Review: Kontra K – Wölfe



  • 01. Wölfe
    02. Ratte
    03. Adrenalin
    04. Erde und Knochen
    05. Wo sie scheitern


    "Und von perfekt sind wir so unendlich weit weg" – mit einem Hauch Melancholie übt sich Kontra K auf der ersten Anspielstation seiner EP "Wölfe" in Selbstkritik. Doch betrachtet man die Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit, so keimen Zweifel auf, ob jene Wortwahl gerechtfertigt ist. Immerhin schaffte es sein zuletzt erschienenes Album "12 Runden" im September 2013 auf Platz 8 der deutschen Albumcharts, womit der junge Berliner sowohl Kritiker als auch Fans gerade durch seine harsche Kampfsportlermentalität gleichermaßen zu überzeugen wusste. Jene Erfolge führten nicht nur zum Bezug der neuen Labelheimat FOUR Music vor wenigen Monaten, sondern weckten die Neugier der Hörerschaft in Bezug auf die Frage, ob und wie sich "der Wolf" – bekannt durch seinen eisernen Willen und sein Kämpferherz – in der neuen Gemeinschaft eingliedern wird.


    "Und von perfekt sind wir so unendlich weit weg/
    Doch was nicht umbringt, macht uns stärker – und die Hoffnung stirbt zuletzt/
    "
    (Kontra K auf "Wölfe")


    Im Gesamten betrachtet steht dieses Zitat, welches den Titelsong des Werks abschließt, repräsentativ für den Inhalt der gesamten Produktion. In gewohnt rauer Manier nimmt uns Kontra K mit auf eine knapp 17-minütige Reise, geprägt von seiner Mentalität und den heutzutage oftmals in Vergessenheit geratenen Werten, die er repräsentieren will. Dabei stehen vor allem Ehre, Respekt, Beständigkeit und speziell Loyalität sich selbst, seinem Freundeskreis und seiner Familie gegenüber im Vordergrund. All jene Größen werden in vertraut kämpferischer Art und passend zur Thematik der Titel vorgetragen, sodass ich mich wiederholt an alte Filme, speziell Gangsterpossen, zurückerinnert fühle, welche häufig ähnliche Werte als Zentrum der Handlung innehatten. Obwohl diese motivierenden und fast schon erzieherischen Worte bereits einen großen Stellenwert auf früheren Werken einnahmen, werden sie auf "Wölfe" wiederholt innovativ verpackt. Beispielsweise bietet der Künstler mit den ersten zwei Titeln zunächst die Position des Alpha-Wolfs – des "Letzten seiner Art" – sowie dessen metaphorische Relevanz für die Gesellschaft dar ("Wölfe") und stellt unmittelbar darauffolgend die Rolle der neiderfüllten Redner – der Ratten – dieser Thematik gegenüber ("Ratte"). Während diese zwei Anspielstationen noch ein erstes Highlight der EP für mich bilden, wird die angedeutete inhaltliche Richtung durch den Track "Adrenalin" abgetrennt, welcher auf die vorhandene Farblosigkeit und Tristesse der Welt auf seine eigene Art und Weise eingeht. Darauffolgend werden die letzten zwei Titel eingeleitet, die thematisch an dunklere Zeiten des Lebens anknüpfen und sich mit Selbstverwirklichung und Versagensängsten befassen, ohne dabei den motivierenden Tenor zu verlieren. Vor allem "Wo sie scheitern" entwickelt sich unter diesen Gesichtspunkten aufgrund der vermittelten Energie, der passenden Wortwahl und nicht zuletzt durch die abgerundete musikalische Untermalung zu meinem persönlichen Höhepunkt der EP.


    "Vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche/
    Zu viele offene Wunden, aber noch tragen die Knochen/
    Und ganz egal, was es kostet – ich habe immer noch genug Luft in meiner Lunge/
    Für zwölf weitere Runden in diesem versteinerten Dschungel/
    "
    (Kontra K auf "Wo sie scheitern")


