Review: Kollegah – King



  • 01. Alpha
    02. King
    03. Flightmode
    04. R.I.P.
    05. Cohibas, blauer Dunst
    feat. Farid Bang
    06. AKs im Wandschrank
    07. Morgengrauen
    08. Sanduhr
    feat. Favorite
    09. Du bist Boss
    10. Universalgenie
    11. Lamborghini Kickdown
    12. Karate
    feat. Casper
    13. Schwarzer Benz
    14. Rolex Daytona
    feat. Game
    15. Warum hasst du mich
    16. Königsaura
    17. Es ist Rap
    feat. Genetikk
    18. Click Click
    19. Regen
    20. Omega


    Dieser Kollegah ist ein Phänomen. Die Gründe dafür werden von Jahr zu Jahr mehr: schon vor zehn Jahren fing Felix Blume in der RBA an, mit verrückten Reimketten und Wortspielen Münder offenstehen zu lassen. Er entwickelte sich zum absoluten Zugpferd von Selfmade Records und kletterte immer weiter nach oben in der deutschen Raplandschaft. 2013 dann der vorläufige Höhepunkt: goldene Platte für "JBG 2" gemeinsam mit Farid Bang, auf der Couch bei TV Total – und das mit Musik, die niemals in irgendeinem Radio laufen würde. 2014 wird dann klar, dass Kollegah als Alleinunterhalter scheinbar noch zu viel mehr fähig ist: eine Promophase, wie sie Rapdeutschland noch nicht gesehen hat – und die plötzlich gefühlt der komplette Rest Deutschlands auch mitkriegt. Gangsterrap auf Volksmusik, eine Late-Night-Show, immer wiederkehrende Phrasen, aus denen einfach mal ein Club-Track gemacht wird, der kaum klischeehafter sein könnte – und eine unfassbar positive Resonanz auf das alles. Wat is' hier eigentlich los? Und vor allem vergisst man fast: Der Kerl macht ja eigentlich auch Musik. Und dann kommt das Album, auf das gefühlt ganz Rapdeutschland gewartet hat: "King" geht am ersten Tag Gold – ja, nach vier Monaten Vorverkauf – und bricht auch sonst Rekorde, die ich hier gar nicht alle aufzählen will. Dass der Boss dem King of Pop die Nummer 1 in den Charts klaut, kommt dann ungefähr so überraschend wie die Meisterschaft der Bayern am letzten Spieltag. Aber um all diesen Kram geht es in dieser Review jetzt nicht: Wir lassen Kollegah jetzt nämlich einfach mal rappen.


    "Ich habe Punchlinerap revolutioniert/
    Ich habe Doubletimerap revolutioniert/
    Ich habe Deutschrap an sich revolutioniert/
    Während der Rest vergeblich versucht, meine Technik zu kopieren/
    "
    (Kollegah auf "Alpha")


