01. Insubordination
02. Glück Auf
03. Snagatron Prelude
04. Snagatron
05. K.O.K
06. Hyäne
07. Eisbär
08. Eine Kugel eine Träne
09. Snaga Situation 8
10. Summa cum Laude feat. Fard
11. VHS
12. Vuoto
13. 2013
14. Für immer feat. Fard
15. Zombie
16. Jetzt alles anders
Vor langer Zeit, als ich vor circa zwölf Jahren ein totaler "Rec.On"-Fanboy war, gab es eines Tages das Signing einer Gladbecker Crew, die mir bis dato noch nichts sagte: Knappschaft. Über Features mit vorhandenen Signings taten sich infolgedessen ganz besonders die Zusammenarbeiten eines gewissen KNA-Rappers namens Snaga mit einem Künstler der damaligen Crew "Nordkurve" hervor, bei dem es sich um keinen geringeren als Pillath handelte. Mit der Zeit geschah vieles: Künstler kamen dazu, Künstler gingen und irgendwann gab es "Rec.On" nicht mehr. Während für mich die Fanboywelt zerbrach, taten sich für die ehemaligen "Rec.On"-Rapper Snaga und Pillath neue Welten auf: Deutschraplegende Moses Pelham signte das Duo bei "3P" und wechselten einige Releases später zum Hamburger Label "Deluxe Records". Nun sind einige Jahre ins Land gezogen und während bei Pillath mittlerweile das Mikrophon am Nagel hängt, releast Snaga über sein nun viertes Label, "Ruhrpott ELITE", ein neues Soloalbum. Nachdem sein erstes Release 2004 über "Rec.On" noch das "Snaga fickt Deutschland"-Mixtape war, schließt sich nun der Kreis, indem der neue Tonträger "Snaga fickt Deutschland 2" heißt.
"Ein Panzer rollt am besten allein" heißt es in der Amazon-Produktbeschreibung und soll wohl bedeuten, dass der Gladbecker auf niemanden angewiesen ist. Vielleicht gerade deshalb hat er das komplette Album selbst produziert und sich nur von Labelkollege Fard lediglich einen Featurepart und eine Hook für die insgesamt 15 Songs + Prelude dazugeholt. Der erste Track des Albums "Insubordination" beginnt nach einem Vocalsample direkt mit einem treibenden, martialischen Beat, über den gewohnt souverän und abwechslungsreich representet wird und vereinzelt Punchlines eingestreut werden, ehe der Song Acapella endet und klar wird: Snaga ist zurück. Weiter geht es mit "Glück auf", der mir direkt ein kleines bisschen Heimweh vermittelt. Das Konzept mag zwar alles andere als neu sein, aber wie hier in Kooperation mit dem alten Kumpelgruß ("Glück auf") die verschiedensten Ortschaften und Städte des Potts eingearbeitet wurden, lässt mich immer wieder an den Alltag meiner Zeit in Dortmund zurückdenken. Die Delivery des gesamten Tracks bringt authentisch die besondere Mentalität der Malocher und des Zusammenhalts, die es so nur im Pott zu geben scheint, gekonnt wieder.
"Bring besser Verstärkung mit, denn wir besiegen alle/
Kriegen alle/ Generation Turbinenhalle/
Glück auf an alle Ultras, Hooligans und Pesevenks/
Deutscher Rap klärt Stress/ wie'n Schwuli per SMS/"
(Snaga auf "Glück auf")
Während sich früher unter anderem Producer wie Necrow für die Produktionen der Snaga (& Pillath)-Tracks verantwortlich zeigten, hat der Gladbecker nun selber die Hände an Maus, Tasta- und Klaviatur gelegt und überrascht mich durchaus positiv. Während die alte Loop + Drums-Methode hier wohl durchaus auch funktioniert hätte, klingen alle Beats selbst komponiert. Klassische Samples treffen teils auf Synthies, klingen dabei aber nie plastisch oder unharmonisch. Charakteristisch wandeln die Beats zwischen Mystik (Eine Kugel Eine Träne), Manie (Vuoto), chillig (VHS) bis hin zu überwiegend martialischen Klängen – einzig die Snares wirken teilweise etwas zu dünn.
"Hochblasen wie ein Zeppelin/ und Tablettenziehen/
Stell mir jeden Rapper deiner Wahl hin und ich plätte ihn/
Pudel pissen, wenn ein Bulldog knurrt/
Ein Mann gibt Befehle, eine Schwuchtel spurrt/"
(Snaga auf "Jetzt alles anders")
Thematisch überrascht mich Snaga, indem er unter anderem auch sozialkritische Töne anschlägt: Auf "Eine Kugel eine Träne" wirken Zeilen wie "(...) längst begraben ist/ Unter Tonnen von Lügen und Propaganda/ Ihr verdient an den Kriegen, sterben tut ein anderer/" auf den einen oder anderen vielleicht zunächst etwas flach und populistisch, aber können dennoch deutlich zum Nachdenken anregen und sind zudem nicht einfach aus der Luft gegriffen um den Inhalt bewegender oder besorgniserregender zu gestalten, sondern fundieren immer zumindest auf Theorien einiger Regierungskritiker.
