Interview: Laas Unltd.


  • Dass immerwährende, öffentliche Sticheleien in der Deutschrapszene für viele Künstler auf Dauer zu einem Image-schädigenden Problem werden können, ist keine neue Erkenntnis. Überlegt man kurz, welche großen Namen in der jüngeren Vergangenheit immer wieder ins Fadenkreuz gerieten, so fällt einem mit Sicherheit relativ schnell der des gebürtigen Güterslohers Laas Unltd. ein – kaum ein MC musste in den letzten Jahren derart viele verbale Angriffe einstecken wie er. Mit einem auf zahlreichen Plattformen heiß diskutierten Auftritt bei "Rap am Mittwoch" schaffte Laas es kürzlich allerdings wieder, das Ruder für sich rumzureißen. Der bahnbrechende Erfolg lässt zwar noch immer auf sich warten, dennoch kann Laas heute viel reflektierter als noch vor ein paar Jährchen auf den Verlauf seiner Karriere zurückblicken. In unserem Interview zieht er Bilanz ...


    rappers.in: Vor unserem Interview hast du bei Facebook nachgefragt, was deine Fans an meiner Stelle fragen würden ...


    Laas Unltd.: ... dummerweise habe ich von den Fragen aber auch schon ein paar beantwortet.


    rappers.in: Müssen wir denn über Kiffen, Battlen und all das noch reden?


    Laas Unltd.: Über Battlen wurde sehr viel geredet, da würde nichts Neues kommen. Hast du denn das Album gehört?


    rappers.in: Klar.


    Laas Unltd.: Sehr gut. Hast du die anderen Alben auch gehört?


    rappers.in: Teils, teils. Was ich nur überhaupt nicht verstanden habe, ist, warum das davor so scheiße gewesen sein soll.


    Laas Unltd.: Da ist das Problem: Es wird viel nachgeredet. Bestimmte Personen müssen nur Schlüsselsätze sagen und das verbreitet sich dann genau so. Irgendwo wird das geschrieben, damit hat das seinen Stempel. Die Kids sind dann auch noch unsicher, haben überhaupt nicht das Geld und die Zeit, sich alles anzuhören. Was sie irgendwo gelesen haben, reden sie dann einfach nach. Das verbreitet sich wie ein scheiß Schneeballsystem.


    rappers.in: Ich persönlich finde es sehr unsinnig, sich im Deutschrap gegenseitig so niederzumachen. Dafür ist der Markt doch viel zu klein. "Wir sind alle Hiphop – aber nicht so sehr wie du" – das ist doch albern.


    Laas Unltd.: Ja klar, natürlich. Das basiert schon alles irgendwie auf Respekt. Andererseits kommt aber auch der Battlecharakter dazu. Als Rapper ist es wichtig, sagen zu müssen, man ist der Beste. Das Wichtige daran ist aber, dass das keine negative Competition ist, sondern eine produktive. Da gehen die HipHopper hinterher nach Hause und schaffen etwas. Oder Graffiti-Artists – die haben dann Bilder gemalt. Breaker haben auch gebattlet. Das ist eigentlich das Wichtige: aus dieser Competition entsteht etwas. Dadurch, dass es heute sehr viele Events gibt, bei denen der Großteil der Leute nichts anderes zu tun hat, als dabeizustehen und zuzuschauen, ist es heutzutage mit sehr viel Negativem verbunden. Das finde ich sehr behindert.


    rappers.in: Du battlest dich auf der Bühne und gehst hinterher nicht hin und haust dem Gegner in die Fresse ... Das eine ist halt das Battle und das andere ist der Rest.


    Laas Unltd.: Genau, dann könnte man sich auch gleich boxen. Dafür ist ja das Battle. Man kann ja trotzdem Respekt für seinen Gegner zeigen. Zum Beispiel bei Rap am Mittwoch, da geb' ich auch Props. Das ist ganz normal für jemanden, der so sozialisiert wurde wie ich. Das ist aber auch kein Problem, das HipHop geschaffen hat. So ist einfach die ganze Welt. Das wird den Kindern und Jugendlichen nicht anders vorgelebt. Schau dir die Politiker an: Wenn wir die größte Armee haben, reiten wir in euer Land, ohne Punkt und Komma. Man muss auf den Schwächeren einhacken. Das Mobbingthema ist an den Schulen sehr groß. Natürlich findet sich das dann im HipHop wieder, weil das ja die Kids sind, die die Musik hören.


    rappers.in: Das erklärt's vielleicht, aber besser macht's das ja auch nicht ...