    Tja, und mit diesen Zeilen hat Kollegah einfach recht. "Alpha" unterscheidet sich neben den ersten typischen Vergleichen und Selbstbeweihräucherungen allerdings vom typischen Kollegah-Intro. Der Düsseldorfer lässt schon zu Beginn des Albums vereinzelt persönliche Töne anklingen und schildert seinen bisherigen Werdegang. Über das ganze Album verteilt lässt der Künstler im Vergleich zur Vergangenheit öfter sein "wahres Ich" aufblitzen. Am Ende des Tracks wird dann auch demonstrativ Felix Antoine Blume von der Kunstfigur Kollegah abgegrenzt, die dann auf "King" den Platz an der Spitze von Rapdeutschland verlangt und vor Arroganz nur zu triefen scheint. Diese Mischung scheint zunächst interessant. Inhaltlich lässt sich dann zum Großteil des Albums, wie man das so kennt, aber doch recht wenig sagen. Kollegahs Themen haben sich bei den meisten Titeln nicht geändert: Geld, Drogenhandel, Frauen und natürlich der geliebte Bizeps liefern das Gewand für Reimketten auf höchstem Niveau, verschachtelte Wortspiele um die Ecke, saubere Doubletimepassagen und auch ansonsten einen Flow, der so gut wie immer perfekt auf den Takt passt. Viel mehr muss dazu eigentlich kaum gesagt werden. Unabhängig vom Inhalt und den Beats spielt Kollegah auch auf diesem Album raptechnisch in einer eigenen Liga. Was nicht immer ganz gegeben ist: die richtige musikalische Untermalung und auch etwas mehr Selektion bei der Trackauswahl. Das bleibt auch bei "King" nicht aus: "AKs im Wandschrank" zum Beispiel ist einfach ein unnötiger Titel mit schwachem Beat, schwacher Hook und ... ja, gerappt wird technisch versiert und überzeugend, aber etwas Humor im Text ohne "übertriebenes Waffengelaber" steht dem Boss meistens besser. Ansonsten wurde das Versprechen von "Beats mit Atmosphäre" durchaus auch eingehalten, ein asiatisch anmutendes Instrumental von Hookbeats und Phil Fanatic untermalt "Morgengrauen", das sich in die Riege von Tracks wie "Sommer" einreiht. Mit dem Blunt in der Hand reflektiert Kollegah – oder Felix? – seine Rolle als mittlerweile bundesweit bekannter Künstler und hadert mit der Gesellschaft. Die persönlicheren Titel, wie zum Beispiel auch "Regen", sind für mich ein zweischneidiges Schwert, da sie zwischen den sonstigen "Auf die Fresse"-Tracks doch schnell unauthentisch wirken können. Denn klar ist: Kollegah ist ein Imagerapper und seine Texte nicht ganz ernst zu nehmen. Doch gerade, wenn er ab und zu seine wahre Person durchschimmern lässt, kann man zum Beispiel seinen angeblich ständigen Drogenkonsum nur schwer ernst nehmen. Schließlich wird der Boss in keinem Interview müde, zu betonen, wie unnötig Drogen seien und was für einen gesunden Lebensstil er mittlerweile führe. Trotzdem ist "Morgengrauen" eine gelungene erste Alternative zu den Battletracks. Kollegah versteht es immer noch, mit ausgefeilten Formulierungen auch mit einem etwas deeperen Song zu überzeugen.


    "Und kaum bist du mal schwach, nutzt dich jeder aus/
    Eyo, sterben ist 'ne einsame Sache – doch leben auch/
    Ich zieh' am Blunt, lös' die Sorgen auf in Rauch/
    Und die Skyline meiner Stadt taucht im Morgengrauen auf/
    "
    (Kollegah auf "Morgengrauen")


    Für die besten Titel des Langspielers hat sich der Rapper auch die besten Beats ausgesucht. "Universalgenie" ist eine einzige Reimlawine, bei der Kollegah sich einer poetischeren Ausdrucksweise bedient und fernab der Drogen- und Zuhälterwelt historische und illusorische Bilder schafft. Der düstere, simple Beat und eine "dreckige" Mische und Scratches anstelle einer Hook runden den Titel wunderbar ab und schaffen Atmosphäre. Mit "Königsaura" liefert der Boss auch einen Nachfolger für den Überlängentrack "Bossaura". Auf einem passend majestätischen Beat mit Frauenchor-Voicesample von KD Beatz wird sieben Minuten ohne Hook durchgespittet – alleine diesen Song kann man eine halbe Stunde auseinandernehmen, wenn man alle Doppeldeutigkeiten und Reime herausfinden will. Auch "Click Click" ist ein rundum überzeugender Battletrack auf einem druckvollen Beat von den United Hustlers mit gelungener Hook.


    "Hau mir ab mit deiner Graskiffermucke/
    Hundesohn, ich box' dich back in deine Pfadfindergruppe/
    Und du fragst dich, wieso nennt selbst dein Vater dich Schwuchtel/
    Kid, weil du dem oberpeinlich bist, wie ein Haar in der Suppe/
    "
    (Kollegah auf "Click Click")


