Review: soda & Yassin – kreiseck



  • 01. Erster
    02. Metropolis
    03. Flursn feat. El Ray
    04. Vierter
    05. Angst
    06. Ode
    07. Siebter
    08. Gleich feat. Audio88
    09. Gedanken feat. Einfach
    10. Letzter


    Es gibt Rapper, die rappen des Geldes wegen. Die wollen berühmt sein. Die wollen Groupies ficken und Youtube-Klicks. Die wollen Chartplatzierungen. Die würden alles tun, um wie ihr großes Vorbild zu sein und tun alles, um genauso zu klingen. Das sind übrigens auch die, die im Kommentarbereich ihres Lieblingsrappers Werbung für ihre eigene Facebookpräsenz machen. Denen merkt man dieses Ziel aber auch an, denn wenn das mit dem Erfolg auch nach ein paar Versuchen nicht so recht klappen will, werfen sie recht schnell die Flinte ins Korn und hängen das Mic an den Nagel. Sollte aber der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass das wirklich was wird mit der Rapkarriere ... Heidewitzka, dann hagelt es Releases. Zeit ist ja schließlich Geld und so ein Hype ist schnell vorbei.


    Es gibt aber auch Rapper, die scheißen auf Fame, die scheißen auf Geld, Verkäufe und Chartplatzierungen und die würden Worte wie Facebook-Likes und Youtube-Klicks nicht mal in den Mund nehmen. Untergrundrapper eben. Zu welcher Gruppe soda & Yassin gehören, dürfte angesichts der bisherigen Veröffentlichungen der beiden Rapper ziemlich klar sein. soda macht seit einer halben Ewigkeit Mucke, die unter dem Radar der üblichen Meinungsmacher funktioniert und Yassin kennt man durch die Zusammenarbeit mit seinem Bruder im Geiste Audio88 oder dem Stakkatoduo Hiob & Morlockk Dilemma. Wie wenig die beiden an den Mechanismen der Musikindustrie interessiert sind, sieht man übrigens auch daran, dass die ersten Stücke des gemeinsamen Albums "kreiseck" bereits 2006 – also vor acht Jahren – entstanden sind. Klar, Zeit ist Geld. Aber was lange währt, wird nun mal endlich gut, oder?


    "Wie lange lauf' ich schon pausenlos auf dem Pflaster auf und ab/
    Wie lange brauche ich noch, um dieses Umfeld endlich sattzuhaben/
    Martinshörner erklingen in der Ferne und erinnern mich an Verluste/
    Wenn ich doch nur wüsste, wo ich hin will, würde ich hingehen/"
    (soda auf "Metropolis")


    Nun mag man bei der Bezeichnung "Untergrundrapper" schnell an den ewiggestrigen Backpacker denken, der seine inhaltlichen Belanglosigkeiten und seinen hoffnungslosen Kampf gegen Wack-MCs und Musikindustrie auf vermeintlichem Golden Era-Bummtschack zelebriert. Mit diesem müden Klischee haben soda & Yassin jedoch nicht das Geringste am Hut. Die zwei Rapper geben nämlich wirklich keinen Fick auf etwaige Gepflogenheiten und Hörgewohnheiten – ja, auch die gibt es im Untergrund – einer möglichen Käuferschicht. Und die beiden hätten die Platte vermutlich auch rausgehauen, wenn sie noch mal acht Jahre gebraucht hätten. Denn den Herrschaften geht's um die Mucke und die machen die sowieso. Deswegen bleibt das Einzige, was für HipHop traditionell als typisch gilt, der strukturelle Aufbau der Stücke. Der Rest ist kompromisslos und experimentell und bricht inhaltlich sowie soundästhetisch mit gängigen Szeneparadigmen. So geben sie sich beispielsweise auf "Metropolis" als desillusionierte Bewohner der modernen Großstadt und zeigen sich gleichermaßen angewidert und fasziniert von den Farben, Klängen und Maschinen des Molochs Stadt. Ihr Rapstil ist hierbei bestenfalls als gewöhnungsbedürftig zu bezeichnen, denn die beiden rotzen ihren Welt- und Menschenhass nur so auf die minimalistisch gehaltenen Beatgerüste. Auf Reime wird wenig bis gar kein Wert gelegt, der Inhalt steht im Vordergrund. Irgendwie ist das Ganze Offbeat, aber irgendwie eben auch nicht. Zugänglichkeit ist jedenfalls etwas Anderes und die beiden MCs werden sich zweifelsohne bewusst darüber sein, dass sie mit ihrer Interpretation von Sprechgesang viele Hörer von vornherein abschrecken.


    "Arbeit, Arbeit, Geld verdienen, Rechnungen zahlen, für die Rente sparen – ey, ich lieb' diesen geilen Lebensstil/"
    (Yassin auf "Ode")


    Unterbrochen werden die Hasstiraden der Protagonisten lediglich von einigen Instrumentalstücken, die sich jedoch hervorragend in das Klangbild des Albums einfügen. Überhaupt entsteht ein Großteil der beinahe dystopischen Atmosphäre durch die von soda & Yassin selbst sowie durch die von Yannic produzierten Beats. Diese kommen stets düster daher. Kalt und maschinell stolpern die Drums über die spärlich gesetzten Synthesizerspuren. Akzente werden durch Störgeräusche gesetzt. Auf "Angst" gehen Text und Ton eine besondere Symbiose ein, wenn über dem bedrohlichen Grollen des Beats die Doppelungen der Verse schreiend aus der Ferne zu kommen scheinen und die Hook nur noch aus einem heiseren Krächzen besteht. Auch die Featurepartner fügen sich stimmig in das Gesamtkonzept des Albums ein, denn weder El Ray noch Einfach oder Audio88 präsentieren ihre Verse auf gewöhnliche Weise – wodurch sie sich gut in den Sound von soda & Yassin einfügen.


    Fazit:
    Das Projekt "kreiseck" über so lange Zeit zu verfolgen, erwies sich als gelungene Entscheidung – denn das Ergebnis ist ein wunderbar eigenständiges Werk, welches nebenbei auch beweist, wie zeitlos der Ansatz von soda & Yassin eigentlich ist. Dass einige Stücke acht Jahre alt sind, ist kaum festzustellen – eine Leistung, die wohl wenige deutsche Rapper vollbringen können. Jedoch muss man, wie bei jeder Veröffentlichung aus dem Schaffenskosmos der beteiligten Künstler, anmerken, dass die äußerst sperrigen Interpretationen wohl einen Großteil der Raphörer vor den Kopf stoßen werden. Wer aber mit den Werken aus dem Audio88 & Yassin-Umfeld vertraut ist, kann bedenkenlos zugreifen. Und wer mal Lust auf etwas abseitigeren Scheiß verspürt, dem sei die Platte wärmstens ans Herz gelegt. Der Rest bleibt wahrscheinlich recht ratlos auf der Strecke. Die reimen ja gar nicht richtig.



    (disdi)





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    [azlink]soda Yassin – kreiseck[/azlink]

  • wow, sehr gut geschriebene review. schöne stilistik, angemessene länge. großes kompliment.


    hab in das album selbst noch gar nicht reingehört, werd ich nach der review aber wohl tun. rein von der dargebotenen beschreibung hörts sichs aber sehr interessant an und eben sehr eigen, wie ja eigentlich die gesamte musik aus dem umfeld von audio88 und yassin.

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