    Laas Unltd.: Nö, besser macht es die Art, wie ich und viele Leute um mich herum es wiedergeben. Dass man eben bei Rap am Mittwoch mitmacht und den Leuten hinterher Props gibt. Das zeigt: So handhaben wir das und damit schafft man eine Alternative. Aber so kann sich dann jemand Jüngeres auch entscheiden: "Will ich den anderen Leuten glauben oder finde ich das dann gut?" Wir sind ja keine Weltverbesserer. Ich habe ja nicht angefangen zu rappen, um die Welt zu verbessern. Letzten Endes machen wir Entertainment und Unterhaltung. Wir wollen Erwachsene unterhalten und haben größtenteils nur Kids als Zuhörer. Das ist ja auch so ein bisschen das Problem. In der Filmszene macht man einen Actionfilm und das schauen dann die Erwachsenen an. Beim Rap hören das dann viel mehr Kids.


    rappers.in: Oder man hat Glück und die Leute wachsen mit einem mit?


    Laas Unltd.: Das passiert aber in Deutschland nur in den seltensten Fällen. Bei Savas seh' ich das ja auch auf den Konzerten. Die meisten, die da sind, sind sehr jung. Ich glaube nicht, dass das dieselben Leute sind, die damals im Royal Bunker vor ihm standen und ihn gefeiert haben. Das sind mittlerweile andere Leute. Bei den älteren ist es wahrscheinlich auch so, dass die gar nicht mehr die Zeit haben. Sobald man eine Familie, Kinder, Job und so weiter hat und das alles unter einen Hut bringen muss, hat man wahrscheinlich Freitagabends einfach nicht mehr so viel Zeit, auf ein Konzert zu gehen. Ein Kollege, der in New York gelebt hat, war mal auf einem Konzert und da waren alle über 40. Das find' ich geil. Das habe ich hier in Deutschland noch nicht wirklich gesehen bei einem Act. Das wird in Zukunft eventuell mehr, weil die Generation jetzt viel krasser damit aufwächst – die werden ja ganz anders geprägt. Als ich 14, 15 war und das erste Mal Rap gehört habe, war ich der einzige. Heute ist das ja selbstverständlich. Das ist halt ein Unterschied. Die werden das noch eher beibehalten. In zehn bis 20 Jahren wird es viel mehr ältere Fans geben ... denke ich.


    rappers.in: Was manchmal nervt, ist dieses sturre Armgewippe. Das Mitfeiern in der zweiten Reihe ist einfach nicht mehr das Geilste, das mit dem Hüpfen klappt nicht immer so gut. Auf der Bühne ist dann extrem viel los und im Publikum herrscht mehr so eine "Oh"-Stimmung.


    Laas Unltd.: Teilweise merkt man das. Es gibt da schon Städte wie Stuttgart. In Stuttgart gab's immer eine gute Infrastruktur. Ich hab' das Gefühl, die Leute da haben es auch gut drauf, Publikum zu sein. Die waren schon auf 1.000 Konzerten und wissen einfach, wie es abläuft. Teilweise sind Leute ja auch zum ersten Mal bei einem Rapkonzert und wissen eben noch nicht, was man da macht. Da muss man sie ein wenig an die Hand nehmen. Ich finde das auch irgendwie cool. Ich heul' da jetzt nicht hinterher. Ich bin ja auch Fan von neuen Sachen – zwar nur Amisachen, aber da feier' ich alt und neu. Wenn einem was wichtig ist, bleibt man da näher dran.


    rappers.in: Früher wurde mit Elle vor der Brust gepogt, inzwischen ist das Prinzip "Elle in des and'ren Brust", deswegen geh' ich nur noch sehr selten zu Punkkonzerten.


    Laas Unltd.: Ich stelle da den Künstler über die Crowd. Wenn da ein geiler Künstler ist, den ich feier' ... Mir wäre es wahrscheinlich trotzdem egal, wer noch hingeht. Wenn du genau weißt, dass da viele Typen sind, auf die du keinen Bock hast, will ich ja doch letztlich den Künstler sehen. Das ist für mich das Wichtigste. Aber ich geb' dir da Recht, ich war auch schon lange nicht mehr auf einem Konzert.


    rappers.in: Ein gutes Konzert ist für mich, wenn ich genauso verschwitzt bin wie der Mensch auf der Bühne.


