Review: Curse – Uns



  • 01. Tatooine
    02. Millionen Mal schon
    03. Wir brauchen nur uns
    04. Du träumst wie ich
    05. Fibiameleyalude

    06. Ende feat. Fibi Ameleya
    07. Sie fallen feat. Elif
    08. Herz zurück
    09. Kristallklarer Februar/ Für P.
    10. November
    feat. Tua
    11. Erst seit ich da bin
    12. Menschen


    "Ich hab' versucht, mein Glück auf Sand zu bauen" – mit aufrichtigen Worten begrüßt uns Curse auf seinem neuesten Album, seinem Comeback. Und Hand in Hand mit dieser Ehrlichkeit geht die harte Realität einher, wenn er Revue passieren lässt: "Oder auf Mist – und hab' dann Mist gebaut". Diese Ehrlichkeit ist es, die man an Michael Kurth schätzt und die heutzutage scheinbar immer öfter in Vergessenheit geraten ist. Diese Ehrlichkeit ist es auch, die Fremde Freunde werden lässt, die in Unbekanntem Sympathie erzeugt. Und die aus einem "Für mich" und "Für Dich" ein "Für uns" formt. All das und vermutlich viel mehr soll "Uns" darstellen. Eine Verbindung zwischen Curse und sich selbst. Zwischen ihm und seinem Umfeld. Sowie zwischen dem Künstler und uns, dem Hörer. Und "Uns" beginnt.


    "Wir brauchen nur uns/
    Und vielleicht ein bisschen Mut dabei/
    Die alten Wunden brauchen Luft, damit sie gut verheilen/
    "
    (Curse auf "Wir brauchen nur uns")


    Sechs Jahre gingen nach "Freiheit" ins Land. Sechs Jahre, in und nach denen wohl niemand mit einem Comeback von Curse gerechnet hat – wohl am wenigsten er selbst. Denn immerhin war er es, der nach einer EP im Jahre 2010 bekannt gab, dass "Curse jetzt nicht mehr da ist". Es stimmt, dass alte Wunden Luft brauchen, damit sie gut verheilen. Aber vor allem benötigt der Mensch Zeit, um zu regenerieren, zum Entfalten neuer Ideen und zum Verarbeiten von Eindrücken. Ebenjene Zeit hat sich Mike genommen und legt Lied für Lied Stücke seines Herzens dar. Wenn er den Schlusspunkt hinter seine Vergangenheit setzt, um neu zu beginnen ("Ende"), stellt sich mir zwangsläufig die Frage, warum eigene Abschlüsse immer wieder so schwer fallen. Denn leider ist der in der Theorie so wunderschöne Gedanke "Wenn nichts mehr geht, geh' ich weg von hier" im echten Leben doch so schwer mit sich und seinem Herzen zu vereinbaren. Doch was ist, wenn Entscheidungen des Herzens plötzlich aus dem Bauch heraus getroffen werden und man sich somit von eigens gesetzten Grenzen lossagt? ("Sie fallen") Stopp – kurz innehalten. Die Minuten verstreichen, bevor es weitergeht. Gedankensprung. Was, wenn man sich einfach klarmachen muss, an was denn das eigene Herz wirklich hängt, wem man es bisher geschenkt hat oder wer es denn wirklich verdient? ("Herz zurück") Und was, wenn dieses Herz an einen Menschen gebunden ist, von dem man Abschied nehmen muss? Ihn stützt, auf seinem letzten Weg begleitet und letztendlich doch nur hofft, dass er gut ankommt – wohin auch immer er gehen mag ("Kristallklarer Februar/ Für P.").


    "Ich hör' dir – Augen auf – zu/
    Du sagst, dass du erwartet wirst – gut/
    Du bist nicht allein/
    Bitte komm gut heim/
    "
    (Curse auf "Kristallklarer Februar/ Für P.")


