte: Denn wo anderorts Sexismus schon in überspitzter Form kritisiert wird, liegt dem Rapper hier anscheinend eine tief verwurzelte sexistische Weltansicht der Dinge zu Grunde, die mehrmals für selbstverständlich erklärt und glorifiziert wird. Selbst von diesem Spaßbremsenargument mal abgesehen; hätte ich einem MC, der Videos über einem Beauty-YouTube-Kanal für kleine Mädchen hochlädt, jegliche Kredibilität zugetraut, hätte er sie in diesem Wechselspiel aus Not und Elend sowieso komplett verloren. KC verfügt nicht nur über die Eloquenz eines Gilette Abdis, sondern anscheinend auch über die Stimmungsschwankungen einer schwangeren Teenagerin, so dass die Texte auf dem komplett fadenlosen und willkürlich zusammengschusterten Album derartig beschissen ausfallen, dass sie sich nicht einmal ausblenden lassen, wenn man das Album mit dem besten Willen nur auf die Musik fokussiert nebenbei hören will.
"Ich bin rich as fuck und treffe Bitches nackt/
Weil Frauen auf Proleten stehen, die Moneten zählen/
Money, Money, Money! Ich mach' Money wie dieser Buggs Bunny/
Hola! Capatcho, mach' hier nicht auf Macho/
Sonst dippe ich kurz in die Sauce hinein, als wäre ich ein Nacho/"
(KC Rebell auf "Money")
Fazit:
Ich glaube, würde das Album auf Englisch veröffentlicht werden, oder besser noch in einer gänzlich anderen Sprache, so dass ich unbewusst nichts mehr von den Texten mitbekommen müsste, könnte ich durchaus Spaß daran haben. Denn: Gerappt wird absolut solide, die Stimme von KC Rebell ist echt cool und die Beats machen durchweg Spaß. Wären da eben nicht die Texte. An der Stelle spare ich mir auch die etwas konstruktiveren Ansätze zu diesem Thema, die ich sonst wennmöglich immer einbringen will. Denn ich glaube kaum, dass Banger Musik in ihrem Verkaufsmodell KC Rebell wirklich großen Verbesserungsbedarf sehen. Wenn man die Käuferschaft da erntet, wo die Ansprüche ganz unten sind, reicht es eben auch so. Dann muss man sich eben für das nächste Projekt noch ausgefallenere Promotaktiken zurechtlegen, aber ich habe eigentlich gar keine Angst, dass den Leuten da nichts Neues einfällt. Ich verbleibe indes mit einem etwas wehmütigen Gefühl in der Magengegend, während ich "Fata Morgana" von meinem Rechner lösche. Eigentlich könnte das Ganze ja auch im Gesamtprodukt echt gute Musik sein, aber ich bezweifle da irgendwelche Ambitionen in diese Richtung. Denn: "Ich geh auf eins in drei Ländern, alter – Wen interessierts?" (KC Rebell auf "Ghetto Aristoteles")
(Yannik "Cuttack" Gölz)
[redbew]1897[/redbew]
Bewerte diese CD:
[reframe]reviewthread.php?reviewid=1897[/reframe]