Interview: Sierra Kidd


  • Trotz seines jungen Alters konnte sich Sierra Kidd innerhalb kürzester Zeit einen Namen machen. Im vergangenen Jahr noch der gesichtslose, minderjährige und von Manager Hadi El-Dor angepriesene "nächste große Star am Raphimmel", in diesem Jahr bereits fest in der Szene etabliert. Vieles ist seit dem Erscheinen seiner Debüt-EP "Kopfvilla" passiert – unter anderem ein Signing bei RAF Camoras Label Indipendenza, das Release seines ersten großen Albums "Nirgendwer" im Sommer und zuletzt natürlich der Auftritt beim Bundesvision Song Contest auf ProSieben. "Nirgendwer" ist Sierra mit Sicherheit nicht mehr – klar, dass auch wir ihm ein paar Fragen stellen mussten ...


    rappers.in: Wir würden zu Beginn des Interviews gerne wissen, ob es eher positiv oder negativ ist, "nirgendwer" zu sein.


    Sierra Kidd: Das kommt darauf an … Nirgendwer zu sein, ist auf jeden Fall besser als irgendwer Normales zu sein. Aber die genaue Definition muss jeder für sich selber herausfinden – sonst wäre es ja viel zu langweilig.


    rappers.in: Sprechen wir über dein aktuelles Album: Inwiefern knüpfst du mit dem Release an deine "Kopfvilla"-EP vom Dezember letzten Jahres an?


    Sierra Kidd: Ich öffne meine Kopfvilla eigentlich nur noch ein bisschen mehr. Ich knüpfe nicht direkt daran an, denn ich bin erst 17 und mir ist noch nicht so viel passiert – aber die Kopfvilla war ein Vorgeschmack auf das Album. Damit habe ich mein Hinterzimmer gezeigt und das Album ist die ganze Villa, das komplette Haus. Es behält diesen "Kopfvilla"-Touch, den Sound, aber es entwickelt sich schon ein bisschen weiter. Mal gucken, wo es noch hinführt, aber man kann sagen, dass die Note gleich geblieben ist.


    rappers.in: Hast du das Gefühl, dass das genau die Musik ist, die du machen willst? Oder ist es möglich, noch mal in eine ganz andere Richtung zu gehen?


    Sierra Kidd: Musik entwickelt sich natürlich immer weiter, was man zum Beispiel auch bei Prinz Pi sieht, der früher mal ganz andere Musik gemacht hat. Wenn man sich das Ganze aber von Album zu Album anhört, klingt es gar nicht so unterschiedlich, weil es viele Zwischenschritte gibt. Es kann sein, dass es bei mir auch so wird, aber ich kann dazu noch nicht viel sagen ... Wie gesagt, ich bin sehr jung, wer weiß, was passiert.


    rappers.in: Im Endeffekt bist du mit dem, was du jetzt machst, rundum zufrieden, auch wenn du in drei Jahren vielleicht ein Heavy Metal-Album machst?


    Sierra Kidd: (grinst) Ja, das können wir so stehen lassen!


    rappers.in: Auf deinem Album sind unter anderem Gastbeiträge von RAF Camora und Prinz Pi zu finden. Baut sich als junger Künstler ein großer Druck auf musikalischer Ebene auf, wenn man mit solchen Szenegrößen zusammenarbeitet?


    Sierra Kidd: Es geht. Sie nehmen sogar ein bisschen den Druck. Wenn ich alles allein stemmen müsste, wäre es anstrengend. Zum Glück habe ich den wunderbaren Labelboss RAF, der mir bei allem zur Seite steht, wenn ich Hilfe brauche. Und auch Leute wie Pi: Ich bin der Meinung, dass ich ihn jederzeit anrufen könnte und er würde mir zur Seite stehen. Hätten die beiden mir nicht so viel beigebracht, wer weiß … Vielleicht wäre ich dann nur ein Hype gewesen, der kurz da ist und sofort wieder geht.


    rappers.in: Greifen sie dir auch bei deinen Produktionen unter die Arme?


