Review: Umse – Kunst für sich



  • 01. Intro
    02. In Aufruhr
    feat. Megaloh
    03. Feiert das
    04. Abschalten
    05. Erdbeben
    06. Irgendwo dazwischen
    07. Freunde sein
    08. Dieses Jahr
    feat. Flo Mega
    09. Immer weiter gehen
    10. Für immer dope
    11. Passepartout
    12. Steck meine Zeit in Rap
    feat. Pimf & Abroo


    Bonus-Tracks:
    13. Hey hey hey
    14. Kriege


    An und für sich gehe ich ungern in eine der heutigen Kunstausstellungen. Seit der Ansammlung von abstrakten Gemälden und Skulpturen aus Müll, die ich mir im Zuge eines Schulausflugs anschauen musste, war ich in keiner Kunstgalerie mehr. Diese moderne Abstraktion, die dort allgegenwärtig war, widersprach leider meinem Verständnis des Begriffs "Kunst". Aber so ein guter, klassischer Salvador Dalí hat schon was, trotz der surrealen Darstellung. Oder auch das, was die HipHop-Szene so auf den Straßen entstehen lässt: Nichts geht über ein schönes Graffiti, denn viele davon sind in meinen Augen einzigartige Kunstwerke. Sowas schaue ich mir gerne mal an. Mit der Musik ist es ganz ähnlich. Ich mag klassischen Sound, aber auch die Alleinstellungsmerkmale mancher Rapper. Genau das hat Christoph Umbeck: klassische Samples und einen eigenen Stil. Deshalb ist die Freude umso größer, dass ein Jahr nach "Wachstum" schon das nächste Album des Ruhrpotter Urgesteins rauskommt. Doch ist so ein Umse-Album wirklich eine "Kunst für sich" oder macht er am Ende nur "Kunst für sich" selbst?


    Um eine Antwort darauf zu finden, ist allerdings erst eine genauere Betrachtung des Werks nötig. Ausgehend vom ersten Eindruck, den man bekommt, wirkt die Platte – passend zum Cover – wie die ideale Musik für einen Sommerspaziergang am Meer. Zwar mit einer sehr knappen Dreiviertelstunde kein allzu langer Weg, aber einer zusammen mit den Künstlern Umse und Deckah selbst, die danach bestimmt auch deine "Freunde sein" werden.


    "Lasst uns einmal so tun, als wären alle Leute gleich/
    Als würd' bloß das, was du schreibst, von Bedeutung sein/
    Dass jeder jeden toleriert, sind nur Träumereien/
    Aber du und meine Mucke könnten Freunde sein/
    "
    (Umse auf "Freunde sein")


    Das Grundgerüst der meisten Kunstwerke ist eine vernünftige Leinwand und später dann der richtige Rahmen. Hierfür hat Deckah seine schönsten Samples und stärksten Melodien herausgekramt und so den passenden Untergrund für Umse zusammengebaut. Klassischer Soul und Jazz trifft auf modernen Boom bap und vermischt sich zu einem chilligen Sound, den ich mir selbst ohne Textpassagen als passende Musik für Tage im Freibad vorstellen könnte. Das geht schon im "Intro" mit Glocken und einem dazu eingespielten Jubeln los und zieht sich dann soundmäßig weiter durch die gesamte Platte. Aus seichten Klaviertönen, einprägsamen Gitarrenriffs und schallenden Trompetenklängen werden Beats geschustert, die alle ins Ohr gehen und im Kopf bleiben, dabei aber nie eintönig wirken. Deckah versteht sein Handwerk und zeigt mal wieder aufs Neue, dass er nicht ohne Grund seit jeher die Leinwände für Umses Kunstwerke zaubert. Wenn dann der ebenfalls altbekannte Zeitgenosse der beiden, Exzem, mit seinen Cuts eine Oldschool-lastige Hook für "Abschalten" liefert, weiß man, dass auch der Rahmen perfekt ist. Nun muss nur noch das richtige Bild her.


