Interview: Donato


  • Seit Donatos letztem Album "Angst" sind inzwischen rund fünf Jahre ins Land gezogen, doch im März dieses Jahres gab es für Fans des Dortmunder Rappers Nachschlag. Und nicht nur das: Mit "Enzo" erzielte Donato wohl auch die bislang höchste Aufmerksamkeitsspanne seiner musikalischen Karriere, der er bereits seit knapp zehn Jahren mit viel Herzblut nachgeht. Einige Monate nach dem Release des Longplayers interviewten wir das Kopfhörer Recordings-Signing, das uns ein wenig das LP-Konzept erläuterte und für uns noch einmal einen Blick in längst vergangene Tage warf.


    rappers.in: Im März dieses Jahres erschien dein aktuelles Album "Enzo", welches ein bisschen Zeit gebraucht hat ...


    Donato: Ja. Das hatte mit mehreren Faktoren zu tun. Einerseits bin ich auch auf anderen Feldern sehr aktiv gewesen, vor allem beruflich. Es gab Veränderungen, zum Beispiel Umzüge und den Wechsel in eine neue Stadt. Nach jedem Release brauche ich einen gewissen Abstand, um die Musik für sich stehen zu lassen, denn jedes Release repräsentiert seine eigene Epoche. Wenn ich direkt nach einem Album ein neues mache, dann würde ich Gefahr laufen, dass ich mich wiederhole. Genau sowas möchte ich eigentlich vermeiden, deshalb lasse ich immer eine Art Sicherheitsabstand.


    rappers.in: Der Titeltrack "Enzo" ist Outro und Höhepunkt des Albums in einem. Wieso hast du das Album von der Tracklist her so aufgebaut? Theoretisch hättest du auch mit dem Titeltrack beginnen können.


    Donato: Das hätte ich machen können, aber dann wäre die Spannung sofort weg gewesen. Der Track ist das Ende des Albums, weil er quasi das Ende dieser 16 Tracks langen Reise markiert. Es ist der Punkt, wo ich zu mir selbst finde, von der Suche wegkomme und merke, wo ich hin will, nämlich zu einem Stück Erkenntnis ... Wenn man das so nennen kann. Für mich musste dieser Song deshalb am Ende stehen, weil das Album den Charakter einer Suche hat.


    rappers.in: Würdest du sagen, dass die gerade erwähnte Erkenntnis auch das Konzept ist, welches hinter deinem Album steht? Für mich klang es zunächst nach vielen kleinen Kurzgeschichten, hat sich letztendlich aber zu einem großen Gesamtwerk zusammengeschlossen.


    Donato: Im Nachhinein kann man das so deuten, aber es war nicht von vornherein so geplant. Das alles war ein Prozess, denn dieser ganze Entstehungsprozess des Albums bildet letztendlich auch den Prozess meiner persönlichen Entwicklung ab. Es gab nicht ein Konzept von Anfang an, das wäre für mich auch ein bisschen zu kalkuliert gewesen. Im Laufe der Zeit hat sich das alles dann entwickelt.


    rappers.in: Das heißt, es gab eventuell auch den ein oder anderen Track, der eine längere Zeit herumgelegen hat, den du aber unbedingt auf "Enzo" packen wolltest.


    Donato: Ja, genau! Viele Songs sind 2012 entstanden, der erste sogar 2011. "Winterschlaf" war sozusagen der Startschuss, obwohl der richtige Startschuss eigentlich "Wenn ich gehe" war, den ich mit s.R. gemacht habe. Das war auch meine erste größere Zusammenarbeit mit ihm, bei der wir gemerkt haben, wo es zusammen hingehen kann und soll. Es war der Punkt, an dem wir gesagt haben, dass wir jetzt einfach mal machen und uns in diese Richtung entwickeln werden, in der wir uns haben wollen. Damit wir dann schauen können, ob dabei ein Album herauskommt. Es hat dann noch zwei bis drei Jahre gedauert, weil ich die Songs wirklich lange liegen gelassen habe und ich einen persönlichen Prozess ablegen wollte, was einfach nicht in ein paar Monaten geht.


    rappers.in: Dein Flow und deine Stimme stehen wie bei all deinen Werken auch bei "Enzo" im Vordergrund. Gerade die sanften Töne von Piano und Streichern, kombiniert mit Drums, stechen bei deinem Werk hervor. Wie viel Einfluss hast du auf die Produktionen und auf was legst du besonders viel Wert?


    Donato: Das Wichtigste ist für mich, dass ein Song, ein Instrumental oder auch eine Skizze Emotionen transportiert. Es muss mich dazu anregen, etwas zu schreiben, wenn ich meine Augen zumache und schon etwas vor Augen habe. Viele Sachen sind genau deshalb sehr melodiös geworden, weil ich dann einen bestimmten Vibe habe, den ich abfedern und so unterschreiben kann. Einfluss habe ich natürlich schon, wobei s.R. mittlerweile einfach weiß, wie ich ticke, was ich haben will und es dadurch ganz automatisch funktioniert. Es gibt auch Songs, an denen ich aktiv mitgearbeitet habe. Wenn ich jetzt direkt den ersten Song "Einfach" nehme, dann sind da zum Beispiel die Drums von mir. Ich hatte schon eine Richtung im Kopf, die habe ich ihm dann skizziert, er hat es weitergearbeitet. Wir haben uns schon ziemlich gut ergänzt.



    rappers.in: Du hast auf dem Album drei Featuregäste, davon zwei bekannte Urgesteine des deutschen Raps: Tatwaffe und Moses Pelham. Wie kam es zu genau diesen Kooperationen?