    All diese Fragen keimen unweigerlich auf, bleiben unbeantwortet im Raum stehen und doch gliedern sie sich stimmig in das triste Weltbild dieser Jahreszeit ein. "Uns" ist ein Album für dunkle Zeiten, für Tage, die kürzer werden und für Stimmungen, die ähnlich kalt wie die Temperaturen sind. Für Menschen, die zu Herbstdepressionen neigen und denen Melancholie an Tagen wie diesen kein Fremdwort ist. Und genau dort liegt zeitgleich die größte Stärke und die größte Schwäche des Werks. So vollständig, tadellos und schlichtweg atmosphärisch genial inszeniert "Uns" sich zum Ende des Jahres auch präsentieren mag, so unharmonisch wirkt es in den restlichen Monaten. Genau in der Zeit, in der der Alltag seine Farbe zurückbekommt, erscheint das Album plötzlich so fremd wie die längst verflogene Melancholie. Denn wenn die Herbst- und Wintergedanken in weiter Ferne liegen und das eigene Gemüt in besserer Verfassung ist, dann wirkt "Uns" für mich auf eine abstruse Art und Weise einfach fehl am Platz. Falsch platziert und nur darauf wartend, dass sich die Zeit und vor allem die Stimmung des Hörers wieder in ein nachdenklicheres Bild wandelt.


    "Vielleicht red' ich mich um Kopf und Kragen/
    Wenn das Gefühl wieder ausbricht/
    Doch Hand aufs Herz ging es nicht mehr anders/
    Schweigen ist nur Gold, wenn es uns nicht krank macht/
    "
    (Curse auf "Erst seit ich da bin")


    Wie eh und je versucht Curse auch mit diesem Werk seiner Linie treu zu bleiben. So werden Dinge wie extravagante Flowpassagen, Reimketten oder sonstiger Schnickschnack komplett außer Acht gelassen, um eines zu schaffen: Atmosphäre. Mike fungiert hierbei vielmehr als Sprecher und Erzähler und passt seine ruhige Stimme abwechslungsreichen, sphärischen Instrumentals an. Diese sind, im Gegensatz zu früheren Werken, deutlich mehr auf den lyrischen Epos zugeschnitten und überraschen vor allem dadurch, dass ihnen oft Tempo, aber keinerlei Akzente entzogen wurden. Jene Reduktion der Geschwindigkeit verleiht dem Werk an vielerlei Stellen eine innere Ruhe, ohne dabei Nachdruck oder Sorgfalt einzubüßen. Durch diese entstandene Harmonie bemerkt man erst recht die enge Zusammenarbeit zwischen Curse und dem Produzenten Claud sowie dem Produzententeam Beatgees. Gemeinsam ist ein Werk enstanden, welches nicht nur unheimlich passend auf den Protagonisten, sondern auch auf dessen Gastbeiträge zugeschnitten ist. Besonders hervorzuheben ist hierbei die junge Sängerin Fibi Ameleya, welche sowohl auf "Fibiameleyalude" als auch auf "Ende" schlicht und ergreifend zu begeistern weiß. Einzig der Beitrag des Reutlinger Musikers Tua auf "November" verbleibt als Dorn im Auge. Nicht etwa, weil sein Anteil ungenügend inszeniert wird, sondern eher, weil die schrillere Art und Weise der Präsentation so befremdlich gegenüber dem Rest des Albums erscheint. Auch wenn die dadurch erzeugte Abwechslung definitiv ihre Reize hat, bleibt der Beitrag letztendlich Geschmackssache, die die Hörerschaft spalten kann und in meinem Fall schlichtweg nicht ankommt.


