Review: Döll – Weit entfernt




  • 01. Prolog
    02. Für uns
    03. Was mir auffällt
    04. Abbild
    05. Weit entfernt
    06. Es bleibt dabei


    Als Musikredakteur erlebt man viele denkwürdige Momente. Mal sind sie positiver Natur, mal negativer und manchmal einfach nur peinlich. Die schönsten Momente, wenn man sich derart intensiv mit einem bestimmten Genre auseinandersetzt, sind jedoch immer die unerwarteten. Man bleibt ja auf dem Laufenden, man kennt sich ja aus – aber trotzdem passiert es immer mal wieder, dass da einer um die Ecke kommt, der einen richtig umhaut. Und dabei geht es nicht um "Das nächste große Ding"-Prophezeiungen oder Hoffnungsträger-Gefasel, sondern um die intime, subjektive Erfahrung zwischen Künstler und Hörer: einfach, dass man "den Scheiß fühlt". Einen dieser Momente hatte ich kürzlich mit der EP "Weit entfernt" von Döll, seines Zeichens der kleine Bruder von Rapper Mädness. Ist eigentlich wichtig, mit wem er verwandt ist? Nicht wirklich, denn der bei WSP Entertainment gesignte Rapper macht sein ganz eigenes Ding. Zum ersten Mal las ich seinen Namen im Kontext des vor einigen Jahren erschienen "Alles im Kasten" an der Seite von Homie Nomis. Dort konnte man das Potenzial des Rappers bereits erahnen, jedoch schaffte er es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, auf ganzer Linie zu überzeugen. Die Beats stimmten, die Technik war versiert, die Attitüde frech, jedoch fehlte es an inhaltlicher Tiefe, um mehr als nur kurzweilige Unterhaltung zu bieten. Dieser Schwäche ist der Künstler größtenteils entwachsen und hat augen- beziehungsweise ohrenscheinlich seinen Sound gefunden:


    "Bevor noch mehr scheiß Zeit umsonst verstreicht/
    Aus Bongs steigt oder sonst wo bleibt/
    Komm' ich mit Rhymes, scheiß' drauf, was ich sonst so treib'/
    Und stell' sicher, dass ich auf Songs zerreiß – was soll schon sein?!/"
    (Döll auf "Für uns")


    Während auf seiner letzten Veröffentlichung hauptsächlich Battle- und Thementracks den Inhalt bestimmten, zeigt sich Döll auf seinem ersten Solo-Release deutlich gereift. So weicht der eher starre Rahmen seiner älteren Texte einem druckvollen Wechselspiel von Battletexten und Einblicken in die Persönlichkeit sowie das Leben des jungen Künstlers. Dies geschieht jedoch nicht im Stile der typischen "XOXO"-Trittbrettahrer, sondern in den authentischen Beobachtungen eines Mittzwanzigers, dessen Leben sich vor allem ums Musikmachen, Frauengeschichten und den übermäßigen Konsum von Marihuana dreht. Diese im Kontext HipHop nicht gerade exotisch anmutenden Freizeitaktivitäten bilden das Spannungsfeld, in welchem uns der Rapper sein Weltbild näherbringt. So präsentiert sich Döll als recht schwarzseherischer Mensch, der die Welt um sich herum sehr kritisch betrachtet und für den es mit nachvollziehbarer Selbstverständlichkeit nicht in Frage kommt, den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen.


    "Weit weg wie von 'nem Gedanken an 'nen stinknormalen '9 to 5'/
    Bleib' ich wach, weil sich die Scheiße nicht von alleine schreibt/
    Im Fernsehen heißt es: 'Es ist deine Zeit'/
    Ich will meine nutzen, weil sie leicht verstreicht und sich manch einen einverleibt/"
    (Döll auf "Es bleibt dabei")


    Dass man hier einen Rapper vor sich hat, der seinen Stil gefunden hat, merkt man "Weit entfernt" zu fast jeder Sekunde an. Zum einen überzeugt Döll mit textlichen sowie technischen Qualitäten, einem treibenden Flow und beeindruckenden Reimketten. Zum anderen beweist der Rapper ein außerordentliches Händchen in Bezug auf die Auswahl der Instrumentierung seiner Texte. Mit Kollege Schnürschuh, Dexter, Brenk Sinatra, Gibmafuffi und Sterio hat Döll sich die Unterstützung einer illustren Reihe an Produzenten gesichert. Der Sound des Tonträgers wird durch eine sehr organische Roughness bestimmt, heißt: samplebasierter Neo-Boom bap, der aber nicht nur vor sich dahinplätschert, sondern nach vorne geht. Besonders hervorzuheben sei hier "Abbild", in dem Kollege Schnürschuh ein Brett von einem Beat geschraubt hat, der an jüngere Glanztaten von Alchemist erinnert und auf dem Döll mit atmosphärischem Stimmeinsatz die richtigen Akzente setzen kann. Oder auch der Höhepunkt der EP, der Titeltrack "Weit entfernt", auf dem ein wütender Döll uns auf einem wunderbaren Dexter-Beat ein paar Anekdoten aus seinem Musikeralltag vorträgt. Das Niveau dieses Glanzstücks kann Döll zwar nicht über die gesamte Spieldauer halten, jedoch wird "Weit entfernt" zu keinem Zeitpunkt langweilig und die ein, zwei textlichen Durchhänger fallen im Gesamtbild eigentlich nicht weiter auf. Angesichts der Tatsache, dass es sich hier um eine kostenlose EP handelt, kann man sowieso nicht meckern. Ich für meinen Teil hoffe jedenfalls, dass ich in Zukunft noch mehr von Döll hören werde. Ein ganzes Album zum Beispiel.



    (disdi)



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  • Auf jeden Fall mindestens 7 Mics zu wenig. Das Tape hat mich so hart gefickt, dass ich immer noch nicht drauf klarkomme, dass alle anderen MCs im Vergleich todeswack sind.

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