01. Is' mir egal
02. Was los
03. Kickdown feat. Olexesh
04. Außer Kontrolle
05. Spiegel
06. Achterbahn feat. Solo
07. Blaulicht feat. Solo
08. Wir fallen
09. Ausbruch in Handschellen feat. Celo
10. Hany
11. Frankfurt Brudi feat. Haftbefehl
12. Wer sind die ander'n
13. Überall Drama
14. Straßen am brennen feat. Veysel
15. Reiß die Bude ab feat. Olexesh
16. Kickdown feat. Abdi
17. Atombombenknall
18. Aufgeben
19. Outro
Hanybal – wer hier assoziativ, trotz unterschiedlicher Schreibweise, zunächst an den antiken Feldherrn mit den Elefanten oder den Psychopathen aus "Schweigen der Lämmer" denkt, dem ist dies nicht übel zu nehmen. Denn der gleichnamige Rapper wartete bisher lediglich mit einer Handvoll Featureparts auf den Releases seiner Azzlackz-Kollegen auf. Mit "Weg von der Fahrbahn" steht nun sein Debütalbum bereit und damit die Frage, ob der Name Hanybal in Deutschrapkreisen zukünftig auch auf einer dritten Assoziationsebene Anklang finden wird, oder ob sich der Ägypter damit selbst wieder "Weg von der Fahrbahn" schafft. Mit einem recht gewöhnungsbedürftigen Oriental-Samplebeat eröffnet der Neu-Azzlack sein Debüt und gibt gleich eine Kostprobe davon, was den Hörer auf den restlichen 18 Anspielstationen lyrisch erwartet. In typischer Azzlack-Manier wird nach allen Regeln der Kunst auf Gegner jeglicher Art verbal eingedroschen, kaum eine Gesetzesübertretung ausgelassen und stets ein Fick auf Konsequenzen gegeben. Als Folge dessen erfolgt der soziale Aufstieg samt Haute Couture und Luxuskarossen. Ganz normaler Azzlackz-Alltag also.
"Komm ran! Hol dir dein Einschussloch/
Heute frech, morgen in der Zeitung/
U-H, mein Rap ist brutal/
H zu dem A ist auf jeden Fall Superstar/"
(Hanybal auf "Is' mir egal")
Wie typisch für eine Azzlackz-Produktion lassen sich 19 hochwertige Instrumentals auf "Weg von der Fahrbahn" finden und fügen sich zu einem battlelastigen Soundbild zusammen. Besonders Produzent M3 verleiht der insgesamt sehr gelungenen Instrumentierung die typische Azzlackz-Handschrift. Die aggressive Grundstimmung greifen Hanybal und seine Featuregäste in ihren Texten auf und machen Track um Track klar, wer die Hosen in Rapdeutschland anhat. Leider bleibt das Storytelling dabei fast vollständig auf der Strecke, wobei wieder einmal die berechtige Frage zu stellen ist, ob Deutschrap einen weiteren hauptberuflichen Beleidiger braucht, der wahllos mit Gewaltandrohungen um sich schmeißt. Es steht allerdings außer Frage, dass Hanybal sein Handwerk beherrscht – ein abwechslungsreicher Flow und ein Stimmeinsatz, der kräftiger und souveräner wohl kaum sein könnte, machen den Newcomer zum geborenen Battlerapper. Es wird somit im Lauf der Albums jeder zerstört, der sich dem Debütanten in den Weg stellt oder nicht in sein Weltbild passt. Eine Kontroverse löste der Rapper dabei mit dem Track "Was los" aus, der vielerorts als Aufruf zur Selbstjustiz wahrgenommen wurde. Egal ob gegen Kinderschänder, Polizisten oder andere Rapper – Hanybal teilt ohne Rücksicht auf Verluste aus und macht seine Sache dabei besser als manch' alter Hase. Doch diese Einseitigkeit ist auch gleichzeitig eine Verschwendung von Potential, denn der Neu-Azzlack demonstriert eindrucksvoll, dass er mit kritischen Themen umzugehen weiß und setzt sich so zum Beispiel auf "Überall Drama" kontrovers bis provokant mit der weltpolitischen Lage auseinander, ohne dabei abgedroschen zu klingen.
"Deutschland, Paradies auf Erden/
Doch ich frag mich wie viel Leute heut in Gaza wieder sterben/
Und ich frag mich, warum Kinder sterben müssen, wegen Hunger/
Herr Politiker, kannst du mir sagen wer Schuld hat?"
(Hanybal auf "Überall Drama")
Positiv hervorzuheben ist außerdem die gelungene Platzierung der Featureparts: Neben Labelchef Haftbefehl treten unter anderem auch Ćelo & Abdï sowie Olexesh ans Mic, wobei keiner seiner Kollegen den Debütanten überflügelt, sondern ein jeder seinen eigenen Style mit einfließen lässt. Einerseits sind sich die Künstler recht ähnlich, wodurch sie sich gut in das Soundbild einfügen, andererseits erweitern sie die Texte durch ihren je eigenen Erzählstil und weiten den Straßensound. Dies sorgt für ein wenig Abwechslung auf dem sonst recht eintönigen Release, denn durch die fehlende thematische Breite wirkt das Album mit seinen 19 Tracks etwas aufgebläht. So hätte sich Hanybal zum Beispiel das Veysel-Feature "Straßen am brennen" mit Autotune-Hook getrost sparen können, genauso wie den recht abgedroschen wirkenden deepen Track "Spiegel" auf klischeehaftem Piano-Beat, bei dem so gut wie jede Line den Eindruck hinterlässt, das ganze schon diverse Male von anderen Rappern gehört zu haben.
"Wir streben nach dem Glück/
Oft kriegen wir dann nichts, das Leben ist 'ne Bitch/
Sie reden über mich/
ich gebe einen Fick und regele mein Bizz/"
(Hanybal auf "Spiegel")
Fazit:
Alles in allem ist "Weg von der Fahrbahn" ein überdurchschnittliches Debüt mit einigen Mängeln, die es für Hanybal künfig auszumerzen gilt. Die fehlende thematische Breite macht das Album auf Dauer etwas anstregend. Deutlich wird ein enormes Potential, welches richtig dosiert künftig für ein "Album des Jahres" hinreichen könnte. Denn Hanybal weiß nicht nur zu überzeugen, wenn er mit dem "Angola Hardcore Vibrator" 31er zerstört, sondern auch, wenn er Themen von größerer Relevanz anschneidet. So wäre es für zukünftige Releases wünschenswert, wenn nicht nur die Battle- und Representerthematik Raum fänden, sondern auch das zweifelsfrei vorhandene Talent für Storytelling und kontroverse Tracks mehr in den Vordergrund treten würden. So könnte aus einem überdurchschnittlichen Rapper ein Stück weit mehr ein Künstler werden, der mit seiner Musik auch den einen oder anderen zum Umdenken oder sogar zum Aufstehen bewegt. In dieser Hinsicht darf man auf Hanybals Zukunft im Game gespannt sein. Ein hoher raptechnischer Anspruch und eine großartige Instrumentierung machen aus "Weg von der Fahrbahn" ein durchaus gelungenes Erstlingswerk.
(Claude Gable)
[redbew]1811[/redbew]
Bewerte diese CD:
[reframe]reviewthread.php?reviewid=1811[/reframe]