Fabian Römer – Kalenderblätter


  • 01. Nachtluft
    02. Blauwalherz
    03. Zimmer ohne Zeit
    04. Dreh den Nebel um
    05. Nur für uns
    06. Übersommern
    07. Kalenderblätter
    feat. MoTrip
    08. Kein Mensch mehr
    09. Dominoleben
    10. Stille
    11. Nach dir (Anna)
    12. Das Beste kommt noch


    Erwachsen werden ist im Rap ein schwieriges Thema. Mit der Aussage, dass der Künstler nun musikalischer geworden sei und nicht mehr "lediglich" Rap mache, verbinden viele Fans der alten Stunde oftmals das Abdriften in die Belanglosigkeit, Mainstreamanbiederungen und den Verlust des eigenen Hungers. Eine gewisse Skepsis machte sich demnach in mir breit, als das ehemalige Rapwunderkind F.R. ankündigte, von nun an unter seinem bürgerlichen Namen Fabian Römer Musik zu machen und nicht einfach "nur" ein Rapalbum. Während der gesamten Promophase wurde ein Akzent auf die neu erlangte Reife in Sachen Songwriting gelegt, in mir stieg die Angst vor einem zu großen Einfluss des ehemaligen WG-Mitbewohners Tim Bendzko in der vierjährigen Releasepause seit "Ganz normaler Wahnsinn". Dennoch wurde vorab ebenfalls eine gewisse Spannung vermittelt, das Gefühl, dass hier ein Künstler gänzlich vor einem Neustart steht, vor einer musikalischen Selbstfindung und Etablierung als "ernstzunehmender" Musiker. Die Frage ist deshalb schlicht: Glückt dieser Versuch oder solltet ihr anstatt Fabian Römers "Kalenderblätter" lieber einen mit niedlichen Katzenbabys kaufen? Auf der Suche nach einer Antwort lasse ich mich also vom Protagonisten durch das Jahr führen.


    "Immer wenn sie klar ist, und keine Wolken da sind/
    Haben Sterne freien Blick auf die Straßen/
    Und sehen streunende Katzen, tanzende Träume/
    Blutende Nasen, lilablaue Farben/
    "
    (Fabian Römer auf "Nachtluft")


    Der Opener hinterlässt mich dahingehend etwas ratlos. Ein klimperndes Piano geht in verträumte Akkorde über, als Fabian Römer singsangartig das Wort ergreift. Die Instrumentierung steigert sich dabei stetig und entlädt sich in einem pompösen Refrain, was durchaus positiv zu überraschen weiß. Der Vortrag ist dabei zwar in jedem Moment kontrolliert, technisch hochwertig und wie vom Künstler gewohnt extrem variabel, aber der Wiederhörwert bleibt trotz dessen gering. Was mich des Weiteren skeptisch stimmt, ist die lyrische Leistung, denn mehr als ein paar hohle Phrasen und Tagebuchpoesie, wie es 2015 schon von zu vielen praktiziert wurde, ist da leider nicht zu holen. Das Kalenderblatt für den Januar ist also schön dekoriert, aber am Ende des Tages steht doch nur der selbe alte Spruch darauf. Egal, abreißen, nächster Monat. Der Februar: "Blauwalherz" vergeht mit seinen sphärischen Klängen weitestgehend unspektakulär, der Jahresanfang fällt also alles andere als packend aus. Wie so oft lockern die ersten Sonnenstrahlen im März ("Zimmer ohne Zeit") endlich die Stimmung auf und das schnöde Herz erwacht allmählich aus dem Winterschlaf. Das Instrumental baut sich langsam mit sanftem Piano und seichten Drums auf, steigert sich dann in eine scheppernde Snare und elektronische Klänge. Fabian Römer macht auf diesem Titel einfach das, was er am besten kann – er resümiert mit viel Variation in Stimme und Vortrag auf einem technisch hohen Niveau seinen doch eher ungewöhnlichen Musikerwerdegang, der bereits in außergewöhnlich frühen Jugendjahren begann. Durch die stetige Steigerung im Beat und den fesselnden Vortrag fühlt man sich das erste Mal wirklich in seine Welt hineingezogen. Da kann man dem folgenden "Dreh den Nebel um" auch verzeihen, dass es gerade mit der Gitarrenspur in seinen Anfangstakten und auch lyrisch ("Dreh den Nebel um, dann steht da das Leben") doch etwas zu arg nach dem Kollegen aus dem Hinterland klingt.