    Laas Unltd.: Okay, so bin ich zum Beispiel gar nicht. Ich steh' in der Crowd. Ich wäre der Typ in der Crowd, den ich selber hasse. Wenn ich manchmal auf der Bühne stehe und die Leute angucke, haben die den Gesichtsausdruck von einer Statue. Da bildet man sich direkt ein, dass derjenige schlecht gelaunt ist. Und ich steh' da und denk mir: Ich rappe hier seit einer halben Stunde und gebe alles und du stehst einfach da und guckst mich an wie ein Affe. Ich wäre genauso. Da bin ich innerlich mehr so "Silvesterraketen gehen hoch" und von außen sieht es aus, als würde ich einen Film gucken. Aber ich geh' auch nirgendwo hin, wo man richtig pogt. Zu Jay-Z kann man auch nicht so richtig pogen, oder?


    rappers.in: ... aber wenigstens hüpfen?


    Laas Unltd.: Das stimmt. Ich finde auch, man sollte einfach Spaß daran haben. Bei HipHop geht es viel um Spaß und Humor und sowas. Bei einer Party bin ich auch der Erste auf der Tanzfläche, wenn da ein geiler Track läuft. Obwohl ich jetzt nicht der tollste Tänzer bin. Man sagt ja auch: Als Rapper tanzt man eher nicht, sondern stellt sich nebendran und nickt mit. Aber das ist halt auch Schwachsinn. Da geht es um die Musik und wenn man Fan ist, tanzt man automatisch. Aber wenn man 15 ist, ist man auch noch eher unsicher. Ich weiß gar nicht, wie das bei mir war. Ich hab' auch erst beobachtet. Am besten ist einfach, man nimmt sich direkt 20 Leute mit, die schon mal Party machen. Dann machen alle mit. Wenn keiner klatscht, dann klatscht keiner.



    rappers.in: ... und wenn der Antrieb nicht mehr da ist, die Hände mal eben zusammenzuklatschen?


    Laas Unltd.: Das geht aber auch voll vom Künstler aus. Mir sagen viele Leute, dass ihnen meine Show Spaß macht, weil sie gesehen haben, dass es mir Spaß gemacht hat. Die sehen dann auch: Der macht sich locker. Da macht man dann gerne mit. Die Leute kommen dahin, um Party zu machen. Dann muss man auch gute Laune haben. Muss sich jeder selber an die Nase packen.


    rappers.in: Mal was anderes: Nervt es dich, so lange dabei zu sein und ständig als Person thematisiert zu werden statt als Künstler?


    Laas Unltd.: Mich nervt es, dass wenig über die Musik geredet wird, sondern eher über irgendwelche Aktionen und Sachen, die passiert sind. Es sind immer so Event-Dinger. Das ist auch cool, dafür macht man es ja auch. Da will ich mich nicht beschweren. Aber natürlich wünscht man sich letzten Endes, dass man so etwas nicht großartig machen muss, weil die Leute die Musik einfach so entertainend finden. Aber da muss ich mir wohl auch wieder an die eigene Nase packen. Ich weiß ja, dass ich die Leute unterhalten kann. Wenn es mit den Alben nicht funktioniert, hab' ich eventuell auch einfach einen Fehler gemacht. Bei den anderen hat es ja auch funktioniert. Das ist dann einfach mein Ansatz, damit umzugehen, das hält mich hungrig. Wenn ich aber ganz ehrlich bin: Natürlich fuckt es einen ab, wenn man denkt: Okay, jetzt hat man sechs Alben gemacht und die Leute reden immer noch nicht über die Musik. Es hieß dann ja auch mal: "Dann lag er wieder am Boden und er ist wieder aufgestanden ..." – was ja auch alles Quatsch ist. Ich lag nie richtig am Boden. Natürlich lief es eine Zeit lang nicht so toll, aber da war ich auch nicht tot. Ich war jedes Wochenende auf der Bühne. Das ist immer noch mehr als manche Rapper sich erträumen können. Die Überschriften nehm' ich dann einfach als Ansporn und denk mir: Fuck, euch krieg ich auch noch.


    rappers.in: Sind das dann wirklich direkte Fehler oder ist das nur schlechtes Timing? Jetzt ist die Rede ja von "Du ruderst zurück" – das versteh' ich nicht wirklich.


