01. Intro
02. Rapbeef
03. Freundlicher Diktator
04. Kanax
05. Eines Tages
06. Borderliner
07. Rosenkrieg
08. Zwischen Zeit und Raum feat. Falco
09. Trauerweide
10. Randale
11. Ibrahimovic
12. Schüsse in die Luft feat. Sido
13. Alles rasiert feat. Celo & Abdi
14. Richtig oder falsch
15. Camouflage feat. Mark Forster
16. Outro
Die Entwicklung des gebürtigen Iraners Nazar, bürgerlich Ardalan Afshar, ist bemerkenswert: Vor fünf Jahren schon als der "österreichische Bushido" bezeichnet, werden seine Videopremieren zum aktuellen Album "Camouflage" im nationalen Fernsehen übertragen und zu Rap-Größen wie Sido oder Celo & Abdi gesellt sich, wie man mit Fug und Recht behaupten kann, Volksheld Falco als Featuregast dazu. Und als wäre das nicht genug, ist die Liste der Produzenten ebenso mit großen Namen gespickt. Unter anderem gab sich neben Abaz, Beatzarre und Djorkaeff auch Joshimixu die Ehre. Die Voraussetzungen für einen der bekanntesten Musiker Österreichs scheinen selten besser gewesen zu sein. Doch baut sich sein Erfolg auf einem qualitativen Fundament auf oder täuschen die Fassaden aus guter Promotion?
Zwei grundsätzliche Ansprüche des Künstlers an sich selbst lassen sich aus dem Sound und Inhalt des Albums entnehmen: Vielseitigkeit und Prägnanz. Dass mit dem Versuch nicht immer der Erfolg kommt, sollte klar sein. Ob Nazar auch mit dieser Platte seinen Ansprüchen gerecht werden kann, wird schon mit der Beatauswahl angedeutet. Denn von episch anmutenden Piano-Beats wie im "Intro" über poppige Violinen-Melodien in "Zwischen Zeit und Raum" bis hin zu knallenden, orientalisch angehauchten Bassfeuerwerken wie etwa bei "Rapbeef" ist dem Protagonisten die Vielseitigkeit gelungen. Ein Effekt, der wohl der großen Zahl an Produzenten zuzuschreiben ist. Eines geht mit diesem breiten Spektrum an Instrumentals jedoch zwangsweise verloren: die Einheitlichkeit. Es gibt keinen "Camouflage"-Sound, eine Identifikation oder Einzigartigkeit à la "Hinterland" oder "Yeezus" ist nicht auszumachen. Das macht letztlich jeden Song austauschbar und lässt die Musik im Einzelnen gut erscheinen, ein Gesamtwerk, ein individueller Sound ist Nazar aber nicht gelungen.
"Eines Tages gründe ich die Schwarzkopf-Partei/
Nach dem Wahlbetrug bin ich nur noch paar Wochen frei/
Die Medien berichten, was für ein Arschloch ich sei/
Denn ich brach' mit Kanaken in das Wahllokal ein/"
(Nazar auf "Eines Tages")
Ein großes "Hurra" bahnt sich bei solchen Zeilen einen Weg in meinen Kopf. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern, die im Zuge ihrer wachsenden medialen Präsenz seichtere Töne anspielen, ist von Nazars politischem Engagement, der Wut auf Missstände und der Deutlichkeit seiner drastischen Worte nichts verloren gegangen und das macht doppelt Spaß. Einerseits, weil wir alle Spektakel mögen, andererseits weil Nazar dank der breiteren Hörerschaft mehr Anklang mit seiner Meinung findet. Songs wie "Rapbeef" oder "Randale" stützen diesen altbekannten Spaß noch einmal. Während sich der Künstler textlich von der einen Richtung nicht abgewandt hat, kommt eine neue Facette hinzu. Das heiß ersehnte Falco-Feature ist sinnbildlich für diese Richtung: "Zwischen Zeit und Raum" ist der wohl beste Track der Platte – und das ist hauptsächlich der Wiener Legende geschuldet. Auch wenn er sich niemals ins HipHop-Genre einordnen lassen wollte, flowt Falco über den Beat mit einer Eleganz und Einzigartigkeit, wie sie noch heute konkurrenzfähig ist. Die Ohrwurmhook setzt dem Ganzen zwangsweise die Krone auf. Gut ist dies zwar für die Single an sich, Nazar selbst lässt es jedoch in einem weniger guten Licht dastehen. Seine Parts gehen mangels Besonderheit unter, die Zeilen wirken konstruiert und stumpf. Damit wäre der Hauptkritikpunkt, der all die guten Ansätze schmälert, auch schon gefunden.
