01. Dreams
02. Emma
03. DVD Abend
04. Du nahmst ihn zur Frau
05. Fressen
06. Input
07. Scheiß auf den Ehering
08. What blows around cums around
09. Rapper sind schwul (Skit)
10. ??? feat. Jason
11. Einer muss es ja tune
12. Geld oder Liebe
13. Tod
14. Feige Welt
15. Wolken
16. So viele Fragen
17. Nicht mit mir
Lange ist es her, dass mit "Re Generation" das Debüt eines vielversprechenden Hamburger Rappers zum kostenfreien Download veröffentlicht wurde. Einige Zeit – und bekanntermaßen auch einige Battles – später ist aus 4tune ein alles andere als unbekannter Rapper mit beachtlicher Fanbase geworden. Einige Fragen stellen sich zwangsläufig beim nun nach etlichen Verzögerungen doch noch erschienenen, ersten "richtigen" Release des Künstlers. Was ist die stilistische Richtung, die eingeschlagen wird? Worauf wird der künstlerische Fokus gelegt? Wohin wird der Weg des Rappers in Zukunft wohl gehen? Hoffentlich bringt die Auseinandersetzung mit "Einer muss es ja tune" Aufschluss darüber.
"Und es ist jedes Mal das Gleiche/
Wir beide wollen bloß ficken, doch die Leute reden Scheiße/
Du bist die Schlampe und ich das blöde Arschloch/
Scheiß auf die Klischees, lass uns ficken, bis der Arzt kommt/"
(4tune auf "DVD Abend")
Wenn Battle-MCs sich daran machen, sich von den bewährten Pfaden zu entfernen und als "normale" Rapper Fuß zu fassen, ist zunächst besonders schwer vorherzusagen, was den Hörer inhaltlich erwartet. 4tune scheint zu einem Teil daran gelegen zu sein, eine Art Player-Image zu kreieren, was sich zum Beispiel im Track "DVD Abend" äußert, welcher die Lust nach Sex ohne jegliche Gefühle und Verpflichtungen thematisiert. Er ist jetzt erfolgreich, hat es geschafft und genießt sein Leben nicht selten in Form des Intimitätenaustauschs mit Frauen. Bekanntermaßen gibt es einige Rapper, bei denen es nicht viel mehr braucht, um ihr (erfolgreiches) Konzept zu beschreiben. Fährt ein Newcomer aber nun dieselbe Schiene, sollte er meines Erachtens nach etwas mitbringen, was ihn von den bereits etablierten Künstlern abhebt, sei es zum Beispiel ein außergewöhnlicher Style oder ein besonderer Humor. All das vermisse ich bei 4tune leider. Entweder liegt es daran, dass ich den Humor des Hamburgers nicht teile oder er kommt beim Hören des Albums einfach nicht bei mir an. Ein Beispiel dafür ist "Du nahmst ihn zur Frau": Sie ist der Mann in der Beziehung, "er entpuppte sich als Pussy". Ich vermute stark, dass der Track lustig und unterhaltsam wirken soll, aber dafür ist das Konzept als solches zu wenig raffiniert und die Umsetzung zu monoton. Tausende Beispiele aufzuzählen, warum er die Frau und sie der Mann ist, bringt mich einfach nicht zum Lachen, wenn die Umsetzung nicht dieses gewisse Etwas hat.
