Review: Fiva – Alles leuchtet



  • 01. Morgengrau
    02. Alles leuchtet
    feat. 5/8erl in Ehr'n
    03. Wunderland
    04. Einen Sommer lang nur tanzen
    05. Solang du mit mir singst
    feat. Peter Balboa
    06. Früher war Liebe
    07. Phoenix
    08. Das Beste ist noch nicht vorbei
    09. Kleinkunst II
    feat. DJ Phekt
    10. Wir kleben daran feat. Bernadette La Hengst
    11. Du bist nicht mein Monster
    12. Mondnacht
    13. Feuerwerk
    14. Abendrot


    "Was hat das mit HipHop zu tun? Was der macht, ist ja gar kein Rap". In kaum einem anderen Musikgenre sprechen "Fans" den Künstlern so schnell und gerne ihren Bezug zur Szene ab wie im deutschen Rap. Eigentlich seltsam für eine Szene, die sich durch Facettenreichtum und Experimentierfreudigkeit auszeichnet und in der ein Maeckes ebenso seinen Platz findet wie ein Blokkmonsta und sich ein Haftbefehl im Großen und Ganzen derselben Musik verschreibt wie ein Prinz Pi. Während Teile des Deutschrap-Publikums etwa Cro alleine schon wegen seines kommerziellen Erfolgs und seiner stellenweise vielleicht etwas unüblichen Zielgruppe systematisch von der Szene isolieren wollen, sind es mittlerweile aber auch die Interpreten selbst, die sich allmählich von einer Musikrichtung distanzieren, die immer engstirniger zu werden droht. So erklärte dann auch eine durchaus etablierte Rapperin wie Fiva nach ihrem dritten Album, dass ihre Musik allmählich den doch etwas sehr eng wirkenden Szenevorgaben zu entwachsen scheine. Hier muss sich die HipHop-Gemeinde dann doch einmal fragen, was es bedeutet, wenn neue Wege nicht mehr in, sondern nur noch aus der Szene führen und wieso neue Einflüsse scheinbar nicht bedeuten, dass die Szene sich weiterentwickelt, sondern nur, dass Künstler dem deutschen Rap entwachsen. Es gilt, die Scheuklappen einmal abzunehmen, sich aus seinem düsteren, engen Szenerahmen zu wagen und festzustellen, dass es da draußen noch viel mehr gibt und dass das "alles leuchtet".


    "Und ich falle ohne dich in diesen Tag/
    Möchte liegen bleiben, doch ich kämpf' allein mit diesem Schlaf/
    Schäl' mich aus dem Bett und setz' mich an deinen Platz/
    Und streich' mit meinen Fingern die Zeitungsseiten glatt/
    "
    (Fiva auf "Alles leuchtet")


    Auch wenn Nina Sonnenberg, so Fiva bürgerlich, und ihre Musik noch nie so völlig in das allgemeine Bild von Deutschrap passen wollten, so hat sich doch besonders seit ihrem letzten Album "Die Stadt gehört wieder mir" noch mal so einiges getan. Die damalige Zusammenarbeit mit dem Phantomorchester bewegte den Sound der Münchnerin in einen instrumentbezogeneren Bereich, in dem sich auch das fünfte Album "Alles leuchtet" aufhält. Bereits der Titeltrack summt mit viel Jazz- und Souleinfluss samt Piano- und Gitarrensound aus den Boxen und verdeutlicht nicht zuletzt durch den dialektschwangeren Gesangsbeitrag der Wiener Band 5/8erl in Ehr'n die Einzigartigkeit von Fivas Musik. Die Hook ist, gerade durch das Wienerische, ebenso wie der Flow der Rapperin, der oftmals stark an Poetry Slam mit leichtem Singsang erinnert, zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, mit der Zeit jedoch viel eher ein interessantes Alleinstellungsmerkmal als ein wirklich störender Aspekt. Erzählt wird von der Leere, die durch das Fehlen des Partners entsteht und den Versuchen, diese mit banalem Alltag zu füllen. Dabei trägt der melodische Sound die schwermütige Stimmung und unterstützt die Darstellung der recht einseitigen Partnerschaft. Fiva widmet sich oft und gerne den Höhen und Tiefen einer Beziehung, stellt so etwa fest, "früher war Liebe" anders, irgendwie leichter und eher eine Situation, die im Jetzt passierte als etwas, das für die Zukunft durchgeplant werden musste. Die leicht melancholische Thematik und der klare Schlagzeug-Piano-Beat konkurrieren miteinander um die Festlegung des Grundgefühls, sodass nach dem Hören unklar ist, ob Fiva dem Ganzen eher mit lachendem oder weinendem Auge entgegenblickt.


