01. Gutes altes Intro
02. Gold feat. Matteo Capreoli
03. Bandsalat feat. Eko Fresh
04. Beatbox Skit
05. Hustensaft
06. Session feat. Nico Suave & John Known Bengio
07. Gute alte Zeit
08. Hard Times
09. Rapper sagen Yo
10. Großstadt Geflüster Skit
11. Plattenregal
12. Wisst Bescheid
13. So schön feat. Megaloh & Afrob
14. Gutes altes Outro
In Zeiten, in denen diverse Künstler versuchen, den ehemals von allen akzeptierten König zu stürzen und den Thron selbst zu erobern, fällt nicht selten auch das Wort "Legendenstatus". Ein Titel, den sich dank einiger durchwachsener Jahre in Rap-Deutschland nur wenige Sprechgesangskünstler auf die Fahne schreiben dürfen. Ein Grund vielleicht, warum die wenigen Acts, die hierzulande für ihren Status einstehen, wie Nesthäkchen behütet werden. Doch die Frage, die sich eben nicht nur in der "King"-Titeldiskussion widerspiegelt, ist, ob man solch eine Auszeichnung auch wieder verspielen kann. Langer Rede kurzer Sinn: Wir müssen wieder einmal, wie bereits zwei Mal innerhalb von 365 Tagen, über Herrn Sorge sprechen. Pardon, seitdem das Projekt "Verschwörungstheorien mit schönen Melodien" im Herbst 2013 ja endgültig und grandios floppte, reden wir ja wieder von Samy Deluxe. Es folgte unter altbekanntem Künstlernamen die "Männlich"-Trilogie, die nach "Perlen vor die Säue" und dem Album "Männlich" jetzt mit "Gute alte Zeit" ihren Mixtape-Abschluss findet. Nun die Frage aller Fragen: Wie viel Legende aus der "guten alten Zeit" steckt in Samy Sorge 2014?
Eine Frage, die ich ausnahmsweise auch vorher abklären kann, liegt die Antwort doch leider nicht erst seit diesem Mixtape auf der Hand: sehr wenig. Samy Deluxe hat nämlich nicht begriffen, dass Floskeln dreschende Rapheads in tief sitzenden Baggypants eigentlich nur ihre alten Scheiben zelebrieren möchten. Man möchte die Erinnerungen wahren, in ihnen schwelgen und genießen, was man damals schon in der "guten alten Zeit" genießen konnte. Er weiß zu schätzen, was man hatte und will vielleicht einfach nur den Groll gegen alles Neue in die Welt hinausposaunen. Deswegen hören solche Rap-Fans 2014 ja auch Tapes aus dem Jahr 2004 und keine Tapes aus dem Jahr 2014, die nach 2004 klingen. Aber schon thematisch scheint Samy Deluxe diesen Grundsatz überhaupt nicht begriffen zu haben, wenn er plötzlich behauptet, dass Rapper "Yo" sagen würden. Ach, wirklich? Sagt das jemand wirklich noch in dieser Zeit außerhalb der Adlips? Wenn man es aus dieser Sicht beleuchtet, ist das gesamte Konstrukt des Songs nämlich eine Persiflage auf die rappende Masse, aus der sich Samy herausheben möchte – komplett obsolet und teils auch noch ein wenig unnötig verkompliziert, wenn er sich wieder einmal selbst widerspricht, nur um den passenden Reim zu finden.
"Frischer als Milch, direkt aus dem Euter/
Rap für die Leute, check, was ich heute/
Für eine komplexe Strophe bau'/
Was ich dabei mein', weiß ich selbst nicht so genau/
Aber was ich sage, das klingt oberschlau/"
(Samy Deluxe auf "Rapper sagen Yo")
Bei solchen verhältnismäßig kleinen Eskapaden bleibt es aber auch thematisch nicht: Kennt Ihr das, wenn Eure Großeltern eine Geschichte von früher erzählen und sich dann merklich in ihren eigenen Gedanken verlieren? So in etwa muss es passiert sein, als der selbsternannte "Rap-Opa" "Plattenregal" geschrieben hat, auf dem er einfach nur herunterrappt, was er so auf seinem Windows-Rechner im Ordner "Amirap" abgespeichert hat. Ganze vier Minuten lang. Nicht einmal, dass er sich die Perlen herauspickt, nein, er rattert die Liste lediglich alphabetisch runter und lässt keinen Buchstaben aus, während im Hintergrund ein aufdringlicher Trompeten-Synthie-Sound und leichte Drums von Scratches übertönt werden. Konzepte mit Hand und Fuß bleiben hier genauso auf der Strecke wie musikalische Raffinesse. Samy Sorges Gefühl für diese scheint nämlich in der "guten alten Zeit" genauso hängengeblieben zu sein wie seine gesunde Selbsteinschätzung. Wenn sich Mr. Deluxe spontan zu einem der technisch versiertesten Rapper dieser Ära krönt, mag das eine Behauptung sein, die zu Zeiten seines ersten Longplayers durchaus ihre Legitimation hatte, heutzutage allerdings komplett haltlos ist und einen ein wenig fassungslos stimmt in Anbetracht dessen, was er so an technischen Highlights auf "Bandsalat" deklariert.
