Review: B-Tight – RETRO



  • 01. Nummer Einz
    02. Eazy
    feat. Sido
    03. Pusher
    04. Krasse Männer
    feat. Nazar
    05. Wer will was machen
    06. König der Rapper
    07. Heisse Ware
    feat. Tony D
    08. Feuerkugeln
    09. Helden
    feat. Kontra K, Blokkmonsta & Karate Andi
    10. Hood Couture
    11. Beef
    feat. Eko Fresh
    12. Immer wieder montags
    13. Es war einmal
    14. Retro
    feat. Vokalmatador & Frauenarzt


    Es ist mit Sicherheit schwierig, B-Tight im großen Pool oder mittlerweile gar Schwimmbad der deutschen Rapszene zu positionieren. Ähnlich wie seine langjährigen Wegbegleiter war der Rapper selbst immer mehr Eigenmarke als zugehörig zu einem bestimmten Untergenre der deutschen Szene. Musikalisch kann man diesen permanenten Wandel bereits am letzten Soloalbum des Berliners festmachen – "Drinne" erschien vor gut zwei Jahren und die bewussten Rock-Einflüsse sind auf diesem Werk nicht zu leugnen. Die Relevanz B-Tights hat einen Grund, welcher keiner großen Charterfolge bedarf: Seit nunmehr 15 Jahren bringt der Künstler mit einer beeindruckenden Regelmäßigkeit Releases auf den Markt und beweist nebenbei, wie man über viele Jahre sich selbst treu bleiben und dennoch immer wieder neu erfinden kann. Ein Widerspruch? Dann solltet Ihr "RETRO" mal gehört haben.


    "B-Tight – Nummer Einz/
    Rap Act – Nummer Einz/
    Viel zu krass, geliebt gehasst/
    Bis heute bleib‘ ich in der Szene unerreicht/
    "
    (B-Tight auf "Nummer Einz")


    Im Interview mit uns ordnete der 35-Jährige sein aktuelles Machwerk in die Zeit, an die es erinnern solle, zwischen 1999 und 2009 ein. Schon mit den ersten Zeilen auf "Nummer Einz" offenbart sich die Leitlinie, welche spätestens mit dem darauffolgenden Track "Eazy" deutlich wird: Die Texte des gebürtigen US-Amerikaners sind irgendwo zwischen zahlreichen Analogien vergangener Zeiten und aggressiven, jedoch keinesfalls plumpen, Selbstdarstellungen zu positionieren. Eben diese Mischung aus Nostalgie und Fortschritt zeichnet den Eigencharakter dieses Werkes aus, der sich gar als roter Faden und gleichzeitig riesiger, inhaltlicher Pluspunkt erweist. Dem Interpreten gibt dies die Möglichkeit, Verbindungen zwischen damaligen Zeiten und der Gegenwart herzustellen und spielerisch hin- und herzuspringen. Dies sorgt nicht nur für Abwechslung, sondern gibt dem Langspieler ebenso eine inhaltliche Eigennote, die stark an die damaligen Aggro-Zeiten zu erinnern weiß – eben zwischen 1999 und 2009. Am deutlichsten lässt sich dieser Stil im Titeltrack erkennen:


    "Laufen stolz durch den Kiez, denn er folgt uns in den Krieg/
    Deine Follower sind unecht – Volksmusik/
    Seit 14 Jahren im Rapgeschäft, Profi im Rapper ficken/
    Übergeil, wie fette Titten, jeder Track ein Leckerbissen/
    "
    (B-Tight auf "Retro")


    Dabei zeigt sich nicht nur die inhaltliche Konsequenz, die der Künstler auf Albumlänge beweist; es lässt sich auch technisch und musikalisch eine Weiterentwicklung feststellen. Zwar fehlt es hier und da noch an der letzten klanglichen Finesse, die letztlich den Schritt zum Ohrwurm ausmachen könnte, doch die eigene langjährige Erfahrung und die hauptsächlich von den Hitnapperz produzierten Instrumentals spielen dem Protagonisten spielend leicht in die Karten. Vor allem auf „Wer will was machen“ beweist B-Tight seine Fähigkeiten durch abwechselnde Flowpassagen und ausgefeilte Reimtechnik. Dennoch ist die gelobte textliche Konsequenz in der handwerklichen Qualität nicht wiederzufinden: Der Rap auf dem bereits angesprochenen Titeltrack plätschert nur so vor sich her. Genauso scheitern auch oft die Hooks an der finalen Raffinesse – keine wusste wirklich einzufangen oder sich großartig abzuheben. So hat "Krasse Männer" speziell von der Produktion her ein riesiges Potenzial, das durch den wenig ambitionierten Refrain nicht voll ausgeschöpft worden ist. Nazar liefert auf dem Track jedoch einen einprägsamen Part ab – und auch sonst sind die Features klug gewählt worden.


    "Damals vertickten wir die Dinger auf der Straße/
    Da habt ihr noch gespielt, mit dem Finger in der Nase/
    Wir haben die Texte noch mit Stiften auf Papier geschrieben/
    Die ganzen Jahre sind wir hier geblieben, festgewachsen/
    "
    (Sido auf "Eazy")


    Die Liste der Gäste festigt nämlich den eben beschriebenen Eindruck: Neben Urgesteinen wie Tony D oder Eko Fresh finden sich Hoffnungsträger der letzten Jahre wie Kontra K oder Karate Andi und irgendwo dazwischen ist B-Tight. Obgleich das ein oder andere Feature mit seiner Präsenz den Protagonisten stellenweise zu verdrängen scheint, wie etwa Sido auf "Eazy", fügt sich die Mehrheit ebenjener passend in das Gesamtwerk ein, was den Eindruck zur Folge hat, dass ich trotz der großen Zahl an Gastbeiträgen nicht, wie in vielen Fällen, das Gefühl habe, den Künstler selbst noch nicht genug erlebt zu haben – denn auch hier gelingt B-Tight das Auspendeln von Abwechslung und Konstanz.


    Fazit:
    Es ist genau dieser Balanceakt, der sich durch das gesamte Werk zieht. Zwischen Kreativität und Struktur, zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem, zwischen sich treu bleiben und neu erfinden. All dies ist auf "RETRO" größtenteils fehlerfrei umgesetzt worden und B-Tight stellt den Ertrag seiner strukturierten Arbeit und jahrelangen Erfahrung unter Beweis. Es ist vermutlich das Sahnehäubchen, der letzte Schliff, den dieses Album noch vermisst: Der ein oder andere Ausbruch aus der musikalischen Linie auch von dem Protagonisten selbst hätte das Werk noch einmal auf eine höhere Ebene transportieren können, deren Merkmal nicht nur inhaltliche Bedeutsamkeit, die dieser Langspieler unweigerlich hat, sondern auch der Sinn für das Besondere, musikalisch Unverkennbare und Eigene ist.



    (Maximilian Mordhorst)


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    2 Mal editiert, zuletzt von Up ()

  • Vorhin im Auto mal angehört, kann das Fazit komplett unterstreichen.

  • Sehr sehr geile Review, bleibt nicht mehr viel hinzuzufügen, perfekt ausgedrückt.
    Album findet eine perfekte Balance zwischen dem neuen und alten B-Tight ohne krass in eine Richtung abzudriften. Man hat nicht das Gefühl, dass er zwischen seinem alten Style und seinem neuen hin und her springt und das macht das Album wirklich erfrischend.

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