    "Fünf Jungs auf dem Fahrrad/
    Mit einem Mädchen hinten drauf/
    Der Himmel läuft rot an/
    Denn so ein Klischee ist ihm peinlich/
    "
    (Fabian Römer auf "Nur für uns")


    Warum nicht gleich so, Jahr? Endlich wird es warm, endlich ist der bedrückende Winter vorbei, der Sommer kann kommen: War bisher doch maßgeblich die Produktion und weniger die Lyrik überzeugend, löst Fabian Römer auf "Nur für uns" endlich die Handbremse und zeigt, was er dahingehend kann, auch wenn ich mich frage, ob das Bekenntnis zu Klischees bewusst selbstironisch auf die vorherigen Titel daher kommt. Während sich thematisch mit dem Wandel von Jugendfreundschaften im Prozess des Älterwerdens auseinandergesetzt wird, wirkt gerade der dritte Part mit seinem gut konstruierten Reim- und Flowschema sehr eindringlich. Nach so einem Frühling lässt man sich dann doch noch gerne zum "Übersommern" überreden, auch wenn im gleichnamigen Titel die lyrische Leistung der Instrumentierung einmal mehr hinterherhinkt. Spätestens bei der Hook bekomme ich nämlich das Gefühl, dass bewusst auf zu komplexe Texte und typische Rapflows verzichtet wurde, um im Gesamten eine leichtere Zugänglichkeit und mögliche Radiotauglichkeit zu gewährleisten. Das gelingt definitiv, lässt aber nur davon träumen, was alles möglich gewesen wäre, wenn man dahingehend keinerlei Kompromisse eingegangen wäre. Spätestens hier merkt man allerdings, dass das Projekt Fabian Römer durchaus als eigenständige Kunst betrachtet werden sollte und bewusst auf vieles, was F.R. ausgemacht hat, verzichtet. Der wirkliche Sommer fällt dann mit dem Titeltrack und "Kein Mensch mehr" wie für deutsche Verhältnisse gewohnt lau aus. Gerade letzterer gerät mit seinem sich stetig steigernden Aufbau zu ähnlich zu den vorhergehenden Titeln, ohne dem noch etwas Neues hinzuzufügen. Selbst die bisher gelobte Produktion wirkt an dieser Stelle wie nach Schema F und reproduziert sich nur noch selbst, was zwar einen stringenten roten Faden, aber eben auch musikalische Langeweile zur Folge hat, obwohl das technische Niveau natürlich weiterhin durchgehend hoch ist.


    "Wie ich's vor Frauen schaff', das perfekte Arschloch zu spielen/
    Aber gar nicht mit umgehen kann, wenn ich wirklich mal etwas fühl'/
    Sie hat mich so oft besucht, saß sechs Stunden im Zug/
    Ich war mir anscheinend zu cool, nur einmal das Gleiche zu tun/
    "
    (Fabian Römer auf "Dominoleben")


    Wie so oft lässt ein milder Sommer den Winter um so stärker werden. Das lässt sich auch auf das mittlerweile sechste Album von Fabian Römer übertragen, der auf den letzten vier Songs des Albums noch einmal zeigt, wozu er lyrisch fähig ist. Klar, auch hier fallen die Beats irgendwo zwischen verträumten Pianoklängen und atmosphärischen Elektrosounds verhältnismäßig poppig und mittlerweile fast schon eintönig aus, doch bekommt man es als Hörer immerhin mit echten Gefühlen und nicht reduzierter Teeniepoesie zu tun. Lediglich "Stille" weiß im Abschluss des Jahres nicht recht zu überzeugen, wird hier doch deutlich, dass die vorhandenen Gesangsqualitäten nicht ausreichen, um einen gesamten Titel zu tragen.


