Review: Verrückte Hunde – Tohuwabohu



  • 01. Kann losgehn
    02. V zu dem H
    03. Der DJ hat doch nich' mehr alle Platten im Schrank
    04. Katzen müssen draußen bleiben
    05. Gerri baut die Bouncer
    06. Ohne mich
    07. Wer hat hier das Weed gestreckt
    08. 25g
    09. Satchmo
    10. Das Stirnband
    11. Enterhaken
    12. Burnout
    13. Geschichten aus der Rumpelkammer
    14. Irgendwie verrückt
    feat. Rollo
    15. Mundpropaganda
    16. Der Letzte macht die Tür zu


    Forscht man ein wenig nach den etymologischen Wurzeln des Begriffs "Tohuwabohu", so erfährt man, dass bereits in der Bibel die Worte "tohu vavohu" Verwendung fanden, um darzustellen, wie "wüst und leer" die Erde einst war. Heutzutage beschreibt man damit eher das pure Chaos, ein heilloses Durcheinander, jede Menge Lärm und am Ende geht irgendwas zu Bruch. Man stelle sich etwa vor, einen Porzellanladen zu betreten, den obligatorisch dort lebenden Elefanten durch ein paar Verrückte Hunde zu ersetzen und sie dann eine Katze jagen zu lassen. Fertig ist das "Tohuwabohu". Nun noch ein paar Mikrofone aufstellen, fertig ist das Album "Tohuwabohu". Knapp zwei Jahre nach ihrem Debüt "1x1=1" meldet sich die Crew Verrückte Hunde, bestehend aus den beiden Rappern Foxn und Scu sowie Da Kid, Gerät und Al Dente, die für sämtliche Beats verantwortlich zeichnen, albumtechnisch wieder zu Wort und lässt auf 16 Anspielstationen dem Chaos seinen Lauf.


    "Hu! Ha! Booyaka! Meine Crew ist da/
    Guten Tag! Represente V zu dem H/
    Kennste nicht? Du hast ja kein' Geschmack wie Glutamat/
    Wir sind crazy, wer ist dieser Hutmacher?
    "
    (Foxn auf "V zu dem H")


    Ein paar Verrückte Hunde stürmen also aus ihrem Zwinger und es "kann losgehn", wobei der Einstieg noch relativ ruhig verläuft. Sanfte, surrende Sounds wabern über den Boden, die Boom bap-Maschine läuft sich warm und das Knacken und Rauschen des Vinyls, stete Begleiter des gesamten "Tohuwabohu"s, setzen ein. Mit "V zu dem H" gewinnt das Ganze dann aber so richtig an Fahrt, die Drums werden kräftiger, Samples und Scratches verleihen dem Al Dente-Beat die entsprechende Würze und Foxn und Scu, die beiden MCs der Crew, geben Vollgas. Stimmlich decken sie das gesamte Klangspektrum ab, wobei Lyrische Präsenz-Mitglied Scu höher und zurückhaltender klingt, während Foxn mit lauter, rauher Stimme losbellt. Der erste Eindruck erweckt direkt ein sehr oldschooliges, aber nicht altmodisches Gefühl. Die Hook brennt sich mit recht simplem Inhalt schnell ins Ohr und lädt mit ordentlich Druck zum Mitgrölen ein. Textlich werden unter anderem schlechte Rapper weggeklatscht wie Schuhplattler und auch ansonsten legt man mehr Wert auf das Prädikat "verrückt" anstatt sich auf aussagekräftigen Inhalt oder perfekte Technik zu konzentrieren. Überhaupt geht es ja erstmal darum, die nötige Atmosphäre und die entsprechenden Beats parat zu haben.


    Problematisch, wenn man im Club feststellt: "Der DJ hat doch nich' mehr alle Platten im Schrank"! Genau deswegen wird unter Piepsen, Tröten, Rascheln und entspanntem Bass die VH-Plattensammlung zum DJ-Pult geschleppt und aufgrund des so entstandenen Platzmangels jeder, der hier nichts verloren hat, rausgeschmissen. Getreu dem, zugegeben nicht sonderlich wortgewandten, Hunde-Motto "Es geht wuff-wuff und nicht miau-miau" heißt das: "Katzen müssen draußen bleiben". Die Rede ist hier aber weder von tatsächlichen Stubentigern noch von miezenhaften Damen – vielmehr geht es um heuchelnde, tuschelnde Wack-MCs. Auf kräftig scheppernden Drums wird klargemacht, was Verrückte Hunde von Katzen unterscheidet, während man das Getier Richtung Ausgang treibt. Wem die Katzenmetaphern und andere, etwas fragwürdige Zeilen à la "Ich, fresh wie Kiwifrucht/ Du, wack wie Zwiebelsuppe" alleine noch nicht verrückt genug sind, der zückt nun direkt den "Enterhaken" und schwingt sich auf das Piratenschiff der Hunde. Denn mit Augenklappe, großem VH-Schriftzug auf dem Segel und von Poseidon selbst beschützt ziehen Foxn und Scu über die Weltmeere und versenken die Schiffe der übrigen fliehenden Katzen oder lassen Faker von der Planke springen. Die teilweise doch sehr fantasievollen bis abstrusen Bilder und Ideen lassen sich vielleicht auch dem ein oder anderen Joint zuschreiben, mit dem sich Verrückte Hunde gerne in eine glücklichere Gefühlslage versetzen. Getrübt wird diese Stimmung nur, wenn es sich dabei um mangelhafte Ware handelt und man sich fragt: "Wer hat hier das Weed gestreckt"?


