Review: Sorgenkind – Sommerloch EP



  • 01. Sorgenking is back
    02. Sommerloch
    03. Schöne Barfrau
    04. Umsonst
    05. Ich bleib
    06. Outtakes


    Mit steigender Temperatur wird es immer größer, verschlingt relevante Nachrichten und ersetzt sie durch Berichte über Z-Promis und niedliche Tiere in irgendwelchen Zoos. Aus seinem Inneren dringen kitschige Popsongs, die zunächst landesweit mitgegrölt werden, nach spätestens drei Wochen dem Großteil der Bevölkerung aber schon wieder auf die Nerven gehen. Die Rede ist vom "Sommerloch". Nikolai Haug, das Sorgenkind der Eypro-Familie, widmet besagtem Phänomen nun eine ganze EP. Blickt man auf seine bisherige Diskografie, stellt sich jedoch die Frage, was genau den Hörer der "Sommerloch EP" erwartet. War das Debütalbum "Weltretter auf Jobsuche" noch gespickt von Selbstironie und jugendlicher Frische, so klang derselbe Künstler drei Jahre später auf seiner Reise "von A nach X" deutlich erwachsener, melancholischer und selbstreflektierter. Um nun die Frage zu beantworten, ob er, passend zum Titel des neuen Werks, zu seinen lockerleichten Wurzeln zurückkehrt oder die neugewonnene Ernsthaftigkeit beibehält, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich kopfüber in die "Sommerloch EP" zu stürzen.


    "Mein Königsmantel ist mir im Trockner eingegang'n/
    Und meine Krone hab ich dem Pfandbüro gelieh'n/
    Mein Pferd und meine Wächter sind im Moment noch leider krank/
    Mein blödes Zepter liegt nicht abgespült bei mir/
    "
    (Sorgenkind auf "Sorgenking is back")


    Zunächst klingt das Ganze nach ersterer Variante. Ein euphorischer, poppiger Beat, der, wie auch die restliche EP, vom Stuttgarter Cop Dickie produziert und – wie ein Großteil der Platte – von Plot-Mitglied Elias zusätzlich mit Gitarre- und Basssound versorgt wurde. Auf "Sorgenking is back" spielt der Rapper das Stehaufmännchen, das seine Niederlagen und Rückschläge nie so ganz wahrhaben will und nur allzu gerne romantisiert. So flaniert der sympathische Verlierer durch seinen beschönigten Alltag und schmettert eine Hook, die so eingängig und mitreißend ist, dass man den Wunsch verspürt, sich der boygroupmäßigen Choreografie hinzugeben, nach der der Track einfach verlangt. Bis hierhin scheint die EP mehr in Richtung "Weltretter auf Jobsuche" zu gehen und dem sonnigen Namen gerecht zu werden. Doch bereits der zweite, titelgebende Track stellt einen deutlichen Kontrast zum fröhlichen Anfang dar. Zwar findet sich auch hier eine frische Cop Dickie-Produktion, die sanfter und in den tiefen Tonlagen kräftiger als der Vorgänger klingt, doch sind Grundstimmung und Thematik deutlich ernster. Statt nur mit lockerleichtem Witz vom "Sommerloch" zu trällern, hinterfragt Sorgenkind das Phänomen in Hinblick darauf, wo all die wichtigen Ereignisse so plötzlich hin verschwinden und ob etwa Kriege zu Gunsten der Fußball-WM pausieren. Die sehr bildhafte Sprache, welche er dabei verwendet, vermittelt den ernsten Inhalt jedoch mit einer gewissen Leichtigkeit, sodass das kräftige Schlagzeug und die sanften Gitarrenklänge den nachdenklichen Beigeschmack fast übertönen. Auch im weiteren Verlauf täuscht der erste Eindruck oftmals und hinter den scheinbar seichten Tracks stecken meist nachdenkliche, melancholische Selbstreflexionen. So projiziert Sorgenkind als Stammkunde in einer Kneipe seine eigenen unerfüllten Wünsche, Träume und Ängste auf die "schöne Barfrau", um sich selbst nicht direkt damit konfrontieren zu müssen. Dabei wummert ein melodischer Sound mit dumpfem Bass und knackigem Plattenrauschen aus den Boxen, zu dem Sorgenkind sein Gesangs- und Raptalent unter Beweis stellt. Hier trägt, wie an vielen Stellen der EP, der Gesang den Track und die Rappassagen bleiben meist ein wenig dahinter zurück oder werden mit etwas Singsang nach vorne gepusht.