    Neben den vielen sehr starken Tracks gibt es auch Kritikpunkte bei "King". Wie anfangs angeschnitten, gibt es Titel, die man einfach hätte weglassen können, da sie zwischen den besseren Songs stören und den Gesamteindruck schmälern. Mit 75 Minuten Spielzeit ist "King" einmal mehr eine recht lange Platte geworden. In diesem Fall würde weniger den Hörgenuss steigern. "Du bist Boss" soll an die Jugendlichen appellieren, etwas aus sich zu machen und an sich zu arbeiten – das passt einfach nicht auf eine Kollegah-Platte. Auch "Karate" mit Casper kann man sich sparen. "Karate" kann leider in keiner Weise an Klassiker wie "Straße 1+2" und "Immer fly" anknüpfen. Das liegt daran, dass beiden Rappern die Atmosphäre und das jeweilige Image, welches ihnen bei Entstehung dieser Titel anhaftete, doch abhanden gekommen sind. Auf "King" rappt Kollegah zwar weiterhin über die bekannten Themen, doch kommt er weniger wie der "Zuhälter" rüber und profiliert sich sehr viel mehr über seine Rapfähigkeiten. Caspers Part mit experimentellem Stil kann für mich nicht mit den aggressiven, hungrigen Raps seiner älteren Releases mithalten. Das Beispiel dieses Titels steht ebenfalls für den Unterschied von "King" zu älteren Kollegah-Releases. Atmosphäre und Flavour sind die Punkte, die dem Album am meisten abgehen. Denn die Themen von Toni sind zwar noch immer kriminelle Aktivitäten, der Straßenhintergrund, der Zuhälter und die ausgeklügelten Erzählungen aus diesem angeblichen Leben sind jedoch einer größeren Quantität von Punchlines und viel mehr dem reinen Rapper Kollegah gewichen. Auch die Vortragsweise trägt dazu bei: Der Boss rappt mittlerweile weniger entspannt und zurückgelehnt, sondern mit druckvoller, manchmal aggressiverer Stimme. Das sorgt für beeindruckende Punchlinegewitter, kann für alteingessesene Kollegah-Fans, die den Zuhälterrapper hören wollen, aber enttäuschend sein. Die Perspektive ist dem des erfolgreichen "King of Rap"-Anwärter gewichen. Die anderen deutschen Features Genetikk, Favorite und auch "JBG"-Kollege Farid Bang überzeugen neben dem Boss und harmonieren sehr gut mit ihrem Kollegen. Durch Sikk landet so auf einem Kollegah-Album ein schöner, oldschoolig angehauchter Sample-Beat. Das Star-US-Feature Game liefert auf "Rolex Daytona" souverän ab, der Track ist wegen des eher langweiligen Beats und einer schwachen Hook aber doch eher einer der mehreren Skip-Kandidaten. Als Outro wählt Kollegah mit "Omega" wieder ein fast sieben Minuten langes Stück mit einem warmen, langsamen Beat von Hookbeats und Phil Fanatic, über den der Interpret mal eher entspannt, ja, fast selbstzufrieden flowt und noch einmal eine Unmenge an technisch anspruchsvollen Lines auf den Zuhörer abfeuert, ohne dabei an Qualität einzubüßen.


    Fazit:
    Und dann ist das Album ohne ein großes Konzept auch schon vorbei. Kollegah hat sich mit "King", wenn es einfach nur um Raptechnik geht, durchaus die Krone aufgesetzt. In dieser Hinsicht kann dem Boss in Deutschland wirklich kaum jemand das Wasser reichen. Der Flavour und die Atmosphäre alter Tapes gehen dem Ganzen jedoch ab – das Zuhälter-Image ist nicht mehr gegeben, weil düstere, entspannte Stimmung entweder einem reinen Punchlinegewitter oder zuweilen der Privatperson Felix Blume weicht, die sich zwar von der Kunstfigur Kollegah distanziert, aber halt doch auf dem selben Album ihre Geschichten erzählt. Und so kann der pure Rap über die lange Spielzeit, wenn die Beats schwächer und Hooks wenig eingängig sind, nicht mehr fesseln und langweilig werden. Nimmt man aber alles zusammen, hat Kollegah definitiv ein sehr starkes Release rausgehauen und seine Ausnahmestellung in puncto Rapskills in Deutschland einmal mehr mindestens bestätigt.



    (Alexander Hollenhorst)

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  • Gute Review, gutes Album, jedoch nichts was ich mir im loop geben kann außer "Universalgenie".


    Nebenbei finde ich alle features enttäuschend, vor allem von Game habe ich mir mehr erhofft.



    e: zu viele Skiptracks.

    you son of a bitch, she said, I am
    trying to build a meaningful
    relationship.


    you can't build it with a hammer,
    he said.