    Fazit:
    Das zwölf Track starke Album wirkt in sich sehr stimmig, wie aus einem Guss, jedoch gerade dadurch manchmal zu gleichförmig und fast schon eintönig. Man merkt dennoch, dass der Protagonist mit seinem Produzententeam, den Beatgees, eine klare Vision von einem Sound geteilt hat, entfernt vom Rapansatz eines F.R., die konsequent durchgezogen wird. Dabei herausgekommen ist ein technisch gut produziertes, poppiges Album, bei dem die Lyrik oftmals hinter dem Gesamtprodukt aus Pianospuren mit sanften Drums, sphärischen Chören und Elektronikbombast zurück tritt. Und da liegt auch schon der größte Knackpunkt: Zwischen all dem Singsang und bedeutungsschwangeren Worten wünscht man sich immer wieder, dass Fabian Römer doch noch einmal den F.R. durchblitzen lässt, mal richtig auf den Putz haut und sein enormes raptechnisches Potential auffährt, eben das zeigt, was man als alter Fan durchaus zu schätzen wusste. Schade ist nur, dass das bis auf ein paar Ausnahmen nicht passiert. Man mag das als nur konsequent mit Blick auf die künstlerische Neuerfindung empfinden, doch so gehen einige Songs insgesamt etwas unter, zwar immer ansprechend produziert, aber eben oft auch zu harmlos, zu ähnlich und handzahm. Was von diesem musikalischen Kalender bleibt, ist ein typisches Jahr mit Höhen und Durchhängern. Im Endeffekt sind definitiv zwei, drei Lieblingskalenderblätter dabei, die man aufhebt und sich wahlweise an den Kühlschrank, ins Tagebuch oder an die Wand klebt. Einiges verschwindet aber auch irgendwo unauffällig in einer Schublade, wohl wissend, dass es da draußen noch Kalender mit verspielten Katzenbabys gibt, die manchmal einfach besser unterhalten können.



    Felix Bartsch


    [redbew]1860[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1860[/reframe]

  • Find das Album persönlich zu in sich stimmig und ohne richtigen Kracher, der dem Album den letzten Pepp verleiht. Jeder Song einzeln natürlich sehr stark, aber im Gesamtprodukt leider doch zu gleich.

  • Für mich persönlich ist das Album 6/6 Mics wert.
    kann aber auch verstehen, dass es anderen nicht so sehr gefällt. :)

  • Für mich ist das Album eine 9/10, aber auch nur weil ich 2 Tracks skippen muss. Ein sehr geiles Album, für mich eines der besten dieses Jahr.


    Du hast - wie so oft - unrecht und bist mir peinlich. Ich schäme mich diesen Müll gelesen zu haben und noch mehr, dir geschmacksbehinderten Untermensch zu antworten. Ich habe Recht, du Unrecht, ciao. Aus.

  • Gute Review, ich seh das Ganze aber etwas anders. Für mich sind die Lieder "Nur für uns", "Übersommern" und "Dreh den Nebel um" echt schlecht, schon fast wack, weil sie einfach zu sanft, ohne Höhepunkte und lyrisch zu abgedroschen daherkommen. Aber das Album erreicht mMn immer dann seine Höhepunkte, wenn es düsterer wird. Lieder wie "Stille", "Dominoleben", "Zimmer ohne Zeit", "Kalenderblätter" und "Kein Mensch mehr" sind richtig starke Stücke. Allerdings hätte ein flowlicher Ausbruch seitens Fabian, im Stil von "Wir schweigen es tot", bei dem ja eine sehr aggressive Art und Weise zu Tage gelegt wird, dafür gesorgt, dass das Album einen wirklichen Höhepunkt bekommt. Besonders bei "Dominoleben" hätte ich mir einfach den Flow von "Wer bist du" zurückgewünscht. Alles in allem ein gelungenes Album, aber auch ein (vielleicht) zu großer Schritt in Richtung Singer/Songwriter und Radio.

  • Ich versteh zwei Dinge nicht, die in viel zu vielen Reviews passieren:


    1) Warum ist Pop immer so negativ konnotiert? Pop-Musik hat uns viele schöne Melodien und Wandel in der Musik gebracht. Und auch wenn ein Cro Track lyrisch vlt. nicht so viel leistet wie ein Savas Track, ist doch das Verbreiten einer gewissen Stimmung (ob gut, ob schlecht) auch eine riesen Leistung...


