Review: Bizzy Montana – Mukke aus der Unterschicht 4



  • 01. Intro
    02. Onewayticket
    03. Reboot
    04. Is nich
    05. Sixpack
    06. Zu lange
    07. Endstation
    feat. Bosca
    08. Fernbedienung
    09. Sein wie ich
    10. Einfach weg
    11. Balla Balla
    feat. Johnny Pepp
    12. Egal Pt. 3 feat. Timeless
    13. Theater
    14. Ende einer Reise
    15. Outro


    Es liegt in der Beschaffenheit des Menschen, immer nach dem Größtmöglichen, dem Maximum zu streben. Gerne zählt man zur Oberschicht, profiliert sich durch Statussymbole und zeigt nach außen hin, welchen Wohlstand man genießt. Bei vielen Rappern ist diese Veranlagung besonders stark ausgeprägt, definieren sie sich in vielen Fällen über dicke Karren, funkelnden Schmuck oder die neuesten Designer-Klamotten. Dem entgegen steht die Welt von Bizzy Montana, seines Zeichens Rapper und Produzent, in der man Bratwurst mit Senf anstelle von Entrecôte speist, man in den Bus anstatt in den Porsche steigt und in der Waschmaschinen-Schleppen auf dem Tagesplan steht, während andere ihren Luxusurlaub in der Karibik verbringen. Seinen Lifestyle hat der Familienvater auf den bislang drei Teilen seiner "Mukke aus der Unterschicht"-Reihe in musikalischer Form festgehalten, nun folgt mit "Mukke aus der Unterschicht 4" ein neues und abschließendes Puzzlestück in seiner Sammlung von persönlichen Erlebnissen und Geschichten. "Wenn alle guten Dinge drei sind, braucht's zum Besten eben vier" – so verkündet es Bizzy auf einem der Songs. Ob er mit der Umdichtung des alten Sprichworts Recht behält, wird der vierte und wohl letzte Ausflug in die Unterschicht zeigen. "Onewayticket" ziehen und die Reise kann beginnen.


    "Sie dachten, alles wär' vorbei, haben mich ad acta gelegt/
    Nie wieder M-O-N-T-A-N-A, der Gassenprophet/
    Ich hab' gehustlet für paar Mark und nur aus Tasche gelebt/
    Sie haben gedacht, ich hätt' geschlafen und nur Schafe gezählt/
    "
    (Bizzy Montana auf "Intro")


    Ein Bizzy-"Intro" voller Tatendrang und jeder Menge Biss – viel eindrucksvoller hätte man sich nach knapp zweieinhalbjähriger Abstinenz kaum zurückmelden können. Das FvN-Signing kommt mit der Power und dem Hunger eines Fußballspielers um die Ecke, der nach einer langen Verletzungspause sein Comeback feiert und allen demonstrieren will: "Ich bin wieder da und das besser denn je". Tatsächlich merkt man ihm seine lange Auszeit kaum an, da er vom ersten Moment an den Hörer in seinen Bann zieht und mit Technik, Stimmeinsatz sowie makellosen Reimen besticht. Die "Mukke aus der Unterschicht"-Reihe war ursprünglich als Trilogie angedacht – doch was machen, wenn man den Unterschichten-Lifestyle mehr denn je lebt und fühlt? In den von Bizzy gezeichneten Bildern dieses Lebens dreht sich vieles um Alkoholexzesse, ehrliche Selbsterkenntnisse sowie das tägliche Schuften, um sich und die Familie zu ernähren. Während solche Inhalte bei vielen seiner Kollegen wie weinerliche Selbstbemitleidungsbekundungen klingen, sind diese Inhalte beim "Gassenpropheten" originell verpackt, sodass ein Suff-Song eben nicht nur ein einfacher Suff-Song ist. Der Track "Fernbedienung" schlägt in diese Kerbe und handelt von einem Phänomen, das so gut wie jedem von uns ein Begriff sein wird. In einer von unbändigen Synthies getriebenen, bildhaften Darstellung veranschaulicht der Müllheimer den schmalen Grat zwischen einem Samstagabend auf der Couch und wilden Partynächten mit gesundheitlichen Nachwirkungen. Auf seine sympathische Art und Weise werden die Szenarien durchgespielt, die sich abhängig vom Auffinden der "Fernbedienung" ergeben können – ein Musterbeispiel dafür, wie man altbekannte Themen interessant und unterhaltsam verpacken kann.