    Laas Unltd.: Da war es wahrscheinlich besonders entertainend, wenn Leute auf etwas rumhacken und alle dann einsteigen. Bei MC Rene war es damals ziemlich genauso. Da wurde auch viel geredet. Das gehört anscheinend dazu. Ich hab' mich ja auch selber in diesen Käfig begeben. Ich hätte auch sagen können: Ich halt' mich da raus. Dann muss ich jetzt auch mit allen Konsequenzen rechnen. Wenn man einen Fehler macht, geht man auch schon mal zu Boden. Da darf ich mich jetzt nicht beschweren. Mittlerweile ist es Jso:etzt habe ich oft genug gezeigt, was ich kann. Man hat gesehen, dass es bestimmte Dinge gibt, bei denen gar nicht gemessen werden kann, weil das einfach zwei völlig verschiedene Welten sind. Mit unterschiedlichen Waffen – völlig sinnlos. Jetzt geht's ja auch wieder zurück zur Musik und den Lyrics. Das hat mich am meisten gefreut bei dem Battle. Dass die Leute über die Musik geredet haben. Für mich war es das Geilste, dass sie sich über die Lyrics geflasht haben. Wenn man da hin will, wo ich hin will, ist das ein wichtiger Faktor und ich bin auf einem guten Weg. Da will ich anknüpfen und diesen Wow-Effekt auf dem Album kreieren. Es geht ja immer um das Gefühl, etwas zum ersten Mal zu hören. Das war wahrscheinlich auf meinen Alben noch nicht. Aber noch ist nicht aller Tage Abend.


    rappers.in: Wo willst du hin? Was ist dein Masterplan?


    Laas Unltd.: Masterplan ist so ein behindertes Wort. (alle lachen) Niemand hat einen Masterplan, ist doch so.


    rappers.in: Du brauchst halt 14 verschiedene Masterpläne, die man dann auch austauschen kann.


    Laas Unltd.: Das stimmt. Man muss auf jeden Fall flexibel sein. Aber guck mal: Wo will ich hin? Das spricht schon aus meiner Musik heraus. Ich will einer der besten MCs sein. Ich will auch, dass das alle anerkennen – mehr oder weniger. Das ist das Ziel. Wenn du mich nach Verkaufszahlen fragst, sage ich: Ich will so viele Menschen wie möglich erreichen. Würde mich freuen, wenn meine Songs eines Tages auch im Radio gespielt werden und nicht nur Leute davon hören, die sich jeden Tag auf HipHop-Seiten rumtreiben. Ich find' meine Musik ja geil und will, dass das alle hören. Ich mache das einfach solange weiter, bis ich selber keinen Spaß mehr daran habe.


    rappers.in: Stapelst du mit dem, wie du dich online präsentierst, tief?


    Laas Unltd.: Online? Mir haben Leute eigentlich immer vorgeworfen, dass ich zu hoch staple. Aber ja, ich mach' jetzt keine Ansagen mehr, weil ich mich selber nicht mehr so fühle. Damals war es für mich eine Motivation. Dann noch mal wiederzukommen mit einem Knall und dem "Blackbook"-Album. Mittlerweile habe ich mir vieles selber bewiesen. Da mach' ich mich jetzt locker. Wer will mir denn erzählen, dass ich nicht einer von den Toprappern bin. Ich muss jetzt nicht mehr die ganze Zeit rumbrüllen. Deswegen kommt das vielleicht so rüber, dass ich tiefer stapel' im Internet. Ich muss ehrlich sagen, auf der einen Seite mag ich es, mit den Fans ein bisschen zu kommunizieren. Aber ich hasse es auf der anderen Seite, jeden Tag zu posten. Ich mache das auch schon mal, weil es cool ist, wenn sich Leute dafür interessieren, aber ich sag' mal so: Wenn ich keine Musik machen würde, hätte ich wahrscheinlich gar kein Facebook. Ich versuche, nichts aus meinem Privatleben zu posten. Mir ist das nicht so wichtig.


    rappers.in: Es ist keine Beleidigung, nur eine Beobachtung, aber: Wenn ich von dir Fotos bei der Google-Bildersuche sehe, erwarte ich Lyrics ohne Inhalt mit viel Geprolle und frage mich, ob du auch nur zwei Sätze klar aneinanderreihen kannst.


