01. Inglehawks
02. Intro
03. Wadadadang
04. Shoot em up
05. Interlude
06. Jinglebird
07. Kugeln in der Luft
08. All about automatics
09. Getti
10. Cenzura
11. Straight up loc's
12. MF Killa
13. 165
14. Strosseslang
15. Dosseposs feat. Basstard, Trip, Tamas, Twisted Insane & Eko Fresh
16. Outro
Was die Westcoast-Bewegung des US-Rap angeht, kann bestimmt jeder mindestens einen Vertreter aus dem vorigen Jahrtausend nennen. Sei es nun Ice Cube, Snoop Dogg, Eazy E, 2Pac – die Liste ist lang und die Auswahl der Ohrwürmer groß. Doch mir geht es gar nicht darum, Euer kulturelles Wissen aufzufrischen, sondern um unsere Westcoast, besser gesagt St. Ingbert. Denn aus dieser Ecke kommt die Platte "Big Bad Birds" von den Inglebirds und in diesem Zusammenhang ist ein Querverweis auf die US-Westküste durchaus angebracht, wie der aufmerksame Leser noch bemerken wird. Aber erst mal heißt es jetzt:
"Die Kanone poliert/
Die Patronen sortiert/
Die Szene fokussiert/
Mit rotem Punkt auf der linken Brust/"
(DCVDNS auf "Intro")
Denn auf dem Debütalbum der Inglebirds wird scharf geschossen, mit allen Kalibern und gegen jeden, der nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Wenn man bedenkt, was "Die Coole Gang" (ein altes Projekt von DCVDNS und Wolfang H.) damals für Musik gemacht hat, ist das schon ein großer Unterschied. Doch der Stil fügt sich hervorragend in das Konzept von DCVDNS ein, der ja inzwischen ein furchteinflößendes Gangsterimage aufgebaut hat. Und aufgrund seines aktuellen Hypes bekommen die drei Rapper aus dem Saarland mit ihrem neuen Werk auch mehr Aufmerksamkeit als damals. Nun galt es, mit den 16 gemeinsamen Tracks den Ansprüchen gerecht zu werden, die Szene zu zerstören und nicht nur mit ein paar Guns einen auf Gangster zu machen wie viele andere. Dass sie dazu in der Lage sind, zeigen sie bereits im "Intro" und machen so gleich Lust auf das Album.
Lyrisch ist das Album jedoch etwas durchwachsen. Auf der einen Seite sind viele Tracks gespickt mit Hommagen an die Oldschool-HipHop-Szene der USA. So heißt es unter anderem "Die ganze verdammte Welt geht vor die Hunde, ist am Verrotten, frag DFC" (Wolfgang H. auf "165") oder auch "Gangsterboogie, ich mach's wie Schooly D" (Hermann Weiss im "Intro"), um nur zwei Auszüge von vielen solcher Lines zu nennen. Doch während die Oldschooler oft positiv Erwähnung finden, gibt es natürlich gleichzeitig Lines gegen die neuzeitlichen Vertreter der Szene. Denn beispielsweise Adel Tawil oder aktuelle internationale Stars wie Mac Miller oder Macklemore dürfen mal "Lutschen an der Rugy". Leider sind es auch genau die immer wiederkehrenden Lines über den Umgang mit Waffen, die die Texte auf der anderen Seite teils etwas eintönig wirken lassen. Das mag zwar sehr unterschiedlich beschrieben sein, aber irgendwann habe ich kapiert, dass die 9mm Millimeter "Ratatat" macht und ich die "Glock an der Schläfe" habe. Aber obwohl es viel um Gewalt geht, muss man das Thema erst mal so vielseitig beschreiben und auf so viele Anglizismen und dazu passende Zeilen aus US-Tracks kommen können. Zumal aus der Reihe tanzende Tracks wie "Strosseslang" oder auch "Kugeln in der Luft" dafür umso beeindruckender wirken. So ist es in ersterem mal ganz interessant, die drei Saarländer in ihrem Dialekt rappen zu hören, während im zweiten das Thema Internetgeneration und Hate recht amüsant in Szene gesetzt wird. Kurz und knapp liegt es also im Auge des Betrachters, was er von der textlichen "Vielseitigkeit" der Inglebirds hält. Wenn er denn überhaupt hinterherkommt, was das Verstehen angeht. Immerhin wird die meiste Zeit Doubletime gerappt.