    "Ah, diese faule Sau und überhaupt wie grau/
    Ist der Himmel über mir? – Heut' wird die Wiese aufgeraucht/
    Kaum in der Tür und ich bau' mir so 'n Gerät/
    Doch irgendwie merk' ich nach zwei Zügen, dass mein Gaumen sich belegt/
    "
    (Scu auf "Wer hat hier das Weed gestreckt")


    Dumpfe Pianotöne, polternder Boom bap und eingestreute Scratches bilden die entsprechende Atmosphäre für den leicht hängengebliebenen Lifestyle, von dem in diesem Storyteller lässig und schnell flowend erzählt wird. Die Frage, wer denn nun für das manipulierte Gras verantwortlich ist, wird zwar nicht geklärt, dafür finden die Rapper bei anderen, ernsteren Themen klare, deutliche Worte. So stellt "Ohne mich" ein deutliches Statement gegen eine "Schein statt Sein"-Atitüde dar. Man kritisiert die Bedingungen, unter denen Majorlabels ihre Künstler signen und äußert sich zu klischeeschwangeren Rappern, die für Ruhm und Mainstreamfans die eigene Musik zum Schauspiel verzerren. Sowohl an den ruhigeren, entspannten Sound, wie auch an die Thematik knüpft "Burnout" an – auch wenn das Ganze hier in eine deutlich düsterere Richtung verläuft. Ein fast schon bedrohliches Surren und Rauschen wird von scheppernden Drums aus den Boxen getrieben, während die Rapper von den obskuren Machenschaften der Obrigkeit erzählen. Allerdings werden nicht nur Medien- und Musikbusiness argwöhnisch beäugt, auch Pharmaindustrie und Politik werden auf ihre dunklen, angstverbreitenden Abgründe hin untersucht. Stellenweise mag das Ganze recht überspitzt und fast horrorfilmähnlich anmuten, doch wer, wenn nicht Verrückte Hunde sollte selbst die ernsteren Tracks mit ein wenig Wahnsinn versehen? Schließlich sind sie ja doch "irgendwie verrückt". Das stellen die beiden ebenso wie ihr Raptalent, das sich ab und an jedoch eher im Gesamteindruck als in einzelnen Passagen finden lässt, unter Beweis, wenn Foxn "durchgeballerte Styles wie 'Drawn Together's Ling-Ling" zum Besten gibt und Scu so sehr von Rap besessen ist, dass er sogar vom Sampeln träumt. Die ein oder andere Zeile mag etwas wackelig wirken, doch darüber lässt sich bei so viel Energie locker hinwegsehen. Auch Rollo, langjähriger Partner von Foxn und einziger Featuregast des Albums, fügt sich in das Thema bestens ein und verstreut unablässig Reimsalven über den auf und ab hüpfenden Boom bap-Beat. Betont und eingerahmt wird das Spektakel dann noch von einer Hook samt eingescratchtem Ol' Dirty Bastard'schem "crazy"-Sample. Nachdem also alles und jeder durchgedreht ist, sämtliche Katzen verjagt wurden, alles in Schutt und Asche liegt und das "Verrückte" aus dem Namen der Crew nochmal auf die Spitze getrieben wurde, endet das "Tohuwabohu". Ein paar letzte, smoothe Klänge. Licht aus. "Der Letzte Macht die Tür zu".


    Fazit:
    Das zweite Album der Hunde ist eine im Studio aufgenommene Liveshow oder andersherum eine Studioproduktion, die so oder so ähnlich perfekt auf der Bühne performt werden könnte. Ein paar Verrückte Hunde, die ordentlich Biss haben und denen der Spaß an der Sache deutlich wichtiger ist, als eine bis zur Perfektion ausgefeilte Produktion und makellose Technik. So wirkt das Ganze hier und da zwar fast schon zu roh, doch fängt damit den spontanen Charakter der Tracks recht gut ein. Textlich lehnen sich Foxn und Scu teilweise etwas weit aus dem Fenster und man muss des Öfteren beide Augen zudrücken, um Aussage und Reim in jeder Zeile finden zu können. Insgesamt eine ganze Reihe schneller, vor Energie sprühender Titel mit viel Jazz-, Big Band- und Funkeinfluss, dazu eine ordentliche Prise Golden Era-Feeling und Rapparts, die in den meisten Fällen die Balance zwischen oldschool und modern halten können. Ein stimmiges Gesamtkonzept, das seinem Namen absolut gerecht wird. Reinstes "Tohuwabohu".



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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