    Sierra Kidd: Prinz Pi eher weniger, er hilft mir mehr bei zwischenmenschlichen Dingen. RAF kann ich bei allem anrufen, er hilft mir immer! Aber es gibt eine Sache, in die ich mir nie reinreden lasse – das sind meine Texte, meine Melodien und alles, was mit meiner Stimme zu tun hat. Doch wenn es um Beatproduktionen geht, kann man keinen besseren Lehrer haben als RAF. Ich sage es immer wieder: Er ist der beste Produzent in Deutschland und hat mir viel beigebracht. Der "Splittermeer"-Beat ist zum Beispiel komplett von mir produziert und man merkt selbst da schon, dass ich den besten Lehrer hatte, den man haben kann.



    rappers.in: Hast du dabei das Gefühl, mit einem Freund zusammen zu arbeiten? Kann man sich euch als eine Art "Labelfamilie" vorstellen?


    Sierra Kidd: Natürlich ist das grundsätzlich ein harter Job. Wir arbeiten alle viel, gerade die Arbeitszeiten sind höllisch. Auch wenn alle immer denken, dass das der schönste Job ist, ist es sehr anstrengend. Aber wir sind genau deshalb so zusammengeschweißt. So wie ich mit RAF befreundet bin, bin ich auch mit meinen Managern befreundet, einfach mit dem ganzen Team. Wir sind eine richtige Familie und sprechen über unsere Probleme. Ich sage immer, dass miteinander arbeiten so ist, als würde man eine Beziehung führen. Wenn man die schlimmen Dinge nicht anspricht, kann es eklig werden. Und deswegen versuchen wir es so gut, wie wir nur können. Im Moment sind wir, glaube ich, alle glücklich.


    rappers.in: Du hast auch über das Internet an Bekanntheit gewonnen und musstest dich in der Vergangenheit sicherlich mit vielen Online-Kommentaren von Rapfans auseinandersetzen. Liest du dir das ganze Feedback auch heute noch durch?


    Sierra Kidd: Mich hat das immer interessiert und ich les' mir immer noch fast alles durch. Auf Rap-Seiten eher weniger, aber die Kommentare unter meinen Videos und meinen Posts sind für mich immer die wichtigsten. Auf anderen Seiten sieht man eben viele Leute, die die Musik nicht interessiert und die sie eh nicht hören wollen. Da kann ich dann verstehen, wenn ein mieser Kommentar kommt, aber Medien sind da, um zu berichten. Wenn Sierra Kidd etwas rausbringt, dann guckt man sich das halt an oder lässt es. Genau, wie wenn Kollegah etwas rausbringt. Ich habe nie viel Wert darauf gelegt, was auf anderen Seiten steht, aber ich bin für jede Kritik offen.


    rappers.in: Als junger, aufstrebender Rapper bekommt man vermutlich auch von alteingesessenen Acts viele Tipps, wie man sich noch verbessern könnte. Nimmst du dir Feedback dieser Art zu Herzen?


    Sierra Kidd: Ich nehme mir solche Sachen auf jeden Fall zu Herzen und gucke mir anderes auch gerne an. Zum Beispiel habe ich letztens einen Cro- und einen KIZ-Auftritt gesehen. Ich mache das bei anderen, die schon viel länger dabei sind als ich, um zu sehen, wo ich noch etwas lernen kann. Oft kommen auch Leute zu mir, wie beispielsweise mein Manager Hadi, und geben mir Ratschläge, die ich mir sehr zu Herzen nehme und umzusetzen versuche. Ich muss noch viel lernen – und eine gute Art zu lernen ist, auf die Leute zu hören, die schon etwas durchgemacht haben. Meine Mutter hat immer gesagt: "Ich kann es dir nicht in den Kopf pflanzen, weil du die Erfahrung selber machen musst, aber ich kann dich davor warnen." Das nehme ich sehr ernst.


    rappers.in: Hadi El-Dor ist meines Wissens auch derjenige gewesen, der dich entdeckt hat. Habt ihr eine besondere Beziehung zueinander, weil er eine Art Mentorposition für dich hat?


    Sierra Kidd: Hadi ist wie der große Bruder, den ich nie hatte. Ein sehr herzlicher Mensch. Wir haben eine sehr nahe Verbindung zueinander – wir sind wie eine Familie.


    rappers.in: Wie war das denn damals für dich, als er dich kontaktiert hat? Du hattest ihn ja innerhalb der Deutschrapszene bestimmt schon mal wahrgenommen …


    Sierra Kidd: Das war vollkommen verrückt – ich hab' das am Anfang gar nicht geglaubt. Als wir das erste Mal telefoniert haben, wusste ich aber, dass er es ernst meint. Ich hab' mich sehr gefreut und bin froh, dass es so gekommen ist – aber ich habe schon gezittert und geweint, als das damals passiert ist ... (grinst) Das war sehr, sehr emotional!


    rappers.in: Hast du das Gefühl, dass aktuell viele negative Stimmen gegen dich zielen? Denkst du, es würde weniger Kritik geben, wenn du dich langsam und beständig in die Szene eingegliedert hättest?