"Du bist die Königin von Eschnapur/
Und du trägst zumeist nur die Armbanduhr/"
(Falco auf "Zwischen Zeit und Raum")
Nazar gelingt definitiv an der ein oder anderen Stelle eine zitierwürdige Zeile, eine Hook zum Mitrappen oder eine technisch raffinierte Reimkette. Und Tracks wie beispielsweise "Trauerweide" oder "Richtig oder falsch" haben interessante Konzepte. So steht besagte Pflanzenart sinnbildlich für den inneren Schweinehund: Man selbst kommt nicht voran und geht in ihrem Schatten dahin. Das "Weiterdenken", die Pointe oder die persönliche Note fehlen allerdings. Wirklich jeder Featuregast stößt ihn mit einer Wucht aus dem Mittelpunkt, Sido liefert zwar nicht eine Glanzleistung, seine Representer-Versuche überschatten jedoch allemal Zeilen von Nazar wie "Räume alles ab, so wie Butler nach dem Essen" auf "Schüsse in die Luft". Eines bricht jedoch daraus aus: der Titeltrack, der traditionell besonders und individuell ist. Ein Glanzstück sollte es werden, das merkt man schon in den ersten Takten des Beats. Zu melancholischen, minimalistischen Pianomelodien gesellt sich die ruhige Stimme des Rappers. Das Konzept des Songs ist originell, der Rap endlich einmal mehr als nur gelungen und auch wenn sich viele an ihm zu stören scheinen, macht Mark Forster mit seinem Gastauftritt daraus noch einmal einen tollen Höhepunkt zum Ende des Albums.
"Parallelgesellschaft, Kaufkonsum/
Um uns auf Statussymbolen weiter auszuruh'n/
Stechen uns Tattoos, um anders zu sein/
Und lächeln fröhlich in unsere Kameras rein/"
(Nazar auf "Camouflage")
Fazit:
Vielseitigkeit und Prägnanz sind als "erledigt" abgehakt. Dazu kann Nazar auch noch rappen. Doch das war es leider auch schon. Ich spüre kaum Mut oder außergewöhnlichen Einfallsreichtum auf "Camouflage". Logisch, viele Sparten werden abgedeckt, vom kraftvollen Battletrack bis hin zur musikalischen Ballade. Der Langspieler wird sicher den Anforderungen gerecht und der ein oder andere Titel für das Radio ist vermutlich sogar dabei. Letztlich liefert dieses Werk jedoch nicht mehr als den üblichen Nazar, nur eben mit ein bisschen mehr Chartpotenzial. Es fehlen inhaltliche Weiterführungen wie auf "Fakker Lifestyle", originelle Ansätze oder einzigartige Konzepte. Ein wenig ernüchternd, denn für ein mutiges Album wäre genau jetzt der Zeitpunkt gewesen, da der Interpret sich auf dem bisherigen Höhepunkt der medialen Aufmerksamkeit befindet und seine Aussagen über Diskriminierung oder sich selbst gerade nun Gehör fänden. Doch nur mit Andeutungen im Titeltrack schafft es der Österreicher nicht aus seiner "Camouflage" heraus und liefert dem Hörer so ein solides, aber nicht ansatzweise neuartiges Gesamtprodukt.
(Max)
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