Auf "2013" gewährt Snaga dem Hörer dann einen tiefen Einblick in die schwere Zeit, in der er sehr schwer erkrankt (oder verletzt) war und vorübergehend anscheinend nur mit Maschinen am Leben erhalten werden konnte und hat damit – ob gewollt oder nicht – einen tiefgehenden Mutmachsong geschaffen, der spätestens bei Aussagen über die anschließende Reha mit Zeilen wie "Was zehn Minuten Fahrrad? Los gebt mir eine Stunde!/ Ich bin hungrig, ich will leben!/" eine Gänsehaut beschert. Schade, aber auch verständlich, ist allerdings, dass die genaue Ursache für den Überlebenskampf nicht genannt oder zumindest klar genug angedeutet wird.
Neben den tiefgehenden Themen findet man vereinzelt immer wieder Hinweise auf eine gewisse Beziehung zum Cannabiskonsum des Gladbeckers. Normale Sache im Pott. Normal, sind dort aber auch Heimatsongs. Mit "Für immer" feat. Fard wird ein eben solcher Heimatsong abgeliefert, der allerdings eine Symbiose mit Representing und erwähntem Drogenkonsum durchmacht. Ansatzweise wird der Track sogar noch zur Labelhymne, wenn in der Hook "Talion, Talion", "Wir gegen den Rest" oder "Stolz und Loyal" skandiert wird. Featuregast Fard rundet den Track in seinem Part dann mit Lines á la "Denn trotz Abitur und Diplom seid ihr nutzlose Fotzen/ Kaschieren unsere Herkunft durch Luxuskarossen/" ab, in dem er auf die hohe Immigrantenquote des Potts hinweist. Normal? Ja, sofern man den Songnamen so interpretiert was die beiden Künstler eben "Für immer" miteinander vereinen wird. Selbst mit banaleren Themen weiß der Ruhrpottrapper auf "Snaga fickt Deutschland 2" zu überzeugen: Auf "VHS" haut er einen chronologisch einwandfreien sowie witzigen Thementrack über einen durchschnittlichen Nachmittag aus seiner (vermutlichen) Jugendzeit heraus, der einige lustige Pointen in Petto hat. Den Großteil des Albums macht allerdings das aus, was damals schon als Duo mit Pillath zu großer Beliebtheit führte: Battlen und Representen. Während manche Battlerapper sich bewusst auf einen Punchlinestyle beschränken, balanciert Snaga hier gekonnt zwischen roher Aggressivität, Metaphorik und Wortwitz in seinen Zeilen. Was auf einige hier inkonstant wirken könnte, spiegelt für mich eher Abwechslung und Unberechenbarkeit wider und erhöht für mich den Hörgenuss deutlich im Vergleich zu heutigen Battlerappern, die oftmals eine Punchline oder einen Witz über mehrere Zeilen strecken, aber damit die Vorhersehbarkeit der Pointe eklatant steigern.
"Mein Leben ist kein Film, sondern ein Filmriss/
Interessiert dich nicht, wenn du auf Pillen bist/
Es wird erst gefährlich, wenn's hier zu still ist/
Im Ruhrpotter Dschungel ist 45 die Wildnis/"
(Snaga auf "Snaga Situation 8")
Fazit:
Nachdem ich Snaga bis dato als reinen Battle- und Represent-Rapper kannte, muss ich nun zugeben, dass ich sehr positiv überrascht bin. Die selbstproduzierten Beats wissen alle zu überzeugen und haben zumeist eine treibende Gangart und werden mit Flows bestückt, die einerseits gewohnt gut und souverän sind, aber dennoch eine Weiterentwicklung zu Bekanntem darstellen. Ebenfalls der zweimalige Featuregast Fard weiß hier mit einer Hook und einem Part zu überzeugen, auch wenn er nicht ganz an Snagz' Klasse herankommt.
Um eine alte "Rec.On"-Kollaboration mit einzubringen: "Warn deine Mannschaft". Snaga ist zurück. Während ich den Gladbecker nach den "Rec.On"- bis zu den "Deluxe Records"-Zeiten nie mehr so richtig auf dem Schirm hatte und eher als Sidekick Pillaths wahrnahm, hat er sich merkbar weiterentwickelt und mit "Snaga fickt Deutschland 2" ein Album geschaffen, welches auf längere Zeit in meiner Playlist bleiben wird und trotz zeitgemäßer Skills, dennoch auch ein Stück weit Nostalgie für mich parat hält: Rap wie ich ihn kennen und lieben gelernt hatte.
Cr0c
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