Review: Massiv – #M10



  • 01. Intro / Totgesagte leben länger
    02. M10
    03. Im Schatten der Skyline
    04. Aasfresser
    05. Musik ist mein Herz
    06. Knast oder Palast
    07. Ohne Cash geht nicht
    08. Wo sind die Kanax?
    09. Zwei Punkt Nuller
    10. Raubtier
    11. BGB X
    12. Mein hellster Stern am Himmel
    13. Fuck all you hoes
    14. Ich verbrenn die Mics
    15. Meine Bullenmarke glänzt
    16. Mit dem Rolls Royce gegen die Wand
    17. Ribéry


    Hi, mein Name ist Olli von Ollis Bums-Blog. Wenn Du mich nicht kennst, gehörst Du wohl noch zur Generation Videothek. Heute will ich Dir zeigen, wie Du genauso erfolgreich und bekannt werden kannst wie Massiv. Vergiss all das blöde Rumgelaber über komplizierte Reimstrukturen und Flow-Techniken – alles, was Du brauchst, ist ein polarisierendes Image. Kein Scheiß, Du Knecht! Hauptberuflich arbeite ich als Persönlichkeitstrainer und habe schon viele Rapper bei ihrer Imagefindung beraten. Deshalb habe ich für Dich ein 6-Punkte-Programm entwickelt, das Dir hier und jetzt die Ausarbeitung Deines ganz persönlichen Rap-Stereotyps ermöglicht.


    Erster Punkt auf der Agenda: "Der frühe Vogel fängt den Wurm". Je nachdem, ob Du Ghetto-Superstar oder das Sensibelchen mit der Gitarre werden möchtest, solltest Du schnellstmöglich entweder in eine Sozialbauwohnung ziehen oder Deine Eltern überreden, Dir ganz viele Schwestern zu zeugen. Fakt ist: Massivs Eltern sind für seine Rap-Karriere mit ihm extra aus einer Kleinstadt in das weit entfernte Berlin gezogen. Spiele in der Großstadt so lange Deine Rolle als Stereotyp durch, schnupfe Dir eine taube Nase und geh ins Fitness-Studio, bis Du dein Image todernst rüberbringen kannst. Wenn Du zum jetzigen Zeitpunkt aber schon zehn Jahre oder älter sein solltest, bist Du leider schon zu alt. Am besten lässt Du dich einschläfern.


    "Ich liebe Waffen, hab' 'ne ausgeprägte Fantasie/
    Denn schon im Kindergarten zog ich täglich Kokain/
    [...]
    Ich hatte Glück, all die Mädels waren in mich verliebt/
    Mit zarten neun hatt' ich mein' ersten Gangbang auf der Street/
    "
    (Massiv auf "Knast oder Palast")


    Alles richtig gemacht? Glückwunsch, Du bist nun ein kredibeler Jugendlicher. Im zweiten Schritt suchen wir Dir einige witzige Wiedererkennungsmerkmale, die Du in Deine Texte einbauen kannst. Ein Alltime-Classic wäre es etwa, zu erwähnen, dass Fler sich "Karotten in den Arsch schiebt". Oder Du tätigst etwas Waffen-Namedropping. Wichtig ist, dass Du das Ganze so penetrant oft wiederholst, dass der Witz den Punkt meilenweit übersteigt, an dem man sich fragt, ob Du das jetzt ernsthaft schon wieder erzählst – und man mit jeder weiteren Erwähnung nicht anders kann, als einfach nur noch fassungslos unkontrolliert loszuprusten. Was denkst Du denn, warum das RTL-Konzept so gut funktioniert? Und dann therapier doch bitte alle Mütter der Welt und spucke jedem einen ordentlichen schwarz-grünen Flatschen vor die Füße, der irgendwann auch nur zufällig Deinen Weg gekreuzt hat. Übertreib komplett. Tick so richtig aus. So viel zum Konzept von "#M10".


    "Brainwash-Community, ich fick' das ehrenlose Netz/
    Rapper hängen anstatt in 'nem Gym wie Nutten in 'nem Jet/
    Ich komm' bei Nacht durch den Schornstein – Santa Claus/
    Und leih mir deine Leder-Garnitur und deine Frau/
    "
    (Massiv auf "Mit dem Rolls Royce gegen die Wand")


    Dieser kreative Beleidigungsschwall lenkt vorzüglich von Massivs textlichen Mängeln ab: Warum Nutten in 'nem Jet hängen sollen, ist auch egal, nachdem grade 20 Mal deine Mutter penetriert wurde. Einfach niemand wird in so einem Fall noch Deine Reimsilben zählen oder Wert auf einen kongruenten Aufbau der Lyrics legen. Hau lieber ein paar stumpfe Beleidigungen mehr raus. Besonders cool kommt es, wenn Du Deine Beleidigungen wie Massiv comichaft umschreibst und die Grenze zwischen Realität und verrückter Fantasie verschwimmen lässt. Beispiel gefällig? Dann hör Dir doch an, wie Massivs "Hoden um den Mond kreisen" und er "den ganzen Weihnachtsmännern ihre Säcke zerkratzt".


