unknown Kings: Juli 2014

  • Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf Facebook oder Massenmails im Instant Messenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: "Hey, ich habe mein Album fertiggestellt! Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab." Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre, wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Beginn des Internetzeitalters rumgeistern, ist das nahezu unmöglich. Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem – da kann er ja (meistens) nichts falsch machen – während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen. Mit dieser Rubrik haben wir uns das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die unserer Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypter Internetgrößen zu finden sein noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen. Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.





    Kobito – Blaupausen


    Kombination aus Bild und Ton, kurz: "Kobito". So leicht kann man sich in einer einfachen Biologiestunde einen Künstlernamen für die Ewigkeit basteln. Zumindest ist das die Geschichte des Audiolith-Künstlers, dessen mittlerweile neunte Veröffentlichung gerade erschienen ist. Mit "Blaupausen" setzt Kobito da an, wo er es immer schon tat: bei kindlichen Gedanken. Beim Spielen mit Knetgummi, während er eigentlich Vertragsverhandlungen führen sollte. Er entführt den Hörer in eine Welt, in der seine Musik reine Auslegungssache ist. In der seine Musik zu Identifikation führen soll mit den eigenen, kindlichen Fantasien. In der seine Musik diese eben wieder wecken soll. So bewegt er sich beispielsweise leichtfüßig auf einem verträumten Instrumental ins "Lummerland", eine Sphäre, die bei einem Erwachsenen, der Kobito nun einmal ist, vor alltäglichen Problemen einzubrechen droht. Die Untermalung klingt dabei stets so verträumt und seicht, wie es sein Rap tut – wer nur auf die Beats achtet und "Blaupausen" nebenbei genießt, wird förmlich dazu eingeladen, in eine andere Welt, in Kobitos kindliche Erinnerungen, einzutauchen. Alternativ behandelt er eben auch das Weltgeschehen, das nicht an einem jungen Kopf vorbeigehen kann ("Wut"). Zwischen Homophobie und Gewaltmissbrauch wächst eben nicht nur ein Kindskopf, sondern auch ein steter Weltverbesserer auf, der immer bemüht wirkt, seinem Hörer trotzdem noch genügend Interpretationsspielraum zu gönnen, um sich seine eigenen Gedanken zu bilden. So viele Leute, die das aber trotzdem nicht nutzen. Da kann einem schon einmal der Glaube und die Hoffnung vergehen, dass die Welt fair ist, wie er gemeinsam mit einem französischen Feature von Mal Élevé auf dem gleichnamigen Track erkennt. Mehr als musikalisch fällt vor allem auf, wie vielseitig sich Kobito nach fast zehn Jahren als Rapper präsentieren kann. So schafft er es, auf "Wahre Liebe" einen fast schon südamerikanisch angehauchte Frauengesang mit Oldschool-Scratches in der Hook zu kombinieren, ohne dass es ansatzweise unstimmig wirkt. Mit "Blaupausen" beschreibt Kobito sein Album eigentlich fast selbst am besten: Er liefert das musikalische Gerüst, das Haus kann sich der Hörer dann selbst nach Belieben, Geschmack und eigener Meinung bauen.


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    BEKS – Nichts


    Wer das Genre "Pop-Rap" hört, denkt vielleicht an eine Neuformulierung des "Raop"-Stils, der ja erst jüngst vom Rapper mit der Pandamaske etabliert wurde. Dass diese Musikrichtung aber viel mehr zum Jungtalent BEKS gehört, könnte man durchaus auch schon erfahren haben. Schließlich hat der gebürtige Ukrainer schon 2008 das Wort geprägt. Mittlerweile, zwei weitere Releases später, ist er allerdings im "Nichts" angekommen, womit man natürlich nur seinen Albumtitel nennt und keineswegs seine musikalische Laufbahn beschreibt. Genau so, wie sein selbst angeeignetes Genre klingt, hört sich auch die neueste Platte des Rappers an. Fröhlich, unverkrampft, lässiger Tonfall, stets mit einem Schmunzeln formuliert. Wenn er grade vom neuesten Beziehungskrach auf "Mit meinem Weibchen" berichtet, rappt er das genauso locker und lässig runter wie seinen typischen Clubgang als "Mann mit dem Molly", der am Ende wohl aus allen möglichen Gründen die Frauen kriegt. Wenn BEKS dann doch einmal ein paar tieferschürfende Töne anbringt ("Angst vor der Wahrheit"), behält er seinen sehr exklusiven Beatgeschmack bei, der stets an deutschen Schlager oder Ballermannklassiker erinnert. Dazu passend unterstreichen die teils melodisch gesungenen Hooks das Gesamtbild des Poprappers. Stimmige Hooks, lustige Instrumentals mit einfallsreichen, pointierten Zeilen – für das stand BEKS früher schon. Und das ändert sich mit seinem vierten Album "Nichts" auch nicht.