"Renn lieber weg da, Hannibal Lector/
Menschenfresser, lecker-schmecker/"
(Samy Deluxe auf "Bandsalat")
Bezeichnend für das derzeitige Tief von Samy Deluxe ist eigentlich, dass all seine Rap-Features mehr aus den stimmigen Beats herausholen können als er selbst. Produziert ist die Scheibe nämlich durchaus solide. So führen DJ Mixwell und Mirko Machine auf authentisch klingenden 90 bpm-Boom bap-Samples durch 14 Tracks, die einen tatsächlich die "gute alte Zeit" zurückwünschen lassen. Lässig, aber doch bestimmt dank dem Einsatz harter Drums – das weiß manch eine Untergrundgröße wie beispielsweise Flo Mega, Megaloh oder Nico Suave durchaus zu nutzen. So lädt die Hook von Ersterem durch eine eingängige Melodie zum Kopfnicken und Mitsummen ein, die schön auf den wabernden Bass abgestimmt ist. Einzig Matteo Capreoli kann, ähnlich seinem Feature auf "Perlen vor die Säue", abermals nicht mit einer hochgepitchten Stimme und lästig im Ohr nachhallenden Synthies in der Hook von "Gold" überzeugen. Hätte Samy Deluxe die Zügel mehr seinen Features überlassen, die ja durchaus zahlreich versammelt sind, wäre das Projekt "Gute alte Zeit" vielleicht noch zu retten gewesen. Doch so zählt die "Session" mit seinen Rapper-Freunden, ein Projekt, das viele alteingesessene Rap-Fans vielleicht auch noch aus den alten Werken des Musikers kennen, zu den großen Highlights der Platte. Vor allem Nico Suave, der erzählt, wie er sich seinen Text gerade fast freestyle aus den Fingern saugt und auf den nach vorne gehenden Beat spittet, weil er auf dem Weg zum Studio das Textblatt verloren hat, weiß durch den ganz eigenen Style zu überzeugen. Nur schade, dass dies einer der wenigen Höhepunkte bleibt zwischen Tracks darüber, wie sehr Herr Sorge Rap doch immer noch lebt ("Wisst Bescheid"), und haltlosen Geschichten, die über die Geräusche eines Beatboxers ("Beatbox Skit") angestimmt werden. Belanglose Stammtischfloskeln, die man seinen Freunden nach dem dritten Bier erzählt – so wirkt diese Überbrückung eher auf mich. Das kann natürlich aber auch an mir liegen. Wer sich also für Geschichten interessiert, wie sich Rap-Crews auf dem Weg zum Gig verfahren und dann auf einer Couch statt im 5-Sterne-Hotel schlafen, dem sei diese herzergreifende Story doch wärmstens empfohlen.
Fazit:
Samy Deluxe macht auf mich den Eindruck eines mittlerweile in die Jahre gekommenen Weltfußballers. Einst gefeiert von der Welt für seine Technik und Finesse, doch mittlerweile eben längst überholt von Jüngeren und Besseren. Im Alter reicht es auch für die bekanntesten Spieler nur noch für die Regionalliga – und in gewisser Weise trifft das nun mal auch auf Samy zu. Denn wenn er in seinem Tape über die "gute alte Zeit" spricht, wirkt das nicht so, als wolle er diese zelebrieren. Es sieht eher so aus, als wäre er darin hängengeblieben und versucht noch einmal alle daran zu erinnern, was für ein grandioser Rapper doch noch immer in dem "Rap-Opa" steckt. Dass mittlerweile andere sein Handwerk besser beherrschen als er selbst, ist eine traurige Erkenntnis für eine einstige Legende, die viel für deutschen Rap getan hat. Dass er im Jahr 2014 sein Werk nicht fortgeführt hat und auch mit "Gute alte Zeit" dies nicht macht, kann man aber ebenfalls leider nicht abstreiten.
(Sven Aumiller)
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