    "Und hätte ich die Fernbedienung heute früh gesehen/
    Wär' ich jetzt im Bett anstatt schon wieder durch die Tür zu gehen/
    Egal, es wird schon schief gehen, irgendwann wird's dafür Prügel geben/
    Übel, aber ich werde auch diesen Abend überleben/
    "
    (Bizzy Montana auf "Fernbedienung")


    Die Produktionen, für die zum großen Teil der Künstler selbst verantwortlich ist, passen einwandfrei zum Unterschicht-Gedanken und unterstreichen den jeweiligen Song mit maßgeschneiderten Klängen. Die fast ausschließlich elektronischen und hauptsächlich von scheppernden Drums geprägten Beats zählen für sich genommen aufgrund ihrer Komplexität und Detailverliebtheit zur Oberklasse im deutschen Rap. Sound und Rapper sind nicht nur fehlerfrei aufeinander abgestimmt, sie verschmelzen förmlich zu einer Einheit. In einem Song rappt Bizzy, es beziehungsweise er sei "wieder wie früher" – eine Aussage, der ich definitiv widersprechen muss. Er vermittelt zwar das Gefühl von früher, in meinen Augen jedoch intensiver und auf einem höheren Level. Für mich ist "M.a.d.U. 4" sein bisher rundestes Album, was vor allem daran liegt, dass auf jedem Song all seine Stärken optimal ausgeschöpft werden. Im Vergleich zu seinen Vorgängern zeichnet den neuesten Teil primär das Gespür für stimmige Hooks aus, welche die Strophen je nach Gefühlslage abrunden und ergänzen. So entstehen facettenreiche Refrains, die von Singsang ("Zu lange") und aggressiven Ansagen ("Sein wie ich") bis hin zu typisch rotzig klingenden Bizzy-Hooks ("Egal Pt. 3") reichen. Das Niveau des Zusammenspiels hinsichtlich der Produktionen, der Texte und des Raps ist durchgängig hoch anzusiedeln und lässt nicht viel Luft nach oben. Aufgrund der Akribie, die das Freunde von Niemand-Signing in seine Musik steckt, prangert es oftmals oberflächliche Rapper an, bei denen Rap an sich in den Hintergrund rückt. "Weil Rap nicht mehr verkörpert, was ich liebe, seit ich 14 bin", holt Bizzy am "Ende einer Reise" noch einmal ordentlich aus und haut aktuellen Stiltendenzen im Deutschrap ein dickes Brett vor den Kopf.


    "Irgendwelche Spinner ballern blind auf ein' Beat/
    Ich lad' die Flinte wieder, ziel' auf das Gesindel und schieß'/
    Die Kings und die Chiefs, die Rockrapper, Crossover, Maskenträger/
    Rap ist noch am Leben, doch ich schaufel' schon die Massengräber/
    "
    (Bizzy Montana auf "Ende einer Reise")


    Der einzige Sachverhalt, den man bei "M.a.d.U. 4" negativ auslegen könnte, ist die Tatsache, dass der Themenhorizont stark auf den Unterschichten-Lifestyle runtergebrochen wurde. Weitgreifende Themen, die sich über den Tellerrand seiner Lebensweise erheben, zählen eher zur Seltenheit. Da es sich um einen "Mukke aus der Unterschicht"-Teil handelt, ist dies kein wirklicher Kritikpunkt, eher ein Ansatzpunkt dafür, wie es nach dem Abschluss der Tetralogie weitergehen könnte.


    Fazit:
    Bizzy Montana hat weder sich selbst noch Deutschrap neu erfunden, liefert mit "Mukke aus der Unterschicht 4" allerdings eine Platte, die in ihrer Gesamtheit überzeugt und vom ersten bis zum letzten Takt stimmig ist. Es ist ein Album entstanden, das an vielen Stellen Perfektion anstrebt, dabei aber stets Ecken und Kanten zeigt – Technik, Texte und Beats sind zu jedem Zeitpunkt auf sehr hohem Niveau, dennoch transportiert das Werk immer dieses gewisse Dreckige, das die "M.a.d.U."-Reihe ausmacht. Für mich persönlich stellt dieses Album – und das trotz der starken Vorgänger – den besten Teil der Tetralogie dar, da es Bizzy gelingt, all seine Stärken zu bündeln und diese über die komplette Dauer pausenlos aufrecht zu erhalten. Angesichts der Tatsache, dass mit dem vierten Teil das Finale der Serie erreicht sein soll, darf man gespannt sein, wohin die weitere musikalische Reise des Müllheimers führen wird – denn hoffentlich ist das "Ende der Reise" noch lange nicht in Sicht.


    "Man sagt, man sollte aufhören, wenn's am Schönsten ist/
    Und deshalb geht sie jetzt, die Stimme, die schon immer für den ungekrönten Pöbel spricht/
    "



    Maximilian Lipp (Maxkulin)

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    [azlink]Bizzy Montana – Mukke aus der Unterschicht 4[/azlink]

  • Review jetzt fast zu überzogen gut, weil da gabs bessere Platten dieses Jahr. Dennoch wundervoll, dass Bizzy wieder das macht, was er am besten kann.

  • Album ist super und bin auch wieder froh, dass er den MadU Sound durchgezogen hat; Ein Hauch von Gift/Gift fand ich beide nicht so toll. Bewertung finde ich auch zu gut, weil es mir persönlich an manchen Stellen leider doch nicht gefällt.

  • Zitat

    Original von Chryztal
    bin selbst auch sehr begeistert vom Album. Allerdings halte ich "Balla Balla" und "Egal Pt. 3" für Totalausfälle.





    exat meine Meinung. Da hätte mehr rausgeholt werden können. Find das Album trotzdem recht feierbar

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