Review: Jinx – Errorkidz EP



  • 01. Armbrust + Köcher feat. Absztrakkt
    02. Ausgezeichnet
    03. Dämmerung
    feat. R.U.F.F.K.I.D.D.
    04. Horizont senkrecht feat. Imun
    05. Die Konkurrenz schläft nicht feat. Dray Durch
    06. Status Quo feat. Morlockk Dilemma
    07. Errorkidz feat. SINS, Sirviva, Grotesk, Nazz & Phase
    08. Grau in grau
    09. Elemente
    feat. der X-Men Klan
    10. Drunk Man Funk (Outro)


    "Was ham' wa denn hier? Was ist das denn? Das fängt ja gut an ... Yo, das ist die EP von Dings ... hier ... Jinx!" In einer Szene, die vor Großmäuligkeit und Selbstüberschätzung nur so strotzt und selbst Newcomer sich in ihren Liedern gerne als das Nonplusultra darstellen, wirkt der Anfang von Jinx' "Errorkidz EP" geradezu bescheiden. Allerdings scheint der Rapper, der bereits 2000 begann, erste Texte zu schreiben, allgemein nur selten die selben Ziele zu verfolgen wie die meisten seiner Kollegen. Er interessiert sich wenig für kommerziellen Erfolg und Chartplatzierungen, sondern macht Musik – aus Liebe zur Musik. Auch deshalb kann die EP kostenlos gedownloaded werden, als Statement für Kunst und Kultur. Andererseits könnte all das auch nur Fassade, die Bescheidenheit in Wirklichkeit Unsicherheit gegenüber dem eigenen Können und darüber, ob das neue Werk mit dem Debütalbum "Weirdnam" überhaupt mithalten kann, sein. Darum bleibt abzuwarten, was sich hinter dem Prolog der "Errorkidz EP" tatsächlich verbirgt.


    "Ich mach' Rapper-Leder-Bettvorleger-Sets aus meinen Battlegegnern/
    Meine Texte checkt nicht jeder, doch der Flow – ein extra edler/
    Es spitzt sich unaufhaltsam zu, als wär's ein Tetraeder/
    Ihr meint, ihr rappt echt extrem? Na gut, dann reim' ich echt extremer/
    "
    (Jinx auf "Armbrust + Köcher")


    So baut sich der Beat des Intros also zu dem bereits erwähnten Vorwort von Absztrakkt auf, der Hörer lauscht gespannt, was auf diesen scheinbar zurückhaltenden Beginn folgt und wird Zeuge davon, wie Jinx mit "Armbrust + Köcher" bewaffnet seine ersten Zeilen abfeuert. Auf den kräftigen Drums legt der 58muzik-Member wie aus dem Nichts mit energiegeladenen, aggressiven Parts los, die gefühlterweise aus einer einzigen Reimkette bestehen, während sein konstanter Flow durch gekonnten Stimmeinsatz noch bissiger und beeindruckender klingt, als er es ohnehin schon ist. Auch wenn etwas gelöster und nicht so sehr auf strenge Reimschemen fokussiert, steht ihm Absztrakkt mit seinem Part in nichts nach, sodass die beiden gemeinsam eine beeindruckende Einleitung in die EP liefern. Auch neben den anderen Featuregästen, vor denen es nur so wimmelt, macht Jinx stets eine gute Figur – egal, ob es sich um mal mehr, mal weniger bekannte Labelkollegen wie R.U.F.F.K.I.D.D., SINS und Nazz oder große Namen wie Morlockk Dilemma handelt. Die Zusammenarbeit mit Letzterem stellt sogar eines der Highlights der EP dar und kann auf dem vom gebürtigen Cuxhavener DJ s.R. produzierten Beat sowohl mit Dilemma-typischen komplexen Reimketten, Jinx' variationsreichem, schnellen Flow sowie einer mitreißenden, eingängigen Gesangshook glänzen.