    Überhaupt hinterlässt das Album einen sehr wehmütigen Eindruck, obgleich der Großteil der 14 Titel positiv und euphorisch anmutet. So zieht sich die "Mondnacht" und ihre dumpfe Melancholie hin und verbreitet die traurigen Gedanken deutlich intensiver als "Du bist nicht mein Monster" es mit seiner kampflustigen, frechen Energie und dem schnellen, scheppernden Sound vermag. Einer der Songs, bei dem das positive Klangbild jedoch ganz klar überwiegt und sich auch dementsprechend im Ohr festsetzt, ist das Feature mit Sportfreunde Stiller-Frontmann Peter Balboa. Gitarrenriffs und Pianoeinstreuungen werden von einer (typisch schiefen) Balboa-Gesangshook gekrönt, die "Wenn du mit mir singst" einen leicht amateurhaften und genau deswegen so sympathischen Charakter verleiht. Der mitreißende Titel lädt automatisch zum Mitsingen ein oder zumindest dazu, sich voll und ganz dem vor Energie sprühenden Sound zu widmen, während der Inhalt ein wenig am Hörer vorbeirauscht. Nicht weiter schlimm, geht es hier doch vor allem um die Fröhlichkeit an sich, während gehaltvollere Themen eher auf Titeln wie "Wunderland" vorkommen.


    "Vergiss, was du hörst oder was man dir sagt/
    Mutige Menschen tun nichts, weil man sie fragt/
    Dornröschen, erwach aus dem ewigen Schlaf/
    Aber pssst, sonst machst du das Vorurteil wach/
    "
    (Fiva auf "Wunderland")


    Problematiken in und um die Gleichberechtigung von Mann und Frau werden in reichlich Märchenmetaphern gepackt und geben der doch sehr kontroversen Thematik etwas Verspieltes und Lockeres. Vielleicht sogar zu locker, denn trotz der durchaus erfolgreichen Zusammenführung von Wahrheit und Märchen bleibt eine tiefergehende Auseinandersetzung aus. Viel eher wirkt das Ganze wie der Versuch, einem Kind eine komplexe Situation bildhaft zu erklären und zu hoffen, es verstünde die unterschwellige Botschaft irgendwann von selbst. Auch beim Flug des "Phoenix" bleibt eine wirklich klare Aussage auf der Strecke, obwohl Fiva die Situationen rund um Flüchtlinge, Ausweisung und Abschiebung gekonnt in entsprechende Worte und Bilder kleiden kann. Andererseits kann natürlich auch von niemandem verlangt werden, derartig komplexe Probleme in einem einzigen Track vollständig behandeln zu können. Als viel einfacher erweist sich dies, wenn es beispielsweise um das Tourleben geht und die großen und kleinen Abenteuer einer Band auf Reise erzählt werden. Mangelnder Platz im Kofferraum, zu harte Sitze und farbloses Catering werden dabei in Kauf genommen, damit am Abend gemeinsam mit den Fans das "Feuerwerk" gezündet werden kann. Hierbei gelingt es der Rapperin, mit nur wenigen Worten eine komplette Tour detailreich und mit Witz und Humor darzustellen und auch der Wunsch, "einen Sommer lang nur tanzen" zu wollen, klingt gelungen formuliert und euphorisch, sodass die Metapher dahinter – die Frage, ob "erwachsen" und "reif", auch gleichzeitig "alt" und "träge" bedeuten muss – klar transportiert wird. Wer selbst dann noch nicht vom Soundbild oder dem textlichen Können Fivas überzeugt ist, dem sei "Kleinkunst II", ein absolutes Highlight von "Alles leuchtet", ans Herz gelegt. Die Fortsetzung eines Tracks vom "Rotwild"-Album ist nicht nur instrumental wunderbar ausgefeilt und serviert einen breiten, angenehmen Klangteppich, auch Vortrag und Inhalt der Geschichte sind vollkommen grandios. Wenn der Spoken Word-lastige Flow bei den energiegeladeneren Titeln manchmal doch etwas holprig wirkt und auf Dauer monoton klingen kann, überzeugt er hier dank Fivas klarer, kräftiger Stimme und die wunderschöne Geschichte der drei Kleinkunst-Musiker, die nach vielen Jahren wieder von der Liebe zur Musik gepackt werden, wird spannend und mit viel Wortwitz erzählt. Der Track ist nicht nur ein fantastischer Storyteller und Stimmungsheber, er steht auch stellvertretend für Fivas Weiterentwicklung seit dem 2009 erschienenen Album "Rotwild" und ist Beweis dafür, dass die Künstlerin heute noch genau wie damals zweifelsohne HipHop versteht.