    Donato: Das hat sich irgendwie so ergeben. (lächelt) Ich hatte die Songs und habe in den jeweiligen Momenten die Stimmen der beiden schon im Kopf gehabt. Zu beiden hatte ich schon ein bisschen Kontakt auf Facebook, wobei es zu Tatwaffe ein bisschen mehr war, weil ich ihn auch auf Jams getroffen habe. Ich habe den beiden die Stücke geschickt und sie waren sofort dabei. Das ist natürlich eine Riesenehre für mich, weil es beides Künstler sind, die ich schon seit Mitte der '90er gefeiert habe und die mich auch ein Stück weit zu Rap geführt haben.


    rappers.in: Irgendwie eine schöne Geschichte ...


    Donato: Bei mir ist es aber auch nicht der Fall, dass ich Leute als Features haben will, die mega gehyped sind. Ich finde, dass jeder Featuregast eine Bereicherung sein muss und wenn das nicht der Fall ist, dann kann ich den Song auch selber und alleine zu Ende machen. Aus meiner Sicht bringen Tatwaffe und Moses Pelham die beiden Songs einfach weiter und verleihen dem Ganzen einfach auch eine persönliche Note.


    rappers.in: Ich habe hier ein Zitat von dir: "Seidene Fäden halten den Käfig zusammen. Ich schneide sie durch und gehe es an – jetzt." Ich habe viel darüber nachgedacht und würde gerne wissen, welchen Käfig du meinst und vor allem, ob du das angegangen bist, was du vorhattest?


    Donato: Die seidenen Fäden und der Käfig stellen den inneren Gedankenknast dar, die Konfrontationen, denen man sich selbst ausgesetzt sieht. Alles, was einen irgendwie einengt, das zu tun, was man tun will. Das können Depressionen oder Angstzustände sein, die einen daran hindern, sich selbst zu verwirklichen. Das meine ich, wenn ich sage, dass ich die Fäden durchschneide, die den gedanklichen Käfig zusammenhalten. Ich trete aus und fange an, das zu vergessen und weiterzukommen.


    rappers.in: Machst du das im Alltag denn auch oder ist das manchmal eher ein Wunschgedanke?


    Donato: Das ist leider ein schwieriger Prozess. Natürlich kann man es sich vornehmen, das zu machen ... Es klappt aber im Alltag nicht immer hundertprozentig. Man muss sich immer wieder selbst daran erinnern, aber wenn ich das Lied höre, erinnere ich mich wieder daran, dass es langsam mal wieder Zeit wäre, Fäden durchzuschneiden. (lacht) Aber das ist nicht so einfach ...


    rappers.in: Wenn du nun einen Blick zurück auf deine Anfänge wirfst: Findest du, dass du dich zu deinem jetzigen musikalischen Standpunkt selbst gefunden hast oder denkst du, dass die Reise noch weitergeht?


    Donato: Das ist schwierig zu sagen. Ich komme meiner Idealvorstellung von Album zu Album näher, aber man muss seine Vorstellungen nutzen, auch wenn einem manchmal die Möglichkeit fehlt. Ich möchte diese atmosphärische Richtung noch mehr ausführen, die auf "Enzo" dominiert. Mit mehreren Leuten arbeiten, Instrumente spielen, vielleicht mal auf Tour gehen. Das ist immer ein Deal mit Kompromissen, aber ich werde mich irgendwann an die Arbeit machen, diese Vision zu perfektionieren und auszubauen und dann wird es wieder einen Schritt nach vorne gehen, ganz klar.


    rappers.in: Hat es dich viel Überwindung gekostet, über solche privaten Themen zu sprechen wie auf deinen letzten beiden Alben?


    Donato: Eigentlich nicht, denn wenn ich schreibe, dann ist das für mich in erster Linie ein Ventil, um Dinge zu formulieren. Da denke ich nicht drüber nach, ob ich viel oder wenig von mir verrate – dann muss das erst mal raus. Und wenn ich aufnehme, ist es genauso, da habe ich auch kein schlechtes Gefühl. Das einzige Mal, dass ich wirklich darüber nachdenke, ist kurz bevor es veröffentlicht wird. Da stelle ich mir schon mal die Frage, wie das beim ein oder anderen ankommt, aber generell mache ich mir da keinen so großen Kopf. Es ist auch nicht alles biografisch, was ich erzähle. Natürlich hat es immer einen biografischen Einschlag, aber manche Dinge sind überzeichnet oder aus der Sicht einer anderen Person geschrieben, die ich kenne, aber nicht selber bin.



    rappers.in: Viele deiner Hörer schätzen deine Ehrlichkeit und Offenheit gegenüber Themen, die einige Menschen nur thematisieren würden. Bekommst du auf Tracks wie "Ich bin nicht normal" viel Resonanz? Wie gehst du damit um?