    Laas Unltd.: Die Fotos? Von Facebook?


    rappers.in: Wirklich die Bildersuche über Google.


    Laas Unltd.: Findest du echt, dass ich auf meinen Bildern wie ein Proll rüberkomme? Also, ich muss dir Recht geben, ich hab' stellenweise einen richtig arroganten Blick. Ich guck' mir manchmal diese Flyer mit meinen alten Pressefotos an und da schau' ich überarrogant. Das kommt daher, dass ich mich mit Fotos immer sehr schwer getan habe. Weil ich mich immer voll scheiße auf Fotos fand. Ich hab' dann irgendwann eine Art gefunden, wie die Bilder erträglich sind. Bei mir ist das dann der arrogante Blick. Außerdem hab' ich das Problem: Wenn es nicht der arrogante Blick ist, dann ist es der nette Blick. Dann heißt es direkt: "Oh, der liebe, nette Laas, der da grade an der Wand steht". Das funktioniert hinten und vorne nicht. Als Rapper passt das Arrogante ja auch besser. Wenn man sich meine Musik anhört, selbst in den verbittertsten Tracks, kann man noch hören, dass ich nicht alles für bare Münze nehme. Man muss sich nur mal anhören, wie ich angefangen habe und so ein bisschen bekannter geworden bin. Da hab' ich Ansagen gemacht von wegen Backpacker und so. Damals haben mich alle Lauch genannt und ich habe in meinem Kopf den Charakter entwickelt und meine Geschichte als Märchen erzählt. Vollkommen verrückt und selbstironisch. Wenn man sich das näher anhört, peilt man schon schnell: Der Typ meint nicht alles so. Das ist kein verbissener Typ. Das ist aber immer das Problem. Man kann nicht von jedem erwarten, dass er das ganze Album durchhört. Die meisten gucken einmal auf das Foto, hören die Single und im Video guck' ich dann auch wieder arrogant. (lacht) Da ist das Bild dann wieder perfekt.


    rappers.in: Du bekommst schon ziemlich viel harte Worte zu hören, oder? Selbst in einem Kompliment steckt manchmal noch ein "Aber sonst ist er ja scheiße".


    Laas Unltd.: Ich bin als ein Typ gekommen, der sich richtig locker gemacht hat – kann man sich mal anschauen, "Backpack Show". Wenn man sich diese Sendung anschaut, damals bei mir in Hamburg, in der alten Küche. Dann kamen diese ganzen Tracks, die relativ witzig waren. Ich kam mit guter Laune, darauf kam aber auch sehr viel Gegenwind. Warum auch immer – ich will mich gar nicht von frei machen, ob es unbegründet oder begründet war. Man bekommt immer Gegenwind. Jedenfalls kam viel Gegenwind und man steht immer weiter in der Öffentlichkeit. Irgendwann ist das lockere, fröhliche Lächeln dann zu einem arroganten Blick geworden. Weil man sich da immer mehr eine Wand um sich herum aufgebaut hat, um dem entgegenzutreten. Manchmal schreiben Leute auch Sachen, die einen echt persönlich treffen sollen und das ist dann ekelhaft. Das färbt ab. Ich bin in manchen Sachen ein ziemlicher Hater geworden. Es ist natürlich behindert, zu sagen: Die haben das bei mir gemacht, deswegen mach' ich das jetzt auch. Aber ich stelle fest, dass es passiert. Ein gutes Beispiel ist Money Boy. Einfach mal nur aus der Beobachterperspektive: Der Typ kam, hat niemandem etwas gemacht, war einfach da und hat richtig viel Shitstorm abbekommen. Der hat immer gute Laune gehabt und auf keinen Diss-Track geantwortet. Alles cool. Mittlerweile fängt er an, Diss-Tracks gegen andere Rapper zu machen. Daran kann man sehen, dass die Leute einen teilweise dazu bringen, so zu werden.


    (Ein Vogel kommt angeflogen und stiehlt Laas den Keks von seinem Kaffee; alle lachen.)


    Laas Unltd.: Siehst du: Alle dissen mich. Hat der mir einfach meinen Keks geklaut. Scheiße. Zurück zum Thema: Das ist bei mir teilweise auch passiert. Ich habe das einmal bei einem Interview gemacht, aber das würde ich jetzt nicht mehr machen. Außerhalb von Rap andere Jungs, die Rap machen, irgendwie runterzuziehen. Das brauch' ich nicht. Aber ich stelle fest, dass ich im Kopf mittlerweile mehr einen Fick gebe als früher.



    rappers.in: Wie fühlt sich das an, wenn ein Teenie ohne aktive Musikerfahrung dir unter einen Track eine Pseudoanalyse haut, warum das jetzt scheiße sein soll? Kannst du das ernst nehmen?


