Review: KaynBock – Astronaut



  • 01. Tote Planeten
    02. Alte Kinder
    03. Helm
    feat. Alessio
    04. Zaungast feat. Teesy
    05. Steine
    06. Kälteschlaf
    07. Fremdstehen
    08. Videospiele
    09. Astronaut
    10. Kaputt
    11. Abschiedsfeier
    feat. Alessio
    12. Heimatplanet


    Wenn man bedenkt, dass Bielefeld nicht nur Künstler wie die Trailerpark-Mitglieder Pimpulsiv, sondern mit Casper sogar eine der Rapgrößen der Gegenwart hervorbrachte, ist es sehr schade, dass andere Künstler aus diesem Ort eher außen vor bleiben. Denn KaynBock ist in der Szene definitiv kein unbeschriebenes Blatt, auch wenn er bisher weniger bekannt ist. Unter anderem kann er seit 2008 Kollaborationen mit ebenjenem Casper, Ahzumjot oder auch FiST und Weekend vorweisen, bis er dann 2011 sein Mixtape "Trümmertetris" releaste. Selbiges wurde damals schon von einigen als Geheimtipp gehandelt, trotzdem wurde der Output an neuem Stoff – von der EP mit Montez mal abgesehen – vorerst eher kleiner gehalten. Das liegt allem voran daran, dass der Grundstein für "Astronaut" zwar bereits vor drei Jahren gelegt wurde und sowohl Titel als auch die inhaltliche Richtung schon feststanden, aber das Werk perfekt werden sollte. Dieses Jahr ist das Debütalbum, welches ihm vielleicht auch eine größere Hörerschaft verspricht, nun endlich erschienen. Doch hat sich die lange Arbeit bis zur Vollendung auch wirklich gelohnt oder ist das Endprodukt nur eines von vielen Deutschrap-Releases?


    Bereits mit den ersten Ankündigungen lies Kai verlauten, dass es ein sehr persönliches Album werden wird. Das kann bei falscher Umsetzung schnell nach hinten losgehen, denn manch einer kann den Zeilen über das Leben eines Fremden nur schwer folgen, "Realness" hin oder her. Sowas muss entweder in interessantem Story-Telling umgesetzt werden oder es wird so verallgemeinert, dass ich mich selbst in den Texten wiederfinde. Doch bereits im ersten der zwölf Tracks wird klar, wie diese Hürde bewältigt wird: Man identifiziert sich schnell mit dem Interpret, welcher so gerne Astronaut werden will, aber sich selbst daran hindert, mit den Anderen zu neuen Welten aufzubrechen. Auf einem etwas düsteren, ruhigen Beat rappt eine leicht kratzige Stimme von den "toten Planeten", auf denen das lyrische Ich stehen bleibt. Ein guter Start in ein interessantes Konzept also, ohne dabei auf die Offenlegung und Verarbeitung der eigenen Erfahrungen und Probleme zu verzichten.


    "Hallo, Thekenwelt, wenn wir essen, sind wir satt/
    Wenn wir trinken, sind wir was? Genau, her mit dem Schnaps, Mann/
    Man musste ja immer zeigen, wie gut man es selbst hat/
    Ja, darum lachen wir auch nur laut in Gesellschaft/
    "
    (KaynBock auf "Tote Planeten")


    Bei dem Album handelt es sich jedoch keineswegs um eine lose Aneinanderreihung von Geschichten aus Kais Leben. Man mag es vielleicht nicht beim ersten Mal merken, doch je öfter man sich den Inhalt durch den Kopf gehen lässt, umso mehr Zusammenhänge und Verknüpfungen zwischen den Titeln werden einem klar. Der Hörer begleitet KaynBock durch seine Jugend mit all ihren Höhen und Tiefen auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Immer wieder findet man sich selbst in den Texten wieder; sei es nun in der Angst vor dem Älterwerden und dem Schwelgen in der Vergangenheit, welches in "Alte Kinder" thematisiert wird, oder wenn es um die Vergänglichkeit der Freundschaft in "Helm" geht. Die Atmosphäre, die der Künstler hier aufbaut, zieht einen stark in seinen Bann, ist jedoch immer sehr melancholisch geprägt. Es findet sich kein wirklicher Stimmungsmacher, kein Titel ohne einige negative Zeilen, was allerdings auch nicht dazu passen würde. Denn man geht nicht nur durch eine rebellische Jugend mit zerbrochenen Beziehungen, Alltagstrott und Alkoholkonsum, sondern erreicht irgendwann auch seinen "Heimatplaneten". Nachdem man alles Revue passieren lassen und gemerkt hat, was man mitunter für ein Arsch war, verabschiedet man sich und "begeht dann an der Kindheit 'nen Mord". So stimmt das Outro den Hörer zwar auch nicht gleich fröhlich, aber doch weiß man hier: Die Kindheit mag vorbei sein, nur muss jeder irgendwann erwachsen werden und das habe ich nun geschafft.