    Das neue Album "Nichts" von BEKS bei iTunes kaufen





    Tighty & Dieser Morten – Die Allgemeine Oldschoolreife


    Die Abiturienten 2014 haben alle bereits ihre langersehnten Abschlussnoten bekommen und müssen hoffentlich nie wieder in die alteingesessene Bildungseinrichtung, doch die Schüler von der Newschool müssen noch eine Runde pauken, denn Tighty fordert mit seiner neuen EP "die Allgemeine Oldschoolreife" ein. Wie ernst er das meint, wird schon klar, wenn der Big Chief, bekannt vom Battle-Format DLTLLY, im "Intro" auf dem Sample von "Der Pate" die Ernsthaftigkeit der Lage unterstreicht. Dass der Rapper selbst den Abschluss schon hat, beweist er uns direkt auf dem ersten Track, wo er uns auf einem Beat von Dieser Morten, der alle Beats zu diesem Release beisteuerte, feinsten Battlerap präsentiert. So, wie der Titel es schon sagt, klingt die EP tatsächlich auch. Oldschool-lastig wie selten ein Release dieses Jahr klingt das neue Werk von Tighty & Dieser Morten. Was darf da nicht fehlen? Natürlich! Scratches in der Hook. Die steuert der "Rap am Mittwoch"-Stamm-Disc Jockey, DJ Pete, ebenfalls gerne bei. Zwei Tracks, zwei Mal sind Leute mit Bezug zur Live-Battle-Szene zu hören – und das Muster setzt sich konsequent fort. Mit Gozpel und Main Moe sitzen da zwei weitere, bekannte Namen im Boot. Alle liefern auf den fünf Songs Battlerap, der wohl auch als Live-Runde funktionieren würde. Und genau so klingt das Produkt auch: wie eine bessere Battlerunde. Die willkommene Ausnahme bildet da der Track "Authentisch", auf dem Tighty "Ghetto-Melodien für mehr street credibility" singt und fordert. Erfrischend leicht, locker geflowt und mit dem passenden Oldschool-Flavour – "Die Allgemeine Oldschoolreife" muss nicht jedem gefallen, doch für Fans der Oldschool-Richtung ist die EP ein Muss!


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    Mason Family – Kampfhund EP


    Der Ausdruck "von null auf hundert" beschreibt die Mason Family eigentlich ganz akkurat. Da hört man von Cinemah und Kama praktisch nichts vor 2014. Plötzlich battlen sie im VBT um den Splash!-Opener mit, treten bei weiteren Turnieren erfolgreich auf und bringen eine Veröffentlichung nach der nächsten. Nach dem ersten Album und einem Platz auf dem bald erscheinenden "König ohne Krone"-Sampler veröffentlichte die Mason Family nun die "Kampfhund EP", gefüllt mit den für die beiden MCs üblichen, angriffslustigen Beats und harten Punches. Dabei fast schon typisch: osteuropäische Geigen im Intro "Ich ficke!". Zuerst noch ruhig, setzen aggressive Drums ein und dann – meist im Doubletime – beginnt schon das Geflexe der Rapper. Nicht immer geht es der Mason Family da um extra präzise gesetzte Punches, sondern auch um den "Yuri Boyka-Flow". Der klingt genauso hart wie punktgenau auf dem knallenden Beat maßgeschneidert, perfekt abgestimmt auf die ungewöhnlichen Stimmen von Cinemah und Kama. Neben der Musik scheinen die Jungs auch ganz gern zu zocken – zumindest hört sich das so an, wenn sie ihre Punchlines mit spielespezifischen Pointen versehen ("Egoshooter"). So gibt die Mason Family den "Drecks-Cops 'nen Headshot wie bei Black Ops" und stellt auf dem hart nach vorne gehenden Instrumental fest: "Cheaten heißt nicht, dass du deine Alte betrügst". Man merkt, dass die zwei Rapper eben immer mit dem nötigen Quäntchen Humor an ihre Musik herangehen. So wirkt der Kampfhund am Ende doch nicht ganz so gefährlich, sondern eher sympathisch – genau wie die beiden Rapper eben selbst auch.


    Mason Family – Kampfhund EP – kostenfreier Download




    Du kennst jemanden (oder bist gar selbst der Meinung, dass du jemand bist), der dem Titel "Unknown King" gerecht werden kann? Diese Person hat erst vor Kurzem einen Tonträger oder Freedownload veröffentlicht, der eine Erwähnung in diesem Artikel wert ist? Schick eine Bewerbung mit dem Betreff "Kings – *Künstlername*" an [email protected]. Bitte beachtet aber, dass wir nicht auf jede Anfrage persönlich antworten können. Ihr werdet sehen, ob das Release dann letztendlich seinen Platz in dieser Sammlung findet. Viel Erfolg!



    (Sven Aumiller)

  • ich find super das ihr endlich über beks berichtet spricht für die seite! ich stimme auch der review im gesamten soweit zu, da sie ja positiv ausfällt. aber ich hab irgendwie so ein gefühl der autor hat nicht das ganze album gehört sondern nur die lustigen sachen und sich darauf beschränkt .:rolleyes:
    weil das seine beats "an deutschen Schlager oder Ballermannklassiker" erinnern ist purer nonsens auf albumlänge gesehen. nur weil ein track -helenes fische- heißt und er paar ironische tracks hat oder was? :tongue:
    denn eigentlich ist das halbe album ist sehr dunkel gehalten und ist genau das gegenteil von fröhlich wenn man bedenkt wie es bzw die story dahinter endet ;)
    die besten tracks wurden dazu komischerweise nicht einmal erwähnt denn
    -nichts-, -zusammen allein-, -der beat lügt- oder -nicht gut genug- sind einfach top. also gerade da spielt er seine lyrischen stärken richtig aus.


    aber trotzdem cool auch das das mal einer erwähnt das pop/rap von beks kommt, auch wenns mit cro kaum was zu tun hat. respekt und gute arbeit!

  • nur wegen den kommis hab ich mir tighty reingezogen. :D
    ihr hattet leider recht :D


    bei beks kann ich iamotis nur zustimmen, etwas komische review. was mir noch aufgefallen ist, es sein 3. album, nicht sein 4. aber gut das ihr ihn erwähnt.

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