    Laas Unltd.: Nein, das nehme ich auch gar nicht ernst. Mittlerweile kommt es auch nicht mehr an mich ran. Manchmal schaue ich morgens bei Facebook und es gibt so unglaublich dumme Kommentare. Wirklich unglaublich dumm – und manchmal antworte ich darauf. Einfach so. (lacht) Ist aber auch nicht böse gemeint. Die wollen ja teilweise auch nichts Böses, ich kenn' das auch noch von vor ein paar Jahren, als ich Rapworkshops gegeben habe. Die waren da auch dankbar von wegen "Der hört mir jetzt zu". Ich hab' ja ein gutes Umfeld und ein normales Leben. Da berührt einen das nicht so sehr.

    rappers.in: Gibt es denn Dinge, die trotzdem an dir rütteln?


    Laas Unltd.: Was mich schon so genervt hat, war die ewige Diskussion um die "nur elf Tracks". Mehrfach. Irgendwann hab' ich die Tracklist gepostet und das erste, was kam, war: "Oh, nicht mal 45 Minuten". Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lang die ist. Mir ist das auch egal. Für die Kids ist das aber anscheinend wichtig. Das hat mich schon genervt. Ey, wenn ihr wüsstet, was für Hebel ich in Gang setzen musste, damit auch nur ein Track aufgenommen werden kann ... Das war jetzt bei diesem Album nicht so einfach. Bedingt durch die Situation mit dem Album davor war einfach gar kein Geld da. Ich hab' das Glück, dass es viele Leute gibt, die mich unterstützt haben und dann hab' ich selber Gas gegeben. Nur dadurch ist das entstanden. Ich musste auch viel entbehren. Meine Frau war hochschwanger, als ich das Album aufgenommen habe. Da bin ich dann trotzdem zwei Wochen weg gewesen und hab' sie zuhause alleine sitzen lassen. Da hätte jederzeit etwas passieren können. Das hab' ich in Kauf genommen, das hat sie in Kauf genommen und wenn ich dann, an einem schlecht gelaunten Morgen, lese: "Nur xx Tracks" ... Dann denk' ich schon: Kommt mal aufn Teppich. Jetzt grade kann ich drüber lachen. Es ist gutes Wetter, ich bin ausgeschlafen, das tangiert mich null. Aber es gibt Situationen, in denen man sich grade nicht so gut fühlt. Und dann nervt das. Ich hab' schon manchmal versucht, das transparent zu machen. Es gibt auch ganz viele Leute, die dann schreiben: "Ah, hab' ich so nicht bedacht".


    rappers.in: Sind elf gute Lieder nicht mehr wert als 16 miese?


    Laas Unltd.: Voll. Für mich zumindest. Ich mag Alben, die kürzer sind, weil ich es gar nicht schaffe, 25 Tracks zu hören. Ich will ein Album einmal durchhören und dann denken: Geil, ich will es nochmal hören. Das ist aber meine persönliche Ansicht. Keine Ahnung. Ich guck' gar nicht drauf, wie lang das ist und wie viele Tracks es hat. Das ist kein Argument. Aber die Leute sind es gewohnt. Und wenn du dann mit elf Tracks um die Ecke kommst ... Ich seh' das auch so wie du, aber ich glaube, wir sind da aus einer anderen Generation. Wir haben keine Tracks bei iTunes gehört. Wir sind in den Laden gegangen und haben uns die Platte geholt, zuhause gesessen, das Cover angeschaut, die Lyrics gelesen ...


    rappers.in: "Ein Klick und das Lied ist da", macht es irgendwie wertneutraler oder?


    Laas Unltd.: Ich geb' dir da schon Recht, finde es aber auch geil, wenn ein neuer Remix rauskommt. Direkt am nächsten Morgen im Netz und ich kann es sofort anhören.


    rappers.in: Aber das Haptische? Die Platte zum Liebhaben? Der Moment des Auspackens. Ich kann mich erinnern, wann ich welche Platten ausgepackt habe. Weißt du noch, wann du dir was runtergeladen hast?


