Review: Veedel Kaztro – Büdchen LP



  • 01. Der Opener
    02. Hip Hop ist mein Opa
    03. Heroin
    feat. Exzem
    04. Trucker Vatter
    05. Basinga
    feat. Exzem & Vagabond
    06. iPod brennt
    07. Untergrund
    08. Tim Taylor
    09. Fahr nie
    10. Schubladen
    11. 26.138.512.745 Bars
    12. Paul Würdig du hast mein Leben zerstört
    13. Liegen Fliegen


    Köln ist eine der Untergrund-Hochburgen des deutschen Raps in 2014. Vor allem das Label entbs sollte den meisten Liebhabern von Samples, funkigen Beats und Battlerap ein Begriff sein. Retrogott & Hulk Hodn ziehen auf dem Splash!-Festival eine Riesen-Crowd an und haben auf ihrer letzten LP ja schon eingesehen, dass sie zwar fresh, aber doch nicht mehr ganz so unbekannt sind. Und der Nachwuchs steht schon in den Startlöchern – direkt aus dem Veedel, wie der Kölner sein Viertel nennt. Dort hängt Veedel Kaztro laut eigener Aussage noch immer am Büdchen ab – das ist ein Kiosk – und bringt mit der "Büdchen LP" jetzt sein Debütalbum. Releasetechnisch machte sich das MPM-Signing schon zuvor mit zwei Tapes und einer EP einen Namen als frischer Wind in der Szene. Kann er die Erwartungen mit seinem Debüt erfüllen?


    "Ich rappe dope wie Savas Anfang 20/
    Oder Sido Anfang 20 oder Samy Anfang 20/
    Veedel Kaztro kann es und ist grade Anfang 20, was für'n Zufall/
    Ich bin am Anfang, doch ficke deine Rolex, nenn' es Urknall/
    "
    (Veedel Kaztro auf "Der Opener")


    Ein verträumt dahinplätschernder Beat von Twit One eröffnet das Album und unterlegt Veedels lässig vorgetragene erste Worte, in denen neben einer kleinen Vorstellung direkt mal die ein oder andere vermeintliche Deutschrap-Legende frech angesprochen wird. Wie auch im zweiten Titel deutlich wird, weiß der Kölner zwar, wo seine musikalischen Wurzeln liegen, doch hindert ihn das nicht, an ein paar älteren Semestern, die seiner Meinung nach den falschen Weg eingeschlagen haben, Kritik zu üben. Ansonsten sind die meisten der 13 Tracks der "Büdchen LP" durchaus als Thementracks konzipiert. Auf "Trucker Vatter" erzählt Veedel auf einem erneut sehr entspannten, sommerlich frei anmutenden Beat über seinen alten Herren, der anscheinend mehr im LKW unterwegs war, als im "Veedel" bei der Familie. Hier gelingt es dem Rapper beeindruckend, diesen Mann zum einen als coolen, freien Typen darzustellen, der macht was er will, zum anderen aber auch zum Ausdruck zu bringen, dass er eben doch gefehlt hat. Ebenso ambivalent kommt der Track "Heroin" daher, der das gesamte Leben mit dem Kaufen von Heroin vergleicht – wenn man alles gibt, um am Ende nichts zu bekommen. Neben der Metapher taucht im Text gleichzeitig der wirkliche Kauf der Droge auf.


    "Hartes Leben, Garten Eden, Auto, Arbeit, Rasen mähen/
    Steuern, Einkauf, Tagesthemen, Zahlen zählen, schlafen gehen/
    Wofür? Um sich irgendwann dann doch in den Sarg zu legen/
    Das kannste jetzt schon haben, lass dir diesen Spaß nicht nehmen/
    "
    (Veedel Kaztro auf "Heroin")


    Ansonsten erzählt der Junge vom Büdchen weiter locker und vor allem wahnsinnig authentisch aus seinem Leben. So kann die Frau beim Knutschen auf dem Sofa gerade noch so schön sein – wenn dann plötzlich ihre Eingebung kommt, den Rapper durch die Boxen zu jagen, der Veedel so überhaupt nicht passt, hat sich's dann auch mit dem Date und der "iPod brennt". Die nächste Dame wird aber auch wieder in Köln aufgerissen – für Reisen woandershin ist nämlich kein Geld da, weil alles in die Produktion von Tracks investiert wird ("Fahr nie"). Schuld daran ist wer? Klar, Sido. Dem wirft der Kölner vor, sein Leben zerstört zu haben. Schließlich hat er ihn dazu angestiftet, mit dem Rappen und diversen anderen Dingen anzufangen. Und diese Thementracks sind alle in wunderbar aneinandergereihten Punchlines ausformuliert. Veedel Kaztro kommt mit einer markanten Stimme und einer druckvollen Vortragsweise daher. Das Reimschema wechselt dabei immer wieder von simplen Reimen zu komplexeren Reimketten, vor allem aber wirkt nie etwas dahingezweckt. Einzelne Zeilen geraten allerdings ab und zu zu lang und werden so etwas in den Takt gepresst. Dadurch wird die entspannte Vortragsweise zwischenzeitlich hektisch, das stört den Hörgenuss an diesen Stellen etwas. Viel wichtiger ist aber die Attitüde, die der Kölner rüberbringt. Kein Blatt vor den Mund, kein Respekt vor irgendwelchen Dogmen und sich eigentlich über alles lustig machen, was einem grad' die Möglichkeit liefert. Das gelingt vor allem bei der großartigen Persiflage auf das "Männlichsein", "Tim Taylor", perfekt. Das von Yourz wunderbar verwurschtelte "Careless Whispers"-Sample tut sein Übriges.


