01. Baba aller Babas im Land
02. Pääh feat. SSIO
03. Original
04. AON Crü
05. Iz da
06. Gute Nacht feat. Haftbefehl
07. Wirbel für Flous feat. Samy & Schwesta Ewa
08. Dresscode feat. Olexesh
09. Justizia feat. Kalim
10. Mein Mantel
11. Rote Notiz
12. Hazaks 2
13. Gentleman feat. Teesy
14. Meine große Liebe
15. USB-Sticks, Mülltüten und Touch
Sehr lange Zeit war Xatar nur irgendein Name für mich. Irgendein Name von irgendeinem Rapper, der irgendwas mit Gangsterkram zu tun hat. Doch im Vorfeld der Promophase releaste der "Baba aller Babas" die Videosingle "Original", deren echt wirkende Gangsterattitüde im Verbund mit Oldschoolbeat und überragendem Moveset dafür sorgten, dass ich mich fortan sehr darauf freute, dieses Album bald hören zu dürfen. Kann der Mantelträger diese Vorfreude nun bestätigen oder schießt er sich ein Eigentor, indem die Videosingle einfach besser als der Rest des Albums ist?
Der "Alles oder Nix"-Rapper befand sich mehrere Jahre lang in Haft, feilte an seinen Rapskills, veröffentlichte sein Album "Nr. 415" und hat sich nun in Freiheit zum Paten des deutschen Rap entwickelt. Als Produzenten hat sich Xatar niemand geringeres als Reaf, Maestro, Enginearz und Choukri ins Team geholt, die für "Baba aller Babas" einen wundervollen Klangteppich gewebt haben, der den altbekannten Westcoaststil durch orientalische und auch andere moderne Klänge auf ein ganz eigenes, neues Level gehievt hat. Auf der Gästeliste für die Features stehen unter anderem Namen wie SSIO, Haftbefehl, Schwesta Ewa oder Olexesh, die die Erwartungshaltung weiter steigern.
Nun kann man gerade heutzutage eine Review aus vielen verschiedenen Gesichtspunkten beginnen; man könnte den Rap quantifizieren und per Punktevergaben für einzelne Songs einen stellvertretenden Durchschnittswert für das Album ermitteln. Man könnte auch haargenau auf die verschiedenen Techniken achten und darüber eine Analyse des Albums entwickeln. Mit all dem würde man dem Mantelträger aber nicht gerecht werden: Xatar ist, zumindest meiner Wahrnehmung nach, der erste richtige deutschsprachige Gangsterrapper und versprüht in seinen Tracks ein Maß an Kredibilität, dass nicht nur Maskenträger oder Imagerapper, sondern so ziemlich jeder MC im deutschsprachigen Raum vor Scham erblassen müsste. Was der gebürtige Bonner auf dem Album rappt, mag reimlich wie flowlich nicht die Krone der Schöpfung sein, aber der gute Mann hat mit seinen Worten meistens sehr recht. Auf weiten Teilen des Albums brilliert er mit Gesellschaftskritik, allem voran am Justizsystem – denn nach einigen Jahren Haft weiß man dann vermutlich auch, wovon man redet. Vielleicht das beste Beispiel hierfür liefert der Song "Justizia" feat. Kalim:
"Harmlose Jungs, die wegen gar nichts in den Knast kamen/
Sehen dort Kanaken, die Budsons gemacht haben/
Und wenn sie rauskommen dann, klären sie auch 'ne Bank/
Oder Kilos Koks, damit es sich diesmal lohnt/"
(Xatar auf "Justizia")
Ob man alles, was der Original Qacax rappt, für bare Münze nehmen kann, sei dahingestellt. Er schafft es auf jeden Fall, alles glaubhaft zu vermitteln und fesselt mich somit beim Hören. Doch nicht nur das Anprangern von gesellschaftlichen Problemen gehört auf "Baba aller Babas" zu den Thematiken: Auf "Meine große Liebe" rechnet der Mantelträger mit seiner Jugendfreundin ab, die zeitweise aus verschiedensten Gründen mit ihm zusammen war – aber nie um seinetwillen. Auf "Der Mantelträger" delivert Xatar, als wäre er Notorious B.I.G.s Reinkarnation. Insgesamt ist bei den Featuregästen aber viel Licht und Schatten dabei: Während SSIO und Haftbefehl in den Tracks verdeutlichen, was dem Qacax noch fehlt, um endgültig den "Deutschrap-Olymp" zu erklimmen, wirkt "Wirbel für Flous" mit Schwesta Ewa wie ein Fremdkörper in der Albumplaylist. Der gesamte Song hinterlässt in den Rapparts stark den Eindruck, dass der Beat deutlich zu langsam für die Künstler ist, als dass deren Flows den Hörgenuss tragen könnten. Auch inhaltlich ist der Track leider nicht besser: Wo Xatar ansonsten wirkliche Einblicke in sein Gangsterdasein gewährt hatte, wirken die Parts der beiden Rapper nur wie bloßes Gerede über Geld.
"Mit der Zeit entwickelte ich Hass für dich/
Weil du Nutte hast paar Freunde in den Knast geschickt/
Obwohl sie für dich kämpften, du miese Schlampe/
Ich werd' dich nur verschwenden, wenn ich dich habe/"
(Xatar auf "Meine große Liebe")
Fazit:
Die Bewertung dieses Albums fällt mir wirklich schwer. Auf der einen Seite kann ich die selten auftretenden, kleinen Flowfehler oder unpassenden Doubletimeansätze nicht komplett unter den Teppich kehren, aber auf der anderen Seite bin ich permanent von der Kredibilität, der Delivery und den sich zum Teil einbrennenden, nachdenklichen Zeilen imponiert. Auf "Baba aller Babas" finde ich nur sehr wenige Lieder, mit denen ich gar nichts anfangen kann ("Wirbel für Flous"), aber "auch die rote Notiz kann den Bra nicht abhalten". Um letztendlich auf die Eingangsfrage einzugehen: Nein, die Gründe für die Vorfreude wurde nicht im ursprünglichen Sinn bestätigt, dafür wurde ich auf anderer Ebene durch tiefgehende Texte sehr positiv überrascht. Es ist ein Genuss, Xatars Geschichten zu lauschen – auch wenn Flow und Reimtechnik noch ein wenig Luft nach oben haben. Würde ich mit Quantifizierungen oder Technikanalysen beginnen, würde das Album nicht sehr gut davonkommen, aber der Mantelträger hat weit mehr als irgendwelche zählbaren Stärken: Delivery, Knowledge und Flavour.
Cr0c
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