    Punkt drei: Such Dir einen Produzenten, der Deinen Humor versteht und Dir die passenden, furchtbar aggressiven Beats baut. Am besten arbeitest Du über viele Jahre mit ihm zusammen und lässt Dir ganze Alben produzieren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Du hast wie Massiv auf "#M10" ein stimmiges, strukturiertes Soundbild, das sich über das ganze Album zieht. Und auch wenn es mal etwas experimenteller wird – die Beats auf "#M10" orientieren sich alle am Trap-Sound der aktuellen US-Billboardcharts – passt das Ganze dennoch ins Gesamtpaket und man hat nicht das Gefühl, der Künstler wolle einen Imagewechsel anstreben. Gut auch, dass Massiv auf Features verzichtet. Wenn Du so einen extremen Stereotyp verkörperst, stören andere Rapper nur den einzigartigen Beleidigungsschwall.


    "Ich bin der, der mit den Jordans in dein' Arsch tritt/
    Album Nummer zehn – mit dem Schwanz durch die Matrix/
    [...]
    99 Prozent all der Rapper lutschen Schwanz/
    Während sie pissen, tragen sie Pinzetten in der Hand/
    "
    (Massiv auf "Aasfresser")


    Der vierte Schritt meines 6-Punkte-Programms beschäftigt sich mit Aussprache und der Art und Weise, wie Du deine hasserfüllten Ghetto-Lines in das Mic brüllst. Du hast lange Zeit auf den Koksstein gehauen und bist ins Fitness gerannt. Jetzt musst Du zeigen, dass Du den Pain auch fühlst, über den Du rappst. Eine Neuerung auf "#M10" ist beispielsweise, dass Massiv gerne mal das Zeilenende einige Oktaven in die Höhe zieht. Das hört sich ganz wunderbar aggressiv an. Fang also an, mit Deiner Stimme zu spielen. Geh in die Booth und mach Dich von allen Einschränkungen frei, die die Gesellschaft Dir vorgibt. Kreische, brülle, weine. Diesen Zustand kannst Du sicher durch viel Meditation erreichen. Schneller geht das aber mit etwas Kokain. Schnief.


    "Mein ganzer Wagen ist mit Panzerglas beschichtet/
    Lak, ich schwör' auf alles: Mich kann nicht einmal ein Richter richten/
    Guck, seriös fick' ich Beamten-mäßig Drogendealer/
    Bei 'ner Verkehrskontrolle zieh' ich Lines mit Hertha-Spielern/
    "
    (Massiv auf "Meine Bullenmarke glänzt")


    Fazit:
    Neben vielen Songs im "BGB3"-Stil gibt es auf "#M10" auch einige Anspielstationen, die Euch zeigen, wie Ihr es nicht machen solltet: "Musik ist mein Herz" oder "Mein hellster Stern am Himmel" handeln von Gefühlen. Igitt. Einen Themensong erwarte ich von keinem Massiv-Album und das macht er wohl auch bloß, um die Fans zufriedenzustellen, die ihn schon verfolgen, seit der Mond damals in das Ghetto krachte. Dabei verliert er sich leider immer wieder in Phrasen. Das solltest auch Du lieber den Jungs überlassen, die an der Gitarre klimpern, während ihre zwanzig Schwestern im Chor dazu singen. Den skrupellosen Terrorgeilen hingegen hat Massiv fulminant drauf. Das Gesamtprodukt "#M10" ist eher wie ein B-Trashfilm zu betrachten, macht seine Sache als solcher aber verdammt gut. Ernsthaft: Ich bin schon ein kleiner Fan von der Musik des Berliners. Dass Massiv hier nur zweieinhalb Mics bekommt, liegt wohl daran, dass er die Schritte fünf und sechs meines 6-Punkte-Programms nicht gelesen hat: Die beschäftigen sich nämlich mit Werbe- und Vertriebstechniken und sind – treue Leser meines Bums-Blogs werden den Braten schon gerochen haben – gegen eine Gebühr von 50 Euro via PN bei mir erhältlich. Und da steht auch drin, wie man einen Redakteur schmiert.



    (Der_Lektor)

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    Bewerte diese CD:
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    [azlink]Massiv - M10[/azlink]

  • Der Vergleich mit dem Trashfilm trift es wahrscheinlich ziemlich gut. Entweder man feiert dieses total übertriebene und stumpfe, sieht es als gute unterhaltung oder man findet es wack. Aus rein musikalischer sicht ist es aber richtig krass gut. Also ich feier ihn.

    "Deine Seele gehört jenem der am meisten bietet/
    Ich krieg lieber weiter Prügel als mich schweigend einzufügen/
    Was nützt die Ablehnung ihrer, wenn deine eigenen Lügen/
    Die einzig plausible Alternative sein solln?/
    Dass du der Feind meines Feindes bist, macht dich nicht zu meinem Freund/
    Wir sind nicht ein Volk mein Freund/"

  • Zitat

    Original von Der_Lektor
    Du hast lange Zeit auf den Koksstein gehauen und bist ins Fitness gerannt. Jetzt musst Du zeigen, dass Du den Pain auch fühlst, über den Du rappst.


    :D


    Review sehr unterhaltsam. :thumbup:

  • Album klingt halt zu stark nach einer versuchten Booba Kopie, aber der Style steht ihm. Ist halt nur nichts eigenständiges..

  • Zitat

    Original von MS191990
    Ganz schön viel wenn man bedenkt, dass KC nur 2/6 hatte.
    Anderer Reviewer hin oder her.


    Du bist schon ziemlich dumm.


    Review hat mich unterhalten. Paar tracks aus dem album gehört und die kritik ist angemessen.

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