    Sierra Kidd: Zu Leuten, die mich deswegen kritisieren, kann ich nur sagen, dass ich mein halbes Leben runtergemacht wurde und mich sowas gar nicht trifft. Ich würde niemals sagen, dass ich weit gekommen bin bis jetzt, denn: Erfolg ist relativ. Ich würde sagen, dass ich gerade erst anfange und je nachdem, ob ich mich bewähre, kann ich hier bleiben oder eben nicht. Noch habe ich nur eine Chance, bin immer noch nicht richtig drin und in vier bis fünf Jahren, wenn ich ein Album rausgebracht habe, das sehr erfolgreich ist, dann könnt ihr mir die Frage nochmal stellen und dann gebe ich eine richtig ausführliche Antwort. (grinst) Mal gucken, ob das dann immer noch so ist, aber vielleicht denken auch viele, dass ich all dem nicht gewachsen bin oder nicht standhalten kann. Aber ich versuche natürlich, solchen Menschen das Gegenteil zu beweisen.



    rappers.in: Staiger hat sinngemäß mal gesagt, dass die spannendste Phase in der Karriere eines Künstlers der Übergang vom No-Name zum gefeierten Superstar ist. Hast du das Gefühl, diesen Moment noch vor dir zu haben oder ihn gerade zu erleben?


    Sierra Kidd: Es kommt drauf an, was jetzt passiert und wie ich meine Arbeit mache. Wir sind uns alle einig – daraus muss ich kein Geheimnis machen –, dass ich nur hierher gekommen bin, weil ich Glück hatte. Ich hatte Glück und deswegen bin ich jetzt an diesem Punkt. Aber irgendwann reicht kein Glück mehr, da muss man Leistung zeigen und ab da zählt nur noch das, was du tust. Wenn du an diesem bestimmten Punkt nicht überzeugst, dann passt du nicht rein, dann wirst du wieder abgeschossen und bist ganz schnell wieder unten. Ich bin hier und glaube, dass ich das noch vor mir habe, je nachdem, was passiert. Wenn ich jetzt rumschwächel' und anfange, nachzulassen, dann natürlich nicht, aber ich werde mein Bestes geben und stecke alles rein, damit ich in zwei Jahren noch da bin und in zwei Jahren noch mit euch reden darf.


    rappers.in: Ursprünglich wolltest du deine wahre Identität vorerst noch verbergen, bis RTL II sie in einem Bericht enthüllt hat. Außerdem hast du mal erwähnt, deine Geschwister hätten zu diesem Zeitpunkt nichts von deiner Tätigkeit als MC gewusst. Wie alt sind denn deine Geschwister und wie haben sie reagiert, als sie davon auf diese Weise erfuhren?


    Sierra Kidd: Ich habe sechs jüngere Geschwister, die sind alle zwischen vier und fünfzehn Jahre alt. Es war wirklich verrückt, als dieser Beitrag dann kam. Meine Mutter hat sich das natürlich stolz angeguckt und meine ganzen kleinen Geschwister wussten davon noch nichts. Am nächsten Tag gingen sie dann in die Schule und jeder sprach sie drauf an.


    rappers.in: Deine Geschwister haben das auch nicht von deinen Eltern erfahren, sondern erst in der Schule?


    Sierra Kidd: Ja, richtig. Ich war in Berlin und habe meine Sachen erledigt, der Beitrag kam um 20.15 Uhr – da liegen meine Geschwister schon im Bett. Meine Mutter hat sich das angeguckt, mich angerufen und gefragt, was da passiert ist. Ob es von uns ist oder von RTL, weil ich ihr erzählt hatte, dass wir das nicht öffentlich machen wollen. Sie war richtig sauer, weil sie dachte, ich hätte Scheiße gebaut mit dem Label – wir hatten mit ihr abgemacht, dass wir das erst zeigen, wenn ich volljährig bin. Ich habe ihr dann gesagt, dass wir das nicht waren und wir sind alle ausgerastet. Es gab dann Telefonterror bei mir daheim, weil Leute durch meinen Nachnamen meine Telefonnummer rausgekriegt haben – einfach richtiger Unsinn. Meine Geschwister sind am nächsten Tag in die Schule gegangen und meine Mutter hatte keine Zeit, mit ihnen darüber zu reden – also sind sie alle unwissend dahin gegangen. Dann kamen Lehrer auf sie zu: "Was ist denn mit deinem Bruder? Der ist doch dieser Rapper!", und meine kleinen Geschwister waren total verwirrt, kommen nach Hause und denken, ich bin Hannah Montana. Das war vollkommen verrückt!


    rappers.in: Zu guter Letzt: Wenn du dir eine Zeit im Deutschrap aussuchen könntest, in der du gerne aufgewachsen wärst: Welche wäre das und warum?