    Donato: Grundsätzlich bekomme ich viel Resonanz und meistens ist sie positiv. Bei "Ich bin nicht normal" gab es auch mal ... (überlegt) ich will jetzt nicht sagen "negative Kommentare", aber viele waren verwundert, weshalb im Beat Dubstep-Elemente sind. Das war das Einzige, wo es mal negativ angehauchte Kritik gab. Zu den Texten gibt es eigentlich immer positive Meinungen, zum Beispiel, dass ich die Gedanken der Hörer formuliert hätte und man mir dankbar dafür ist. In seltenen Fällen kriege ich Zuspruch von Leuten, dass ich mit meiner Musik ihr Leben gerettet habe, was natürlich ein besonders spezieller Fall ist. Einerseits tut das weh, andererseits zeigt es, wie wirkungsvoll Musik sein kann. Mit dem Feedback, das ich grundsätzlich bekomme, bin ich sehr zufrieden ...


    rappers.in: Positives Feedback pusht einen doch auch, oder? Ich denke, es gibt bei Musikern oft den Moment, in dem sie sich nicht mehr sicher sind, ob das alles seinen richtigen Weg geht.


    Donato: Die Resonanz ist gut, aber ich habe natürlich noch die private Seite, bei der ich mich selbst frage, ob ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht werde. Da komme ich dann zu dem Schluss, dass ich das nicht geschafft habe. Mich freut die positive Meinung der Leute, aber in mir habe ich trotzdem das Gefühl, dass ich etwas noch besser hätte machen können. Grundsätzlich freut es mich aber, dass das Feedback so positiv ist.


    rappers.in: In einem Interview hast du dich als bekennender Vinylfan geoutet. Was ist für dich das Besondere an einer Vinylplatte? Ist es vielleicht auch der Hauch von Nostalgie?


    Donato: Definitiv! Ich bin mit Schallplatten aufgewachsen, ich habe mit den Schallplatten meiner Eltern Frisbee gespielt ... (lacht) Ich habe sie lieben gelernt, selbst aufgelegt und ganz begeistert zugeschaut, wie sich die Platte dreht, das Stroboskop den Plattenteller anleuchtet. Dieses Medium hat einfach eine ganz spezielle Wertigkeit in meinem Leben, es ist etwas, was du anfassen kannst, auf den Teller legen kannst ... Du musst die Nadel auflegen und dann kommt der Moment, in dem es knackt, rauscht, das hat einfach eine ganz spezielle Magie. Das ist ein ganz besonders musikalisches Gefühl und ich bin extrem stolz, dass ich das bei meiner eigenen Platte zum ersten Mal erleben darf.


    rappers.in: Das heißt, bei dir steht auch noch ein Plattenspieler zu Hause und du setzt dich gelegentlich hin, um ein Album mit genau diesem Gefühl zu hören?


    Donato: Genau. Natürlich kaufe ich viel digital oder auch auf CDs, gerade weil das auch für das Auto gut ist, aber sobald es Vinyl-Releases gibt, was glücklicherweise immer mehr wird und die mich interessieren, kaufe ich sie. Wobei bei der Vinyl auch oft ein Downloadcode oder eine CD dabei ist.


    rappers.in: Deine Heimat ist eigentlich der Ruhrpott, der innerhalb der Rapszene allerdings für ein ganz anderes Subgenre bekannt ist als deine Musik. Kannst du unseren Lesern zum Abschluss des Interviews einen musikalischen Tipp geben oder mitteilen, welcher Künstler aus dem Ruhrpott total unterschätzt ist?


    Donato: Ich finde, dass der Ruhrpott generell unterschätzt wird. Ende der '90er, Anfang der 2000er hat der Ruhrpott bombastische Musik gemacht, die leider aus den unterschiedlichsten Gründen zwar Gehör gefunden hat, aber nie die Aufmerksamkeit erfahren durfte, die verdient gewesen wäre. Mir fallen da die Alben von RAG ein, aber auch Platten von Too Strong, welche nachweislich Helden der deutschen HipHop-Geschichte sind. Seit 1998 ist Aphroe für mich mit Abstand der beste Rapper, den wir in Deutschland haben. Aber auch nicht zu vergessen sind 2Seiten oder Inferno79, mit dem ich ein Album gemacht habe, und so viele Leute im Untergrund, die einfach gute Musik machen, aber noch nicht so die Aufmerksamkeit bekommen haben. Vielleicht, weil sie etwas sehr spezielle Musik machen, die nicht beim Mainstream ankommt ... Das tut meine ja auch nicht, deshalb bekomme ich auch nicht so viel Aufmerksamkeit. Aber das ist okay – ich glaube, man kommt im Rap auch so ganz gut zurecht. Wir machen einfach unser Ding und schauen, was am Ende des Tages dabei rumkommt.



    (Kristina Scheuner)

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