Schwesta Ewa - Kurwa


  • 01. Rap, Kurwa! feat. Jetset Mehmet
    02. Kurwa
    03. Schwesta Elektra
    04. Von Hype zu Ayb
    05. Skit 1
    feat. Xatar
    06. Paxx im Puff
    07. Peepshow 2
    08. Escortflow
    09. Ramba Zamba
    feat. Marteria
    10. Tunneln und so feat. Eko Fresh
    11. Schwesta Schwesta
    12. Ein guter Tag
    feat. Megaloh & Chefket
    13. Viktor
    14. Spiegelreflex
    feat. Grace
    15. Für Elise
    16. Skit 2
    feat. Xatar
    17. Nonne wird Nutte
    18. 24 Stunden
    feat. Xatar & SSIO
    19. Boomerang
    20. Du liebst mich nicht
    feat. Fard & Samy


    Vielleicht war es die desolate Lage der weiblichen Rapper in Deutschland, die das Debütalbum von Alles oder Nichts-Signing Schwesta Ewa für mich zu einem der größten Hoffnungsträger im Jahre 2015 avancieren ließ. Denn nachdem die ehemalige Prostituierte mit Titeln wie "Schwätza" und "60 Punchbars" auf ihrem Mixtape "Realität" seinerzeit eher durch unfreiwillige Komik einen viralen Internethit hatte landen können und einiges an Hate zu spüren bekommen hatte, hielt ich es doch für eine sehr gute Nachricht, dass sie unter den Fittichen von Xatar weiter an sich arbeiten würde. Zwischen erzwungener Härte und Zeilen wie "Ghetto-Netto, wo ich wohne" und "Du lebst in Armut, du Sharmut!" zeichnete sich schon in dem eher mäßigen Werk eine rotzige Attitüde, eine viel zu seltene weibliche Perspektive auf das Geschehen und die einmalige Kredibilität ab, die ihr durch ihren Berufsstand verliehen wurde, und versprachen einiges an Potential. Nun stehen wir einem mächtigen, 20 Anspielstationen starken Album gegenüber, dass uns in den nächsten 60 Minuten die folgende Frage beantworten wird: Hat Ewa ihre raptechnischen Defizite in den Griff bekommen und schöpft sie ihr inhaltliches Potential diesmal voll aus? Legen wir die Scheibe ins Laufwerk, drücken auf Play und lassen die Dame für sich sprechen: Rap, "Kurwa"!


    "Von Rotlicht zu Xenon, von Xenon zum Scheinwerfer/
    Nach diesem Album werde ich selber zum Schein-Werfer/
    […]
    Schwesta Ewa – gedisst nur von Typen/
    Die sie jahrelang zahlten, um Dildos zu spüren/
    "
    (Schwesta Ewa auf "Kurwa")


    Schnell wird klar, dass wir es auf "Kurwa" mit einer deutlich weiterentwickelten Schwesta zu tun haben. Das Soundbild wirkt – allein durch die Nutzung von exklusiven Beats statt Instrumentals von bekannten Amerikanern – deutlich AoN-typischer, strukturierter und auch in Sachen Rap zeichnet sich schnell ab, dass wir es hier definitiv mit einer ernst zu nehmenden Künstlerin zu tun haben. Dennoch: Beendet ist dieser Prozess leider noch lange nicht, denn nach wie vor liefert das Zusammenspiel aus Ecken und Kanten im Flow und den teilweise doch zu unsauberen und ungünstig betonten Reimen ein Klangbild, das stellenweise schlicht und einfach unroutiniert daherkommt. Auch wenn es inzwischen auf einem durchgängig soliden Niveau angelangt ist, stellt dies wohl den wichtigsten Kritikpunkt dar, an dem Schwesta Ewa in Hinsicht auf die nächsten Releases arbeiten muss. Auf einigen Tracks leidet der Sound doch signifikant darunter und es kommt zu einigen holprigen Passagen, die auf einer Platte dieser Größenordnung einfach nicht passieren dürfen. Dass Ewa es allerdings auch richtig beherrscht, zeigen die musikalischen Highlights "Schwesta Schwesta" und "24 Std.", die durch charismatische, saubere Flows und unfassbar gute Beats zu überzeugen wissen. Allgemein sei hier einmal erwähnt, dass das vor allem von The BREED und Reaf angeführte Produzententeam bei der Instrumentierung zwischen dem mittlerweile bekannten Alles-oder-Nix Straßenflair und mitreißendem Kopfnicker-Sound unglaubliches geleistet hat und eines der klaren Highlights der Platte liefert.