    Sierra Kidd: Genau die, in der ich bin. Ich bin genau in der richtigen Zeit aufgewachsen. Alles früher … Ich weiß nicht, da habe ich mich nie so wirklich reingefunden und jetzt ist Rap viel offener. Du kannst richtige Popmusik machen mit Rapeinflüssen und es ist weiterhin Rap und alle feiern es immer noch. Du kannst aber genauso der größte Techniker der Welt sein wie Kollegah, ein krasses Album bringen und kriegst auch dafür deinen Respekt. Jemand wie Cro ist erfolgreich und jemand wie Kollegah – und beide gehören zum Deutschrap. Das ist doch unfassbar, sowas hat es noch nie gegeben. Und genau deshalb glaube ich, dass die Zeit, in der ich jetzt gerade bin, perfekt ist. Wäre ich ein bisschen später aufgewachsen, wäre es vielleicht schlimm, denn dann würde ich mich jetzt zwischen diesen beiden Sachen spalten, so wie damals zwischen Aggro Berlin und ersguterjunge. Aber ich freue mich sehr, dass alles so offen geworden ist und ich jetzt auch die Musik machen kann, die ich will. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ich da sitzen würde und mir denken müsste: Oh nein, ich kann diesen Bass jetzt nicht reinmachen, weil es dann kein Rap mehr ist und sich dann jeder beschwert. Ich bin schon sehr glücklich, dass das alles so offen geworden ist.


    rappers.in: Weißt du, was ganz toll ist? Dass man sieht, wie sehr dich diese Rapszene fasziniert.


    Sierra Kidd: (grinst) Ja, das tut sie wirklich.



    (Florence Bader & Kristina Scheuner)
    [azlink]Sierra Kidd[/azlink]

  • Zitat

    Original von Biertrinker


    :kaputt: :kaputt: :kaputt: :kaputt:


    Die Bilder in Verbindung mit dem Namen haben mich überzeugt das Interview auf gar keinen Fall zu lesen.


    also hat der name tatsächlich nicht ausgereicht..

  • Zitat

    "Was ist denn mit deinem Bruder? Der ist doch dieser Rapper!", und meine kleinen Geschwister waren total verwirrt, kommen nach Hause und denken, ich bin Hannah Montana.


    ... ich brech ab, haha, DAS kam unerwartet. :D

  • Bilder einfach nur Fremdscham.
    Ich finde ihn allgemein peinlich, auch seine Antworten irgendwie.
    "Nirgendwer zu sein, ist auf jeden Fall besser als irgendwer Normales zu sein." - Halt doch bitte einfach die Fresse...

  • Zitat

    Original von lupa



    Sierra Kidd: Das kommt darauf an … Nirgendwer zu sein, ist auf jeden Fall besser als irgendwer Normales zu sein. Aber die genaue Definition muss jeder für sich selber herausfinden – sonst wäre es ja viel zu langweilig.



    Wie kann man so beschränkt sein? Halte ihn grundsätzlich für talentiert, aber durch ziemlich unkluge Moves verbaut er sich leider viele Sympathien.

    nach intensiver Selbstbeobachtung glaube ich außerdem, dass ich schwul oder zumindest bi bin



    khabas therapieren mein mobile phone

  • immer dieser hate, ich mag seine mukke überhaupt nich un find ihn auch nich soo sympathisch aber man kann doch einfach annehmen dass es ihn gibt, ihm viel glück auf seinem weiteren weg wünschen un weiter real underground shiaaat pumpen, weil das is hiphop alles andere gehört vergast...

  • Zitat

    Original von -Sly-
    immer dieser hate, ich mag seine mukke überhaupt nich un find ihn auch nich soo sympathisch aber man kann doch einfach annehmen dass es ihn gibt, ihm viel glück auf seinem weiteren weg wünschen un weiter real underground shiaaat pumpen, weil das is hiphop alles andere gehört vergast...


    :thumbup:

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