    "Vergiss nicht: Es gibt nichts, dass so prägt wie die Jugend/
    Hör auf zu versuchen, es ewig in die Länge zu ziehen/
    "
    (KaynBock auf "Heimatplanet")


    Doch nicht nur inhaltlich ist das Werk in sich äußerst stimmig. Auch vom Klang her hat der Bielefelder hier in gekonnter Weise nur auf drei Produzenten gesetzt: das noch relativ junge Producer-Duo SVPA x NOVA und Levon Supreme, welcher auch das kommende Ahzumjot-Album produziert. Durch diese Arbeit im relativ kleinen Team ist ein Klangteppich entstanden, der die von KaynBock kreierte Atmosphäre noch mal unterstreicht und das Album vollends abrundet. Meist sanft klingende Snares, ab und an mal unterstützt von Drums, welche eine gewisse bedrohlichere Stimmung hervorrufen, bilden eine gute Grundlage der einzelnen Instrumentale. Die entsprechende Stimmung wird dann durch eingespielte Gitarren, aber auch hin und wieder auftretende Piano-Klänge hervorgerufen. Durch den überwiegenden Einsatz von klassischen Instrumenten, der nur durch den Atari-ähnlichen Beat von "Videospiele" unterbrochen wird, wirkt das Album musikalisch sehr natürlich und erhält eine eigene Note, die nicht jedes Release heutzutage hat.


    "Schreib' 'ne neue SMS, der Gig war natürlich perfekt/
    Ich schwör', ich steh auf der Bühne und kann spüren, wie es wächst/
    Doch darin steckt eine Erkenntnis/
    Ich ignoriere die, die mich lieben, und liebe die, die mich ignorieren/
    "
    (KaynBock auf "Kälteschlaf")


    Was Features angeht, fällt die Liste ebenso kurz aus. Denn neben Chimperator-Zögling Teesy ist lediglich noch der Newcomer Alessio vertreten. Die beiden unterstützen den Bielefelder in Sachen Gesangs-Einlagen, was ihnen auch liegt. Zwar geht mir die hohe Stimme von Teesy etwas schwer ins Ohr, aber er ist im Gegensatz zum anderen Gastauftritt auch nur einmal vertreten. So bilden auch die Features einen stimmigen Kontrast zu KaynBocks technisch ausgeprägtem Rap und unterstützen ihn an der rechten Stelle.


    Fazit:
    Unterm Strich handelt es sich bei "Astronaut" um ein sehr emotionales Werk, welches nicht nur irgendeine Geschichte erzählt, sondern die Geschichte von Kai, der es in seiner Vergangenheit scheinbar nicht einfach hatte. Seine Missgeschicke, wichtige Freundschaften, die zu Bruch gingen – bei jedem Hören fallen mir neue Details auf sowie kleine Verknüpfungen zwischen den Tracks, welche der Künstler bereits mit den drei Videoauskopplungen verdeutlichte. So wird man mehr oder weniger gezwungen, mehrmals hinzuhören und verbunden mit den harmonischen Instrumentalen tut man das auch gerne immer wieder. Nur dass es völlig frei von Frohsinn ist und die Stimme von KaynBock durchgehend etwas kratzig klingt, mag nicht jedermanns Sache sein und dem ein oder anderen fällt vielleicht manch eine inzwischen etwas abgenutzte Phrase – wie im eben zitierten "Kälteschlaf" – auf. Wer sich daran allerdings nicht stört, kann voll und ganz eintauchen in die völlig eigene Welt eines Rappers der etwas anderen Art, in welcher man sich trotzdem selbst oftmals wiederfinden kann.



    Lukas Päckert (FlatDieter)

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  • sehr geiles album - von mir hätts 5 mics bekommen.

    “We had two bags of grass, seventy-five pellets of mescaline, five sheets of high powered blotter acid, a salt shaker half full of cocaine, and a whole galaxy of multi-colored uppers, downers, screamers, laughers... and also a quart of tequila, a quart of rum, a case of Budweiser, a pint of raw ether and two dozen amyls.
    Not that we needed all that for the trip, but once you get locked into a serious drug collection, the tendency is to push it as far as you can.”

  • Album ist musikalisch feine Kost, jedoch fehlt es, für mich, noch an dem richtig runden Ding.. Nicht zwingend das, was bei mir öfter läuft, leider.

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