    "Ich weiß, dass das Ding kaputt ist und doch nehm' ich's mit zu mir/
    Auch wenn die Oberfläche abgenutzt ist, ich glaub', es lohnt sich zu investier'n/
    Irgendwie muss da irgendwas geh'n, denn wo nichts geht, wurde nur nichts gekonnt/
    Freunde sagen: 'Lass es liegen und steh'n', doch die Gelegenheit ist umsonst/
    "
    (Sorgenkind auf "Umsonst")


    Stimmungstechnisch geht die EP mit "Umsonst" noch einen weiteren Schritt nach unten und auch klanglich erreicht die Platte ihren ruhigsten Punkt. Der Beat baut sich langsam auf und dementsprechend legt auch Sorgenkind erst mit der Zeit mehr und mehr Energie in seine Stimme, ganz ähnlich dem Aufbau von "Ich bleib", der synthielastigen Liebeserklärung an ein Musik-Festival. Während bei "Umsonst" durch das Klangbild die Thematik des Herantastens an eine komplizierte Beziehung und die Hoffnung, dass, wenn man nur genug Mühe hineinsteckt, etwas Positives dabei herauskommen könnte, unterstrichen wird, liefert der Aufbau von "Ich bleib" der EP einen explosiven Abschluss mit kraftvoller, eingängiger Hook.
    Ganz am Ende des "Sommerloch"s sind wir jedoch noch nicht angekommen, denn das Schlusslicht der Platte bilden die "Outtakes". Hierbei handelt es sich allerdings nicht direkt um fehlerhafte Aufnahmen während eines Filmdrehs, sondern um eine Metapher für Sorgenkinds Leben. "Wäre mein Leben ein Film, würd' er fast nur aus Outtakes besteh'n". Der Künstler rekapituliert sein bisheriges Leben, fragt sich, wie seine Zukunft wohl aussehen mag und kommt zu dem Entschluss: "Solang' es bleibt, wie es ist, ist die Welt okay". Zunächst mag dies fast wieder wie der Anfang der EP beziehungsweise der Versuch, negative Situationen einfach zu beschönigen, erscheinen. Doch tatsächlich klingt das Ganze nicht nur soundtechnisch deutlich entspannter, sondern auch textlich wesentlich reifer und selbstreflektierter. Aus dem etwas aufgekratzten Jungen, der sich selbst einredet, der (Sorgen)King zu sein, ist ein zufriedener Künstler geworden, dem es schon genügt, wenn er sein Leben so führen kann, wie es aktuell verläuft. "Outtakes" ist nicht nur für sich selbst ein gelungener Track, sondern auch ein umfassendes Ende für die gesamte "Sommerloch EP".


    Fazit:
    Sechs Tracks, mal entspannt und nachdenklich, mal frisch und mitreißend, jedoch immer eingängig und bestens produziert. Dazu ein Künstler, der sich seiner Talente bewusst ist und sie gekonnt einzusetzen weiß, oftmals mehr auf Gesang als Rap setzt, doch beides großartig beherrscht. Auch wenn der stellenweise recht ernste Inhalt oftmals erst beim genaueren Hinhören richtig vermittelt wird, hat Sorgenkind den Spagat zwischen seriöser Aussage und guter Laune in den meisten Fällen durchaus gemeistert. Die kurze, knackige "Sommerloch EP" lädt in jedem Fall zum immer wieder Hören ein und dürfte, anders als sonstige Sommerhits, auch noch in einigen Wochen ein frisches, kurzweiliges und vor allem gelungenes Gesamtpaket abgeben.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    [REDBEW]1563 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1563 [/reframe]
    [azlink]Sorgenkind+%96+Sommerloch+EP [/azlink]

  • Ist und bleibt das beste, was ich auf dieser Seite gefunden habe bzw. finden werde.
    War die letzten Monate nicht in Deutschland und konnt nie zu Auftritten kommen ;(
    Wann geht es wieder auf Tour?

  • richtig (!) gute ep!
    das, und quarterback40, is so langsam ganz genau der sorgenkind, den ich immer haben wollte. ganz viel liebe für dich!
    besonders überrascht (positiv) hat mich dieser lyrische "tiefgang", wieauchimmer, schon sehr geil.
    und dann kostet das auch ganze auch noch nur 3 euro als download, wahnsinn.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!