  • finde die Bewertung zu schlecht
    es sind ein paar Lieder zu viel, die aber bei jedem unterschiedlich sind (von daher halt auch nicht wirklich zu viel)
    Zitate finde ich nicht gut gewählt, geschrieben auch nicht so toll


    was mir mal auffällt
    wenn man eine Review macht, dann ist das ja eine persönliche Meinung
    ich würde deswegen Aussagen wie "das beste Lied des Albums" umändern, sodass zu sehen ist, dass es sich um eine persönliche Meinung handelt

  • Hätten ruhig fünf Mics vergeben werden können.
    Finde dass diese Tracks die angeblich nicht aufs Album passen eigentlicher eher Vielseitigkeit zeigen und "Regen" zum Beispiel bisschen Abwechslung reinbringt. Finde das besser als 20 Tracks lang Kolles Imagerap über Waffen und Geld.
    Was Reimketten und Wortspiele angeht ist Kollegah halt auch wirklich die Spitze in Deutschland.
    Ansonsten gute Review auch wenn die endgültige Bewertung irgendwie bisschen schwächer ist als beschrieben.

  • Zitat

    Original von LeRoy
    wenn man eine Review macht, dann ist das ja eine persönliche Meinung
    ich würde deswegen Aussagen wie "das beste Lied des Albums" umändern, sodass zu sehen ist, dass es sich um eine persönliche Meinung handelt


    hast du recht, korrigiere ich ziemlich oft auch rein. :thumbup:

  • Stimme der Review im Großen und Ganzen zu. Das Album ist gut, natürlich. Aber im Vergleich zum arroganten Boss, der total desinteressiert auf chillige Beats rappt ist das nichts. Das Album kommt bei weitem nicht an die Zuhältertapes ran.

  • Hätte so 0,5-1 Mic mehr gegeben, finde dass das Album sehr aus dem deutschen Rapeinheitsbrei heraussticht, ich kann das Album heute zum zwanzigsten mal hören und immer noch irgendein verstecktes Wortspiel entdecken

  • Dirty-Maulwurf-EP: 5 Mics
    Kollegahs Rekordrelease: 4,5 Mics


    Sauber, rappers.in :thumbup:


    Jaja, ich weiß, verschiedene Redakteure, verschiedene Meinungen, aber immer noch selbe Bewertungsskala auf derselben Plattform. Mir sagen jetzt beide Stilrichtungen nicht so zu, aber das sieht so schon ziemlich ulkig aus.

  • Einer der besseren Reviews hier wie ich finde, wobei ich tendenziell sogar weniger Mics vergeben hätte. Ganz gutes Album, aber irgendwie wurde es sehr schnell langweilig und ich weiss auch nicht ob ich mir überhaupt nochmal Tracks davon gebe. Raptechnisch immer überkrass, aber sonst ist Kolle auf dem absteigenden Ast wie ich finde. Eingängige musikalische Hooks oder Athmosphäre fehlen teilweise total. Einen richtig krassen "Kopfnickerflow" hatte Kolle ja eh noch nie.

  • Zitat

    Original von Okamia?!
    Review ist gut, Kollegah als King des Deutschrap zu bezeichnen halte ich für Schwachsinn. Album kann man sich dennoch zwischendurch mal geben


    JAW und Shindy > Kollegah :cool:


    King ist gut, kann man sich anhören. Kommt aber nicht ganz an alte Alben ran.

  • find universalgenie irgendwie richtig unanhörbar, kein plan warum...
    sonst gefallen mir persönlich die meisten tracks schon sehr gut, daher finde ich die bewertung doch sehr streng, aber jedem das seine :D

  • Universalgenie mMn der beste Track der Platte und das, was ich mir von einem Kollegah 2014 wünschen würde. Karate, Lamborghini Kickdown und paar andere Tracks auch noch killer, aber wie immer bei den letzten Selfmade-Sachen viel zu viele Skiptracks. Weniger ist mehr, immer noch. Stimme der Review größtenteils zu, Bewertung hätte ich auch ähnlich gesetzt

  • Bin hier wohl der Einzige, aber der neue Kollegah gefällt besser. Besitze keines der früheren Alben, da ich mit diesem drucklosen, sich permanent wiederholendem Zuhältergelaber überhauptnichts anfangen kann.
    King ist eine sehr gute Platte, die natürlich ihre Schwächen hat, aber die teilweise Ablegung des Zuhälterimages ist für mich keine.

  • 3/6 hätten es für mich eher getan
    Wenn Kollegah nicht Kollegah wäre,würde das Album doch kein Mensch so hoch ansiedeln
    Bis auf 5-6 Tracks ist das größtenteils echt mittelmaß und dahingeklatschte Einheitscheiße auf gutem technischen Niveau(Für Kollegahs Verhältnisse sogar eher mittelmäßig)

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