    Klangtechnisch schlägt Kontra K mit "Wölfe" zwar gewiss nicht gänzlich neue Wege ein, jedoch geht er deutliche Schritte in eine musikalischere Richtung, ohne dabei die erschreckend ehrliche Art, die die Vorgängerproduktionen ausgemacht hat, außer Acht zu lassen. Dirty Dasmo, seines Zeichens ausführender Produzent der EP, unter anderem bekannt durch Zusammenarbeiten mit Hammer & Zirkel oder Sido, sorgt über die gesamte Spieldauer hinweg für eine überraschend frische Instrumentierung. Ebenjene bleibt dem Künstler Lied für Lied größtenteils treu und bietet Gewohntes, von dominanten Synthesizern über brummende Bässe bis hin zu gewissen Aspekten des Elektro-Bereichs. Weiterhin werden auch wieder Vocal-Samples in altbekannter Manier genutzt – in diesem Fall zum Beispiel als eine Hommage an eine Kinderserie ("Adrenalin"). Allerdings findet sich eine Neuerung in der Tatsache, dass auf diesem Werk häufig – "Adrenalin" mal ausgeklammert – langsamere aber prägnante Spuren im Hintergrund eine natürliche Ruhe vermitteln und somit eine gewisse Konstanz abseits des Trubels schaffen. Diese Veränderung rückt das altbekannte Klangbild durch eine ungewohnte Weite in ein neues Licht und verziert es mit einem gelungenen Tiefgang. Obwohl der dargelegte Hang zur Musikalität alteingesessene Fans abschrecken könnte, zeigt die an den Tag gelegte Offenheit der Instrumentierung, wie sichtlich wohl sich der Künstler auf den Produktionen fühlt. Jene Zufriedenheit zeichnet sich vor allem in dem maßgeschneiderten, provokant abgehackten Flow und der generell an den Tag gelegten Präsenz ab, die dafür sorgt, dass der Hörer wahrlich mitgerissen wird. Lediglich "Erde und Knochen" sowie "Adrenalin" bieten mir zwei Kritikpunkte. Während Ersterer zwar passend und thematisch stimmig instrumentiert wurde, ist mir persönlich jene musikalische Untermalung auf ihre Art und Weise zu ruhig, lasch und fast schon gewollt energielos. Im Gegensatz dazu bietet mir "Adrenalin" mit dem Refrain einen der beständigsten und zugleich schlimmsten Ohrwürmer, die mich in letzter Zeit gepackt haben. Obwohl ich persönlich ein großer Fan künstlerischer Experimentierfreudigkeit bin, trifft die Form von Gesang, die hier dargeboten wird, nicht meinen Geschmack, was nicht zuletzt an den extrem betonten und lang gezogenen Zeilenenden liegen könnte. Zum ersten und einzigen Mal auf der Produktion wünsche ich mir, dass Kontra K für einen Moment zum Schweigen kommen und die Hook nur aus der gelungen adaptierten "Pippi Langstrumpf"-Zeile bestehen würde.


    "Denn euer Grau machen wir zu bunt/
    Die Drips an der Wand, die Tinte im Blut/
    Adrenalin – wir war'n schon hier/
    Ich surfe dein' Zug – also, was willst du tun?/
    "
    (Kontra K auf "Adrenalin")


    Fazit:
    Wie hört man es so oft: "Künstler sind doch auch nur Menschen." Und Menschen entwickeln sich über die Jahre hinweg. Auch Kontra K wurde von dieser Entwicklung nicht verschont. Während er sich vor einigen Jahren noch durch sein Debüt "Dobermann" präsentierte, geht er mit der Wandlung zum selbsternannten Rudelsführer der "Wölfe" große Schritte in eine musikalische und vielleicht auch massentauglichere Richtung abseits des Hundelebens. Dabei verliert er allerdings nicht den Biss, der ihn ausmacht und dahin gebracht hat, wo er heute steht. Vielmehr wirkt es so, als hätte der Künstler eine gewisse Form von Ruhe in seinem Leben gefunden, welche sich in der EP mehr als treffend widerspiegelt. Zwar sind es nur fünf Lieder, die gewiss geringe Ecken und Kanten bereithalten, beispielsweise auf "Erde und Knochen" oder "Adrenalin", allerdings wirkt es im Gesamtprodukt passend und stimmig, da gewisse Lückenfüller, die auf früheren Werken vorhanden waren, gänzlich ausgemerzt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass Kontra K ein ähnlich hohes Niveau für weitere Projekte mit längerer Spieldauer bereithalten kann – in jedem Fall bin ich aber überzeugt, dass er alles dafür versuchen wird.


    "Und auch wenn dann alles brennt, kann ich seelenruhig in Flammen steh'n/
    Denn ich hab' mein Bestes gegeben, dagegen anzugeh'n/
    "
    (Kontra K auf "Wo sie scheitern")



    Lukas Maier (Maierstro)

    [REDBEW]1571 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1571 [/reframe]
    [azlink]Kontra K - Woelfe [/azlink]

  • Sehr krasse EP geworden, ''Wo sie scheitern'' und ''Adrenalin'' sind meine Favoriten und laufen noch im Loop.


    Auch eine gute, bzw. treffende Review. :thumbup:

    you son of a bitch, she said, I am
    trying to build a meaningful
    relationship.


    you can't build it with a hammer,
    he said.

  • Ich bin glaube ich der einzige Mensch der diesen Semi-Sing-Sang und die noch dazu relativ ausbaufähigen Texten nicht feiert. Vielleicht ist das auch nur ein falsches Bild, welches ich von ihm habe. Werde mir noch bisschen mehr vom Album anhören.

  • Zitat

    Original von Ey7brudi
    Ich bin glaube ich der einzige Mensch der diesen Semi-Sing-Sang und die noch dazu relativ ausbaufähigen Texten nicht feiert. Vielleicht ist das auch nur ein falsches Bild, welches ich von ihm habe. Werde mir noch bisschen mehr vom Album anhören.


    Finde Kontra K auch ziemlich bescheiden.

  • Zitat

    Original von absurd


    Finde Kontra K auch ziemlich bescheiden.


    Könnt ja mal in den Sammelthread gucken, entweder es gefällt euch oder nicht, was natürlich auch okay wäre, ist halt alles Geschmackssache.

    you son of a bitch, she said, I am
    trying to build a meaningful
    relationship.


    you can't build it with a hammer,
    he said.

  • Zitat

    Original von absurd


    Finde Kontra K auch ziemlich bescheiden.


    Sound ist halt geprägt von Pathetik und Plattitüden, braucht man auf jedenfall ne gewisse Affinität für.
    Adrenalin bester Track, EP an sich atmosphärisch top :thumbup:

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!