    "Du denkst ans letzte Mal, den letzten, fast perfekten Tag/
    Den letzten, festen Schlaf, den fast vergessenen, besten Tag/
    An den geistigen Sommer und dann an sie/
    Und dann bemerkst du, wie sich alles im Innern zusammenzieht/
    "
    (Jinx auf "Grau in grau")


    Denn auch Jinx' Gesangstalent erweist sich als überraschend und vor allem überzeugend gut, sodass selbst ruhigere Nummern wie der leicht zuversichtlich klingende Track "Horizont senkrecht" oder das melodische "Die Konkurrenz schläft nicht" stets die passende, richtige Atmosphäre erhalten. Auf dem selbst produzierten oldschooligen Boom bap-Beat wird der schläfrigen Konkurrenz gezeigt, dass sich Sound und Rap, der irgendwie nostalgisch nach den '90er Jahren klingt, auch großartig mit eingängigem Gesang vereinen lässt, ohne, dass das Ergebnis erzwungen oder in eine Richtung gedrängt klingen muss. Allgemein schafft der Künstler es oftmals, sehr verschiedene Stile auf einer einzelnen Platte unterzubringen. Zwar mag der ein oder andere urplötzliche Stimmungswechsel im Laufe der EP beim Durchhören leicht störend auffallen, doch kann sich jeder Titel letztlich problemlos in das Klangbild einfügen und wirkt trotz unterschiedlicher Atmosphären wie aus einem Guss.
    Das beste Beispiel hierfür ist wohl "Grau in grau", welches sich zwar von den vielen schnelleren, kampfeslustigeren Titeln abhebt, dennoch aber weder störend noch unpassend, sondern ebenfalls nach hundert Prozent Jinx klingt. Während DJ Eule ein kratziges Gitarrenriff über die kräftigen Drums schrammen lässt, erzählt der Rapper mit sehr sprechlastigem Flow von den farbloseren Seiten des Lebens, was raptechnisch nicht ganz flüssig wirkt, die einzelnen Aussagen dafür umso eindringlicher und persönlicher klingen lässt. Selbst klischeehaftere oder phrasenschwangere Zeilen kann der Wahlkölner überzeugend vermitteln, da allein schon durch die Emotionen, die in seiner Stimme mitschwingen, klar wird, dass er das, was er sagt, auch tatsächlich so meint. Deutlich emotionaler und nachdenklicher als auf den eher battlelastigen Tracks der EP gelingt es Jinx auch problemlos, unterschiedlichste Gefühle darzustellen und zu beschreiben, ohne pathetisch zu klingen, was die "Errorkidz EP" sowohl inhaltlich, als auch vom Klang her bedeutend bereichert und großartig abrundet.


    Fazit:
    "Was ham' wa denn hier?" – einen talentierten, vielseitigen Künstler, dem so gut wie alles, vom aggressiven Battle bis zum gefühlsbetonten Rückzug, zu liegen scheint. "Was ist das denn?" – eine EP, die vielseitig und variationsreich, dennoch aber kompakt und stimmig wirkt. "Das fängt ja gut an." – und hält diesen mehr als positiven Eindruck zu jedem Moment problemlos aufrecht. "Yo, das ist die EP von Dings ... hier ... Jinx!" – mit welcher der Künstler ein beeindruckendes Statement geschaffen hat und zeigt, dass die Liebe zur Musik auch ohne kommerzielles Ziel in der Lage ist, ein Werk zu schaffen, das mit den meisten Releases mithalten kann, für die der Hörer Geld bezahlt. So entpuppt sich die Möglichkeit, auf der Bandcamp-Seite von 58muzik eine Spende für das Downloaden der "Errorkidz EP" leisten zu können, weniger als eine Option, sondern viel eher als eine Pflicht, um einen Rapper zu unterstützen, dem es nicht um die Kohle, sondern hauptsächlich um die Kunst geht.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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