    Fazit:
    Zugegebenermaßen habe ich mich in der Vergangenheit immer schwer mit Werken von Curse getan. Was andere als epochale Meisterstücke titulierten, ist bei mir nur seltenst auf Anklang gestoßen. Doch dieser Künstler ist 2014 Vergangenheit. Mit den Worten "Curse ist jetzt nicht mehr da" legte er 2010 eine scheinbar endgültige Pause ein, doch "Uns" beweist gerne das Gegenteil. Vielleicht ist der Stil nicht mehr derselbe und vielleicht ist es sogar ein ganz neuer Künstler – aber welche Kritik stellt das dar? Menschen entwickeln sich und wer solch eine Auszeit in Anspruch nimmt, um Wunden verheilen zu lassen, kann nun mal nicht unverändert zurückkehren. Für viele mag das neueste Projekt einen Störfaktor darstellen, weil es vergangene Titel in einem anderen Licht erstrahlen lassen wird – aber das haben Fortsetzungen einfach an sich. "Uns" ist einfach anders, doch dadurch noch lange nicht schlecht. Ganz im Gegenteil. Wer sich in die richtige, fast melancholische Atmosphäre hineinfühlen kann, findet etwas Beeindruckendes vor. Etwas schlichtweg Schönes. Und einen passenden Wegbegleiter für die dunklere Jahreszeit – für uns.



    Lukas Maier (Maierstro)

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    Bewerte diese CD:
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  • Ganz ehrlich: Ich mag das Album. Ich mag seine Stimme total, ich mag seine Texte und klar ist das Album bischen "moderner" von den Beats her, oder halt nicht so typisch Curse, aber es passt.

  • Wunderbare Review. :thumbup:


    Vor allem das hier trifft den Nagel auf den Kopf:


    Zitat

    So vollständig, tadellos und schlichtweg atmosphärisch genial inszeniert "Uns" sich zum Ende des Jahres auch präsentieren mag, so unharmonisch wirkt es in den restlichen Monaten. Genau in der Zeit, in der der Alltag seine Farbe zurückbekommt, erscheint das Album plötzlich so fremd wie die längst verflogene Melancholie.


    Kann mir das Album momentan auch nicht geben, obwohl es sehr gelungen ist.

  • Zitat

    So vollständig, tadellos und schlichtweg atmosphärisch genial inszeniert "Uns" sich zum Ende des Jahres auch präsentieren mag, so unharmonisch wirkt es in den restlichen Monaten. Genau in der Zeit, in der der Alltag seine Farbe zurückbekommt, erscheint das Album plötzlich so fremd wie die längst verflogene Melancholie.


    Dem kann ich nur bedingt zustimmen.
    Es stimmt, für mich klingt gerade "Kristallklarer Februar" (etwas unpassenderweise) sehr nach Herbst. Wirklich ein sehr guter Song und wunderbar produziert von den Beatgees. Auch "Ende" ist sehr geil geworden und Fibi hat wirklich eine außergewöhnliche Stimme und einen guten Text abgeliefert. Ich hingegen finde auch "November" mit Tua's Gastpart sehr geil. "Menschen" finde ich auch geil, weil es sehr reduziert und dynamisch klingt.
    Jedoch muss ich sagen, dass gerade Songs wie "Millionen mal schon", "Du träumst wie ich" oder "Herz zurück" eher positiv, also gar nicht so sehr "saisongebunden" klingen. Deshalb würde ich es jetzt nicht als das "kalte-Jahreszeiten-Album" betiteln.


    Vom Sound her ist das Album sehr modern. Wer es gehört hat, kann sich denken, warum Curse es "Uns" getauft hat. Es handelt sehr viel von Menschen und deren Beziehungen zu- und miteinander.


    Es ist nicht unbedingt DAS HipHop Album, aber das habe ich auch nicht erwartet. Nachdem man die ersten Videos gesehen und gehört hat, konnte man sich schon auf ein solches Album einstellen. Ich finde es gut, aber für mich persönlich ist "Von Innen nach Außen" immer noch das beste Curse Album.


  • So seh ich es auch. November mein Lieblingstrack. Tua und Curse auf einem Track passt perfekt zusammen!

  • Ganz ehrlich: Ich mag das Album. Ich mag seine Stimme total, ich mag seine Texte und klar ist das Album bischen "moderner" von den Beats her, oder halt nicht so typisch Curse, aber es passt.


    ja gibs eigentlich nichts drann auszusetzten

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