    Laas Unltd.: Diesen Moment wirst du heute aber nie wieder so besonders haben wie damals. Weil du es einfach schon tausendmal gemacht hast. Mich wird nie wieder ein Konzert so berühren wie damals, als ich das erste Mal Massive Töne gehört habe. Da war alles neu und ganz besonders und jetzt hat man das alles tausendmal gesehen. Ich feier' das auch noch, mich wird es aber nie wieder so mitreißen wie damals. Ist wahrscheinlich gar nicht vom Medium abhängig. Wobei ich genau weiß, worauf du hinauswillst – es ist immer geiler, wenn man noch nichts gehört hat. Gerade bei den Amis ist das halbe Album schon vorher auf dem Mixtape. Ich bin dann zu neugierig, um nicht reinzuhören. Ich mach' das ja selber auch so. Wenn jemand wirklich aufmerksam war und alles gesehen hat, dann hat er eigentlich schon in jeden Track reinhören können. Das ist heutzutage einfach so. Die Medienlandschaft ist so gestrickt. Gerade, wenn man als Künstler so gestrickt ist wie ich, muss man da mitspielen. Es ist nicht mehr wie früher: Man macht einfach mal ein paar Videos und ist dann für ein paar Jahre weg. Facebookfreestyles und sowas alles. Das gehört alles dazu, da muss man am Start sein, wenn man sich dafür entscheidet, mitzuspielen.


    rappers.in: Was ist dir wichtiger? Möglichst hohe Verkaufszahlen oder gute Reviews von "Fachmenschen"? Oder ist das gleich?


    Laas Unltd.: Letztenendes interessiert mich jetzt am meisten, dass ich zufrieden mit der Musik bin. Die Kritiker wird man eh nie alle zufriedenstellen. Soll gar nicht so sein. Man muss ja ein bisschen polarisieren. Von daher sind mir Kritiken heute fast egal. Ich kann auch alle akzeptieren, die mich jetzt noch kritisieren. Wenn sie es persönlich nicht anspricht, dann ist das vollkommen okay. Dementsprechend würde ich jetzt kein Album machen, um die Leute zu erreichen, wenn ich von der Musik nicht überzeugt bin. Es wäre fast schon zu laut gewesen, wenn ich "Blackbook 2" direkt nach "Blackbook" gemacht hätte. Ich hab' gedacht, ich geh' inhaltlich mal davon weg. Lass den Rapper Rapper sein – und rappe dabei immer noch, nur eben über andere Themen. Dementsprechend war es für mich auch immer noch ein straightes Rapalbum. Aber es ist, was es ist. Was mir auffällt, ist, dass viele Leute sagen, dass sie mich feiern, weil ich "der Realste" bin. Da denke ich mir dann: Was heißt denn jetzt der Realste? Willst du mir erzählen, dass Bushido, der über zehn Jahre Musik macht, nicht real ist? Sorry, wenn er das nicht wäre, könnte er das doch alles gar nicht machen.


    rappers.in: Definiere "real" doch erst mal ...


    Laas Unltd.: Genau! Ist "real" HipHop? Nur von Rap zu rappen, wenn man damit nichts zu tun hat? Wenn man nie auf einer Jam war oder keine Freunde hat, die mal Graffitis gemacht haben, wieso sollte ich dann darüber rappen? Ich kann halt von nichts anderem erzählen als von meiner Geschichte und dann muss ich darüber eben sprechen. Von daher ist es auch für mich das Realste der Welt, so ein "Im Herzen Kind"-Album zu machen. Das Gerede über Realness stell' ich zur Zeit oft fest und finde das sehr schade. Deswegen sollt ihr mich nicht feiern. Ich mach' das seit über zehn Jahren. Da ist es doch gar keine Frage, dass das real ist und von Herzen kommt. Also, sorry – wer dann denkt, ich mach' das, um Geld zu verdienen ...


    rappers.in: Vor allem bei dem ganzen Laas-Bashing.


    Laas Unltd.: So! Welcher Rapper in Deutschland verdient richtig viel Geld? Das sind eine Handvoll. Dann gibt es Leute wie mich, die ein normales Leben haben – aber auch keine Riesensprünge machen. Da kann man doch nicht denken, dass man das wegen Geldsucht macht.


    rappers.in: Aber weiß man denn automatisch, dass da nicht viel bei rumkommt? Oder klingt "Plattendeal" nach extrem gutem Einkommen in den Ohren von Leuten, die sich nicht damit beschäftigen?