Des Weiteren wird ein Großteil des Albums von Texten eingenommen, in welchen sich Tune kritisch mit der heutigen Gesellschaft und dem Verhalten der Menschen auseinandersetzt. Eine solche Analyse unserer Welt ist lobenswert und Rap bietet eine gute Basis dafür. Leider wirkt vieles, was uns dazu auf diesem Album präsentiert wird, aber nicht besonders komplex und tiefgehend aufbereitet. Wichtige Themen anzusprechen reicht nicht, um einen guten, deepen Rap-Track zu schaffen. Ich möchte dem Künstler keinesfalls vorwerfen, die thematisierten Probleme nicht wirklich ernsthaft behandeln zu wollen, seine Umsetzungen dieser Themen auf dem Album überzeugen mich aber einfach nicht. So auch beispielsweise, wenn er die Geschichte von "Emma" erzählt: "Hätte sie bloß nie damit angefangen, Drogen zu nehmen, denn jetzt kann sie nicht mehr ohne sie leben". Die Mischung aus "Tragische-Geschichte-Erzählen" und "Lass uns Sex haben, Bitch" ist für mich alles andere als rund. Die enthaltene Gesellschaftskritik – konzentriert in einem langgezogenen "Diese verlogene Welt" – kommt beim Hören einfach nicht durch. Gesellschaftskritischer Rap kann so tiefgehend, komplex und raffiniert sein. Hier ist er das für mich leider größtenteils nicht:
"Wir vergessen, was es heißt, wir selbst zu sein/
Ohne dass wir wussten, dass es heißt, ein Mensch zu sein/"
(4tune auf "So viele Fragen")
Abgesehen von der inhaltlichen Betrachtung, ist es spannend, zu beobachten, welche musikalische Richtung Künstler auf ihrem Debüt einschlagen. Eins vermisst man auf diesem Album besonders: einen roten Faden. Man mag es facettenreich nennen. Oder eben auch unstimmig. Das ist sicherlich Auslegungs- und Geschmackssache. In meinen Augen trifft es unstimmig hier besser. Da sind zum einen die Beats, welche sich aus wirklich schönen Klaviermelodien und einem dann einsetzenden 08/15-Beat zusammensetzen. Schlecht ist das nicht, aber eben auch nicht herausragend toll. Der Sound klingt austauschbar und wie schon hunderte Male gehört. Dazu gesellen sich zum anderen durchaus außergewöhnliche musikalische Untermalungen, die prinzipiell erst einmal eine wunderbare Grundlage für eine Klangkulisse bilden könnten, welche im Kopf des Hörers hängen bleibt. So ist vor allem Dollar Johns Beat zu "Geld oder Liebe" mit seiner eingängigen Klaviermelodik und der immer wieder kurz einsetzenden Orgel als auffällig kreativ und nachhallend hervorzuheben. Das Problem in meinen Augen ist aber, dass auf diesen außergewöhnlichen Beats nicht besonders innovativ, spannend oder einzigartig gerappt wird. Atmosphäre kommt nur auf, wenn sie von musikalischem Hintergrund und Rap zusammen kreiert wird. Daher können selbst die starken Beats der Platte nicht viel rausreißen – man könnte sagen, Tunes Rap kann zuweilen nicht mit seinen Beats mithalten. Dies ist jedoch nicht als Kritik an der Technik des Künstlers gemeint: Man kann 4tune keinesfalls absprechen, technisch sauber zu rappen und sich auf Augenhöhe mit etablierten Künstlern zu bewegen. Vielleicht kann die Platte gerade Technik-Fans erreichen. Vor allem seine Battles haben stets gezeigt, dass der Hamburger begabt darin ist, vieles aufeinander zu reimen und dies auch in ein ansprechendes Flow-Gewand zu verpacken. Auf mich droht dies aber auf Dauer monoton zu wirken. Es ist in den meisten Fällen eben ein typischer Tune-Flow. Ob einem dieser auf längere Zeit zusagt oder nicht, ist vermutlich reine Geschmackssache. Was Wortspiele – zum Beispiel in Form von Wie-Vergleichen – angeht, ergibt sich für mich in den meisten Fällen erneut das Problem des nicht geteilten Humors:
"Yeah, ich hab' hier den größten Dick/
Und das ist wie deine Mutter – schön für mich/"
(4tune auf "What blows around cums around")
Fazit:
4tunes erstes "richtiges" Album lässt vor allem eines vermissen: ein Konzept, einen roten Faden. Dies bezieht sich auf den Inhalt und auf das Musikalische. Der Kernpunkt der Kritik bezüglich des Inhalts ist folgender: Wenn ich Macho-Rap oder gesellschaftskritischen Rap hören will, werde ich nicht zu diesem Album greifen, dafür bietet mir Tune einfach zu wenig Finesse, zu wenig Originalität und zu wenig Einzigartigkeit. Allgemein weiß man auch nach mehrmaligem Hören immer noch nicht so ganz, was einem da gerade präsentiert wurde. Wenig bleibt hängen und kein, nur 4tune auszeichnendes Merkmal ist erkannt worden. Außerdem wirkte kein Song – zumindest bei mir – besonders lange nach. Was ich da vor mir habe, ist eine Sammlung unterschiedlichster Tracks eines durchaus begabten Rappers, welche aber als Gesamtwerk nicht funktionieren. "Einer muss es ja tune" ist kein Album, das noch lange nach dem Abschalten im Gedächtnis bleibt. Auch wenn man keinem Rapper wünscht, für immer auf seine Battles reduziert zu werden: Zumindest mir geben diese deutlich mehr als das Album. Vielleicht muss Tune aber einfach noch ein wenig herumexperimentieren, um schlussendlich den Rap zu finden, in dem er vollends aufgeht.
(GameofMo)
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