    Die wohl größte Steigerung zum Vorgänger spiegelt sich jedoch auf inhaltlicher Ebene wieder. Hier kann sie nämlich zeigen, dass sie durchaus mehr drauf hat, als aggressives Pöbeln und nach einer textlich recht mäßigen ersten Hälfte läutet "Schwesta Schwesta" zu den restlichen Tracks eine ungeahnte Hochphase ein. Während Titel wie "Von Hype zu Ayb" oder "Tunneln und so" eher maue Umsetzungen von naheliegenden Themen darstellten, fährt Ewa plötzlich genau damit auf, was man eigentlich immer von ihr hören wollte: Authentische und realistische Storyteller aus Straßen- und Rotlichtmilieu. Dabei läuft sie insbesondere auf den Tracks "Viktor", "Spiegelreflex", "Für Elise" und "Boomerang" zu einer lyrischen Hochform auf, die man in der Art gar nicht erwartet hätte. Auch wenn sie stellenweise, durch eine etwas zu dominante Apathie in der Stimmfarbe, nicht das Potential an Melancholie ausspielen konnte, das eigentlich in den Tracks vorhanden sein sollte, markiert das letzte Drittel eindeutig das Highlight des Albums. Allerdings ist hier auch klipp und klar anzumerken, dass 20 Tracks schlichtweg zu viel sind: Viele Anspielstationen hätten ohne Verlust für das Endprodukt wegfallen können, die Features mit Marteria, Eko Fresh, Megaloh und Chefket sind absolut überflüssige Titel, die wahrscheinlich nur des Features wegen existieren, und allem voran: Songs, in denen Ewa flext, braucht es einfach nicht. So beginnt der Track "Peepshow 2" mit einer dermaßen belanglosen und banalen Reimkette in einer mittelmäßigen Flowpassage, die es auf keine Weise rechtfertigen, einen ganzen Albumsong für eine derart substanzlose Flowübung zu verschenken. Vielleicht kann ein Savas mit einer substanzlosen Aneinanderreihung von Flows über einen ganzen Track überzeugen, aber Ewa richtet so quasi drei Minuten das Spotlight auf ihre große Schwäche. Und das muss schlicht und einfach nicht sein: Diese Überladung schadet dem Album insgesamt und lädt mehr zum Durchskippen als zum Hinhören ein.


    "Im Leben kommt es anders, anders als man denkt/
    Jeder neue Tag, ein sich wandelndes Geschenk/
    Pass auf, was du tust, plötzlich bist du mal dran/
    Karma kommt Retour wie ein Bumerang/
    "
    (Schwesta Ewa auf "Boomerang")


    Fazit:
    Angekommen ist die Schwesta noch nicht, aber sie ist auf einem sehr, sehr guten Weg dahin. Mit "Kurwa" geht die Frankfurterin einen riesigen Schritt und schafft es ein für alle Mal, sich als eigenständige und ernste Rapperin zu präsentieren. Erstmals verwirklicht sie nennenswert ihr inhaltliches Potential und schafft es, trotz ihrer immer noch latent störenden Defizite in Sachen Rap, ein stimmiges und überzeugendes Album zu schaffen. Sollte sie sich für ihr nächstes Album zu Herzen nehmen, dass weniger manchmal mehr ist, sie überflüssige Füllertracks einfach weglässt und dafür komprimiert authentische Storyteller und begeisternde Kopfnicker liefert und auch raptechnisch diesen einen letzten Entwicklungsschritt weitergeht, sehe ich blendende Voraussetzungen, beim nächsten Mal nicht nur ein gutes, sondern ein sehr gutes Album in die Welt zu setzen.



    (Yannik Gölz)


    [redbew]1776[/redbew]


    Bewerte diese CD:
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    pocky bloom gravity boy

    2 Mal editiert, zuletzt von Max ()

  • Review bringt das ganze gut auf den Punkt. Die genannten Titel sind auch meine Lieblingstracks von dem Album. Man merkt, dass da noch einiges geht.

  • Review ist gut, das Album hat mich wirklich ganz gut unterhalten, aber öfter als ein mal im Monat werde ich es wohl nicht hören.

    +They always expect the Monster. And It's always just some bloke.
    There ain't no monsters. There's no great saving grace.
    No us and them. There's just us. - Hellblazer+

  • hab von den videoauskopplungen nur 24h im kopf und feier den track sehr.


    muss mir mal das album auf spotify geben oder so.

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