"Hier wird gechoppt/
Funky gerappt/
Das sind keine Doubletimes, du Idiot/"
(DCVDNS auf "Wadadadang")
Mein Fehler. Es wird natürlich nur besonders schnell gerappt. Dadurch wird man allerdings praktisch gezwungen, das Album mehrmals anzuhören, denn erst nach wiederholtem Loopen der Scheibe bekommt man im Detail mit, worum es den Saarländern eigentlich geht. Zuvor muss man aufmerksam und angestrengt zuhören, um die Lyrics mitzubekommen. Aber durch die Beats, die alle dem Genie von Dub Gang entsprungen sind, ist das Hören auch ein großes Vergnügen. Denn ebendiese sind ebenfalls sehr an die Westcoast-Szene angelehnt. Viele Samples von alten Ami-Größen – wie zum Beispiel KRS-One – wurden als Intro oder Hook für die einzelnen Tracks genutzt und vereinen so nicht nur Deutsch- und Ami-Rap, sondern zeigen auch, wie gut das am Ende klingen kann. Musikalisch geht es sonst ebenso sehr vielseitig zu. Von Funky Jazz über melancholisch anmutende Klaviaturen und düstere Glockenbeats bis hin zum poppigen '90er-Sound setzt Wolfgangs Produzenten-Alter Ego alle Tracks gut in Szene. Mit kurzen Stücken wie dem "Interlude" oder dem amüsant zensierten "Cenzura" schafft er kurze Erholpausen zwischen dem Geflexe der Big Bad Birds. Dub Gang hat bei diesem Album wirklich alle Geschütze aufgefahren und zieht den Hörer mit jedem Beat mehr in seinen Bann.
"Wolfgang der Psycho/
Fickt dich, du Heiko/
Ich stomp' dein Fuckface auf eine Bordsteinkante/
Inglebirds Vorzeigebande/"
(Wolfgang H. auf "Shoot em up")
Dafür ist sein Rap-Alter Ego manchmal nicht ganz so ausgereift – während er auf der einen Seite mal lässig geflowt seinen Namen buchstabiert, wird auf der anderen ernsthaft "Heiko" auf "Psycho" gereimt. Natürlich reimt sich das, aber wirkt genauso unpassend wie DCVs "Halt dein Hurensohn-Maul sonst mach ich Nudelauflauf aus dir" auf dem gleichen Track. Derartige Ausrutscher beiseite ist das Zusammenspiel der drei perfekt. Jeder flowt enorm schnell und gekonnt über den Beat, der aggressive Stil von Hermann Weiss bildet einen guten Kontrast zu DCVDNS, während dessen Technikversiertheit wieder den Kontrast zu Wolfgang H.s teilweiser Gleichgültigkeit beim Schreiben bildet. Da hätte es nicht mal Features gebraucht. Aber den großen Kollabo-Track "Dosseposse" ließen sich die Inglebirds trotzdem nicht nehmen und holten sich unter anderem den Kalifornier Twisted Insane mit ins Boot. Der überzeugt mit einem unfassbar guten Gastbeitrag, wie auch Basstard oder Tamas, während ein Eko Fresh aufgrund der textlichen Plumpheit eher auf der Strecke bleibt. Trotz alledem ein guter Abschluss, bevor im "Outro" dann die Psyche der Interpreten vollends versagt und man sich seiner selbst nicht mehr ganz sicher ist.
Fazit:
Am Ende lässt mich "Big Bad Birds" mit gemischten Gefühlen zurück. Es ist vielleicht kein völlig herausragendes, aber das einzige Album der Inglebirds, wenn man ihrer Trennungsansage Glauben schenkt. Und insofern ist es durchaus eine große Bereicherung in der Deutschrap-Landschaft. Denn lässt man die teils vorhandenen textlichen Mängel und den einen oder anderen Zweckreim außen vor, so bleibt zumindest eines: Ein Gesamtwerk, ähnlich dope wie eine alte Westcoast-Platte, auch wenn es einem anfangs genauso schwer fällt etwas zu verstehen, wenn man nicht genau hinhört. Nur liegt das bei den Inglebirds nicht daran, dass der Rap auf Englisch ist, sondern an der Schnelligkeit der Vortragsweise und der einen oder anderen verschluckten Silbe. Mit ein bisschen mehr Vorlaufzeit wäre das Album vielleicht noch ein Stück besser geworden. So hat es hingegen einen leicht enttäuschenden Beigeschmack wie der BuViSoCo-Auftritt.
Lukas Päckert (FlatDieter)
[REDBEW]1657 [/REDBEW]
Bewerte diese CD:
[reframe]reviewthread.php?reviewid=1657 [/reframe]
[azlink]Inglebirds – Big Bad Birds[/azlink]