    Leitet nahtlos zum nächsten Punkt:


    2) Warum ist das Gefühl, das ein Track gibt so nebensächlich? Ein Album zu reviewn heißt nicht, sich mit Stift und Block davor zu setzen und auf Fehler zu warten. Vielmehr sollte man versuchen sich darauf einzulassen, bevor man den strengen Reimstrukturblick walten lässt.
    Nur weil wir auf rappers.in sind, ist Rap nicht das einzig Interessante.


    Ach und noch was:
    "Dreh den Nebel um" klingt aufgrund von Gitarren nach Caspers "Hinterland"?
    Schade, nie wieder Gitarren hinter Rap Tracks, da Gitarre = Casper ist. Denn die Klangähnlichkeit der beiden Akkordfolgen ist praktisch nicht vorhanden.


    Danke.


  • Ach und noch was:
    "Dreh den Nebel um" klingt aufgrund von Gitarren nach Caspers "Hinterland"?
    Schade, nie wieder Gitarren hinter Rap Tracks, da Gitarre = Casper ist. Denn die Klangähnlichkeit der beiden Akkordfolgen ist praktisch nicht vorhanden.


    Danke.


    Dickes Word für die ersten zwei Punkte, obwohl die musikalischen Ähnlichkeiten von "Hinterland" und "Dreh den nebel um" nicht von der Hand zu weisen sind. Generell hört man raus, wie viel deutsche Musik F.R. in der Produktion konsumiert hat - vor allem auch von Leuten, die während seiner Album-Mache ebenfalls im Beatgees-Studio herumgelungert haben dürften (Olson, Curse,...)


    Kurz zur Review: Zuerst die Titelfrage. Dann "Blauwahlherz". Jungs.


    Nach anfänglicher Skepsis mag ich das Album mehr als erwartet. Ich bin großer Fan von F.R., fand ihn aber in locker-lässigen Momenten häufig viel unterhaltsamer als in ernsten. Das Album wirkt musikalisch stark wie aus einem Guss, der Titeltrack und "Kein Mensch mehr" sind mir persönlich dann auch deutlich zu langsam erzählt.
    Ansonsten find ich vor allem die ersten 3 Songs riesig, Dominoleben, Stille & Nach Dir (Anna) sind lyrisch auch einfach so, so groß. Wird bei mir wohl noch länger laufen, hätte so 4,5-5 gegeben, auch wenn ich die Kritik verstehe.

  • Egal wie oft ich den Track Kalenderblätter höre, ich kriege immer wieder Gänsehaut wenn der Beat einsetzt.


    Du hast - wie so oft - unrecht und bist mir peinlich. Ich schäme mich diesen Müll gelesen zu haben und noch mehr, dir geschmacksbehinderten Untermensch zu antworten. Ich habe Recht, du Unrecht, ciao. Aus.

  • Hatte früher ehrlich gesagt noch garnichts von ihm mitbekommen, aber auf dem Album sind schon einige Starke Tracks (z.B. Kalenderblätter, Blauwalherz)

    +They always expect the Monster. And It's always just some bloke.
    There ain't no monsters. There's no great saving grace.
    No us and them. There's just us. - Hellblazer+

  • Hab mir gestern das Album mal in Ruhe angehört. Persönlich mag ich das Album, finde aber auch das die Tracks einzeln stärker sind. Zudem kann ich diesen neuen styl, also diesem poppigen Touch, durchaus was abgewinnen. Mir sind die dreckigen Beatz normalerweise auch lieber und ich muss jedes Mal grinsen wenn z.B. ein Retrogott eigenwillig über die Beatz floht. Aber abseits von Rap gibt es unglaublich viel gute Musik und dieser Poppige styl, in diesem Fall von Fabian Römer, ist eine gute Brücke zwischen Rap und den Kram welchen ich mir sonst so gebe.


    Kann aber auch sehr gut verstehen wenn man das nicht feiert.

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