    "Jeder Pinselstrich, eine Info für dich/
    Niemand Geringeres als ich, hat deine Sinne im Griff/
    "
    (Umse auf "Passepartout")


    Dass Umse nicht gerade unbewandert ist und durchaus Ahnung von klassischer Kunst hat, beweist er auf "Passepartout". In seinem gewohnten Stil bringt er gekonnt zu Papier, inwiefern er selbst seine bisherigen musikalischen Werke als eine Art Bildergalerie sieht. Gekonnt spielt er auf die alten Meister wie Dalí oder Picasso an und weiß, wie er seinen Rap mit ihrer Kunst vergleichen kann. Doch auch sonst ist die Lyrik genau das, was der Titel verspricht: "Kunst für sich". Nur wenige wissen mit Worten so schöne Bilder zu malen wie Umse. Seine Vergleiche sind zwar ab und an von Vornherein sehr naheliegend, aber dafür straight on point, sodass man sofort weiß, was dem Hörer mitgeteilt werden will. Und plump sind Lines wie "Ist wie im Libanon: Klima, als hätt' 'n Krieg begonnen" (Umse auf "Erdbeben") bei Weitem nicht. Auch wenn das Gesamtkunstwerk hauptsächlich eines über Rap und den Künstler selbst ist, so ist es am Ende ein genial umgesetztes Bild, das man sich auch gerne öfter ansieht. Außerdem sind die etwas inhaltsschwereren Werke wie "Freunde sein" umso schöner als die, die hauptsächlich Rap für sich behandeln – und regen daher zum Nachdenken an. "Abschalten" wiederum animiert dazu, einfach auch mal genau das zu tun, denn "Tage, die man mit 'nem Lächeln beginnt, sind rar geworden". Gleichzeitig kann man es aber auch als Metapher für die heutige Zeit der Workaholics und des Burnout-Syndroms sehen. Bei "Kunst für sich" handelt sich also am Ende nicht unbedingt um ein einziges großes Kunstwerk, wie das etwas ältere Konzeptalbum des Interpreten, "Rheinisches Blatt", aber um eine Ansammlung vieler kleiner Bilder, die durch die Beats zusammengehalten werden.


    Doch in welchem Stil werden uns die Bilder eigentlich präsentiert? Ganz klassischer Rap der Jahrtausendwende mit variationsreichen Flows, sodass es nie langweilig wird. Der 31-Jährige beweist viel Herzblut, wenn er zeigt, wie gut er jede Passage auf den Punkt an die Instrumentals anpassen kann. Abwechslungsreich und mit einer markanten Stimme geht jede Line ins Ohr und nur ab und an wird das Klangbild etwas getrübt durch manch eine leicht ungewöhnlich gesungene Hook. So zum Beispiel bei "Erdbeben", wo sie außerdem noch etwas verzerrt erscheint. Oder aber die Hook von Flo Mega, die zwar gesangstechnisch gut funktioniert, aber gleichzeitig unpassend pseudo-intellektuell wirkt. Dafür überzeugen die restlichen Featuregäste umso mehr. Allen voran Pimf liefert trotz seines steigenden Hypes neben Abroo und dem Hauptinterpreten einen bodenständigen, soliden Part auf "Steck meine Zeit in Rap" ab. Somit kann man sagen, dass auch die Gast-Künstler perfekt in das Gesamtbild passen und sich weder hinter Umse verstecken müssen, noch ihn in den Schatten stellen. In diesem Sinne:


    "Das hier ist mehr als erstaunlich/
    Jeder, der nicht völlig taub ist/
    Feiert das/
    "
    (Umse auf "Feiert das")


    Fazit:
    Kurz und knapp gesagt werden dem Hörer also einige sehr beeindruckende Kunstwerke präsentiert, die hier und da zwar noch etwas tiefgründiger hätten sein können, wie es "Erdbeben" schon andeutet, aber auch so sind sie wunderbar anzuhören. Denn Umse besticht nach wie vor überwiegend dadurch, dass er seinem Stil treu bleibt. Eingängige Beats, die einfach sitzen und in meinen Ohren keinen Makel haben, sowie eine Stimme, die perfekt dazu passt. Man merkt, dass es nicht das erste Kunstwerk des Duos ist, sondern dass es sich bei Umse und Deckah um ein eingespieltes Team handelt, wie sie inzwischen sogar selbst behaupten: "Wir sind stolz zu bestehen als Band" (Umse auf "Immer weiter gehen"). So kommt man mit dieser Scheibe gut durch jedes Sommerloch, was vor allem die Oldschool-Rapfans freuen sollte, denen die Sommerhits im Radio nicht so liegen. Am Ende kann ich also durchaus behaupten: Das Album ist tatsächlich "Kunst für sich". Und für mich.



    Lukas Päckert (FlatDieter)

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  • Der einzige Vorwurf, den ich bei Umse nachvollziehen könnte, ist dass manchen die eintönigkeit aufn sack geht. Aber ich finde es ideal, zieht mich aus jedem Loch raus, macht direkt gute Stimmung und wenn man genau hinhört ist doch jeder Track anders und nur weil er dauerhaft auf boombap sample beats chillig rappt heißt es nicht dass alles gleich ist. big up 4 umse!

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