    "Schiri, wir wissen wo dein Auto steht!/
    Hab' ich Durst oder will ich mich waschen/
    Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg!/
    Ich mache nur sehr männliche Sachen/
    "
    (Veedel Kaztro auf "Tim Taylor")


    Der Soundteppich ist, wie man das von MPM-Releases ja gewohnt ist, so gut wie flächendeckend einfach nur wunderschön gestaltet. Die Beats der Produzenten Costa Kwanta, Twit One, Exzem, Dufsen, Yourz, Spexo und Hip Hop bewegen sich meist im Neo-Boom bap-Bereich mit niedrigeren BPM-Zahlen. Warme Bässe und andere helle Klänge verschmelzen sehr gut mit den Raps des Interpreten. Ein richtiges Sample-Brett hat Dufsen für "Basinga", den einzigen richtigen Representer der Platte mit Exzem, der einen richtig starken Part liefert, und Vagabond, der leider nicht ganz mit den anderen beiden mithalten kann, hingelegt. Ja, den einzigen richtigen Representer, denn "26.138.512.745 Bars" ist ein waschechtes "Bitte Spitte!", bei dem Veedel zum Teil sein Gespür für starke Wortspiele zeigt und gleichzeitig sein Talent für etwas Sarkasmus.


    Fazit:
    Veedel Kaztro ist eine absolute Bereicherung für die deutsche Rapszene. Allerspätestens nach der "Büdchen LP" ist definitiv klar, warum der Junge bei MPM gesignt und doch durchaus in mancher Munde ist. Wie auch schon auf seinen vorherigen Releases bleibt sich der Kölner auf der LP treu und erzählt authentische Geschichten mit einer großen Prise Humor, Wortwitz und Biss. Dazu kommen ernstere Themen und sozialkritische Messages, die ebenfalls genau richtig transportiert werden. Auch bei diesen Nummern sowie bei persönlicheren Tracks und natürllich auch bei Battletexten fängt der Kopf sofort an zu nicken. Dafür verantworltich sind natürlich auch die wunderbar smoothen Beats, die die perfekte musikalische Untermalung bieten. Veedels Rapstil ist außergewöhnlich und variabel – kleine Flowfehler sind eigentlich alles, was an diesem Album ab und zu stört. Insgesamt bleibt zu sagen: Danke, Paul Würdig. Und: noch mehr Geld in Tracks stecken! Oder in ein Kölsch am Büdchen.



    (Alexander Hollenhorst)

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  • Is fresh der Gute. Die LP gefällt und bei MOT hat er auch überzeugt. Kann was werden aus ihm

    all y'all records sound the same
    I'm sick of that fake thug, R&B-rap scenario, all day on the radio
    Same scenes in the video, monotonous material

  • Straight outta Ehrenfeld. Sehr schöne, treffende Review. Konnte Veedel K. anfangs nichts abgewinnen, mittlerweile feier ich ihn aber sehr. MPM hat n feines Näschen.

    Don’t give yourselves to these unnatural men - machine men with machine minds and machine hearts! You are not machines! You are not cattle! You are men!
    You have the love of humanity in your hearts! You don’t hate! Only the unloved hate - the unloved and the unnatural!

  • Ich kann iwie die CD nich bewerten. Wollt ne 7,5 geben, jemand nen Plan weshalb der Vote nicht funzt?

    all y'all records sound the same
    I'm sick of that fake thug, R&B-rap scenario, all day on the radio
    Same scenes in the video, monotonous material

  • Zitat

    Original von Prometheus
    Ich kann iwie die CD nich bewerten. Wollt ne 7,5 geben, jemand nen Plan weshalb der Vote nicht funzt?


    keine Ahnung, bei mir geht's auch nicht.


    1-3 coole Tracks drauf, leider ist er hier und da zu cool für Musik wie Taktloss, aber damit komme ich klar.

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