    Laas Unltd.: Klar, die wissen das natürlich nicht. Woher auch. Die müssen das aber auch gar nicht wissen. Die sollen unterhalten werden und sich am Produkt erfreuen. Die Leute müssen halt vorsichtig sein, dass sie nicht immer gleich alles sofort werten. Da geht es ja dann immer sofort: Der ist so schlecht gechartet. Da kommen so wenige Leute aufs Konzert. Ja, da kommen halt nicht so viele Leute, aber ich spiele trotzdem jedes Wochenende eine Solo-Show.


    rappers.in: Im Moment wirst du pressemässig eher positiv gesehen. Nimmst du das nach den ganzen vorangegangenen Erfahrungen noch ernst?


    Laas Unltd.: Ja, das mit dem Positiven stimmt. Zum Teil freut es einen. Es freut einen immer, wenn Leute was Positives über einen schreiben. Aber der bittere Nachgeschmack, als sie das Gegenteil geschrieben haben, ist circa ein Jahr her. Aber genau das Gegenteil. Das Jahr davor war das bei manchen auch schon. Da denk' ich mir schon: Jetzt wird genauso nachgelabert, wie zuvor nachgelabert wurde. Nach dem Battle haben die richtigen Personen gesagt, dass es ganz toll war. Wenn Falk sagt, dass das richtig krass war, dann glauben ihm das viele. Weil er einfach so viel Ahnung hat und ein gutes Standing in der Szene. Er ist quasi ein Meinungsmacher. Das Battle haben sehr viele Meinungsmacher positiv bewertet. Wenn Sido das schreibt, dann will sich da auch keiner gegen seine Meinung stellen. Ich hab' keinem gegenüber Hass und will auch keinen Hass schüren, aber denke mir auch meinen Teil. Natürlich werde ich den Leuten nie wieder mit offenen Armen gegenüberstehen wie vorher. Ich war eigentlich jedem gegenüber cool, der sich mit Rap beschäftigt hat. Du wirst keinen Track finden, auf dem ich jemanden gedisst habe. Bis auf die eine Geschichte da, aber davor und danach ... Ich habe auch nie schlecht über jemanden gesprochen. Natürlich habe ich auch mal gelästert, aber ich war nie in der Öffentlichkeit dafür bekannt, über andere zu lästern. Ich wollte eigentlich, dass all die Leute mich auch cool finden. Irgendwann merkt man aber auch, dass man das selbst gar nicht mehr will. Ich habe mit kaum einem Rapper etwas zu tun. Es gibt eine Handvoll Leute, die ich als cool empfinde. Ich kenn' halt auch nicht alle.


    rappers.in: Hast du ein schönes Schlusswort für uns?


    Laas Unltd.: Schreib: Es ist viel passiert und jetzt geht's erst richtig los!



    (Jasmin N. Weidner)

  • Laas Unltd.: Da ist das Problem: Es wird viel nachgeredet. Bestimmte Personen müssen nur Schlüsselsätze sagen und das verbreitet sich dann genau so. Irgendwo wird das geschrieben, damit hat das seinen Stempel. Die Kids sind dann auch noch unsicher, haben überhaupt nicht das Geld und die Zeit, sich alles anzuhören. Was sie irgendwo gelesen haben, reden sie dann einfach nach. Das verbreitet sich wie ein scheiß Schneeballsystem.




    Hip-Hop Germany in a nutshell. Sehr gut Laas. :thumbup:

  • Sympathisches und gut geführtes Interview, hat Spaß gemacht zu lesen...und auch etwas traurig, z.B. wegen des Punktes den Stiff zitiert hat.


    Hab übrigens jede Antwort mit der Stimme von Laas gelesen bzw. lesen müssen, schönes Phänomen. Hat sich in meinen Kopf gedrängt, weil sie so prägnant ist.

  • Zitat

    Original von NateH8red
    Hab übrigens jede Antwort mit der Stimme von Laas gelesen bzw. lesen müssen, schönes Phänomen. Hat sich in meinen Kopf gedrängt, weil sie so prägnant ist.


    sehr gut mit der stimme von laas gelesen wirklich sehr gut gefällt mir würd ich auch gern können :thumbup:


    grüße an laas ick mag dich =)

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