    Fazit:
    Den Titel für ihr fünftes Album hat Fiva bestens gewählt, da auf der Platte tatsächlich "alles leuchtet". Mal ist es das Hier und Jetzt, das freudestrahlend präsentiert wird, mal ist es ein Schimmer in der Ferne, auf den man vorsichtig zuschreitet oder von dem man sich mit melancholischem Blick entfernt. Obwohl viele Titel einen freudigen Klang und Inhalt besitzen, bleibt die Wehmut im Gesamtpaket leider doch stärker zurück. Auch der ein oder andere Themenkomplex wurde vielleicht etwas zu oberflächlich behandelt und lässt daher offene Fragen zurück, doch Fiva zeigt in den meisten Fällen, dass sie mit wenigen kleinen Worten viel Großes erzählen kann. Kreativität und Liebe zur Musik beweist die Münchnerin immer wieder aufs Neue und es wäre absolut wünschenswert, dass die Musik von Künstlern wie Fiva nicht trotz, sondern gerade wegen ihres Facettenreichtums und dem Bruch mit dem allzu Gewohnten als deutscher Rap verstanden wird.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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  • das album ist für mich langweililg, nichtssagend, meinungslos und sehr viel unnützes geschwätz.
    ich finde es auch eine fehleinschätzung, zu sagen, dass künstler, die eben vom klassischen soundbild abweichen, der szene entwachsen, nur weil die künstlerin hier das von sich behauptet, was genauso zweifelhaft ist. und rap ist die letzte musikrichtung, die engstirniger zu werden droht, gerade die letzten jahre zeigen das ja eigentlich.
    ist natürlich gut geschrieben, auch wenns überhaupt nicht meiner meinung entspricht.

  • Gute Review. :thumbup:
    Hab mir das Album gekauft und finde es wirklich gut. Es war das erste Album, das ich mir von Fiva angehört habe, die anderen CD's sind noch eingeschweißt.
    Am Anfang ist es tatsächlich etwas gewöhnungsbedürftig, wie sie flowt usw., aber nach mehrmaligen Hören, lernte ich das dann zu lieben. Die Texte sind inhaltlich sehr gut, aber man darf keine technischen Raffinessen erwarten.
    Meine Favoriten sind "Früher war Liebe" und "Mondnacht", aber "Kleinkunst II" und "Alles leuchtet" stechen auch heraus. Die Instrumentalisierung gefällt mir auch sehr gut. Es gibt keinen Beat, der mich nervt, oder den ich gerne skippen würde.
    Die Tracks sind in sich stimmig und passen gut zusammen, bilden also ein gutes Ganzes als Album.


    Insgesamt ein super Album. Ich würde da 9.5 Punkte für geben.
    Ich war auch gestern in Freiburg auf dem Konzert. Es war, wie erwartet, ein ganz anderes Konzert, als die Anderen, die ich alle schon erlebte habe. Fiva steckt einen förmlich mit iher herzlichen und glücklichen Art an und es geht einem direkt selbst ein Lächeln über die Lippen, sobald man ihres sieht. Sie hat sich auch nicht gescheut in die Crowd zu gehen, um zu mit allen zu tanzen.


    Alles in allem eine sehr sympathische und beneidenswerte Frau, in meinen Augen. Man muss sie und ihre Musik mögen. Ich kann verstehen, dass es Viele geben wird, die dem überhaupt nichts abgewinnen können. Ich für meinen Teil jedoch feier Fiva und sie steigt in meiner Liste der Lieblings-MC's weit nach oben. :)

  • Ich würde Fiva auch nicht zwangsläufig im HopHop einordnen.


    Aber im Gegensatz zu dem erwähnten Cro kann ich Fiva auf jeden Fall feiern.
    Denke werde mir das Album mal bestellen.

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