Review: SadiQ – TrafiQ



  • 01. Intro
    02. Wo
    03. Arab und Afghani
    feat. Massiv
    04. Skit 1
    05. Sag mir
    06. Schmerz in der Brust
    feat. Fard
    07. Trafiq Flow
    08. Skit 2
    09. Mein Club
    10. Braun
    feat. MoTrip
    11. Ich kenne es feat. Eko Fresh
    12. Khaled
    13. Skit 3
    14. Ya Amar
    15. Killer Kollabo
    feat. Azad
    16. Rapper ohne Tattoos
    17. Du bist
    18. Eben wie es eben ist
    feat. Bizzy Montana
    19. Skit 4
    20. Block Nummer 10
    21. Outro


    Wie verweichlicht sind die, die sich früher mal "Gangsterrapper" nannten, eigentlich geworden, wenn Leute wie Sido – unlängst zum seriösen Musiker mutiert – oder SadiQ auf ihren Alben weder aus Jux und Tollerei Geld anzünden noch Frauen beleidigen, sondern über irgendwas mit Inhalt rappen? Anderes Beispiel: Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass Kollegah einer wohltätigen Organisation, der Arche, Geld gespendet hat. Außerdem wird gemunkelt, dass sich Sido zu einer ähnlichen Tat hinreißen ließ. Die Spende von Kollegah wiederum wurde vom Frankfurter SadiQ lobend erwähnt – hallo, geht's noch!? Der Grundstimmung lässt sich eine eindeutige Tendenz ableiten: Deutsch- beziehungsweise Gangsterrap transformiert zu einem Tummelplatz verhätschelter, überempfindlicher Mittzwanziger, die ohnehin einen schlechten oder gar keinen Schulabschluss besitzen und ganz nebenbei mit dem Müll, den viele von ihnen nicht Rap, sondern nur noch Musik – nicht selten sogar Kunst – nennen, Geld verdienen. Nachrichten, die das Gesamtbild eines treuen Anhängers tief erschüttern – anders lässt sich das nicht sagen, ganz klar. Als wäre das Szene-übergreifende Eier-Geschaukel à la "#hangster" nicht schon genug, verkommen Gangsterrapper auch ganz allein zu weinerlichen Sitzpinklern. Sind wir froh drum, dass dem Frankfurter SadiQ mehrere Anzeigen ins Haus stehen und er hoffentlich eine saftige Strafe zu befürchten hat. Das härtet ab, ganz sicher. Sein Debüt-Album "TrafiQ" spricht man übrigens wie "Grafik" – nur eben mit "T" und einem gerollten "r" – aus.


    Auch wenn klar sein sollte, dass die vorangestellte Annahme und das Geblödel drumherum mit einem Augenzwinkern zu verstehen ist, steckt ein Fünkchen Wahrheit in ihr. Der bereits angesprochene SadiQ aus Frankfurt veröffentlichte jüngst sein Debüt-Album "TrafiQ". Bereits Wochen zuvor kündigte er explizit an, Frauenfeindlichkeit habe darauf keinen Platz, sondern Inhalt und Tiefe – dieses Selbstverständnis und die potenziellen Uneinigkeiten seien auch der Grund gewesen, aus dem er das Angebot der Azzlackz ausschlug.


    "Bin auch kein guter Mensch, doch ich weiß, Gott ist groß, man/
    Kämpfen für Glauben gegen die teuflische Großmacht/
    Wie viel Tod kam von Menschen für Geld/
    Sieh, der wahre Terrorist ist von der westlichen Welt/
    "
    (SadiQ auf "Sag mir")


    Der Junge aus Frankfurt bereichert uns auf "TrafiQ" um Weisheiten wie die, dass es in Deutschland noch immer Ghettos gibt, in Frankfurt weißes Pulver gepusht wird und allem voran: dass Menschen leiden. Und zwar so wie in keinem Splattermovie. Geht man von SadiQs Erzählungen aus, müsste das Frankfurter Pflaster so heiß sein, dass sich niemand mehr heraustrauen sollte, der tiefschwarze Haare hat oder sich durch eine andere oberflächliche Nichtigkeit als Ausländer verraten könnte. Aber auch der eigene Anhang birgt heimtückische Hinterhältigkeiten, denn hier wird man vom besten Freund verraten und trägt diese Bürde so schwer, dass der aufkeimende Kummer nur mit einem seichtgespülten Track verarbeitet werden kann. Abgesehen von der düsteren Aussicht im heimischen Block, hält der gebürtige Afghane ein Sammelsurium an Themen über Qual und Leid in der Welt im Allgemeinen bereit. Da eignet sich die Profitgier irgendeiner Luzifer-ähnlichen Gestalt ("die da oben", das System, der Westen et cetera) perfekt als verabscheuungswürdiges Feindbild, um das vorherrschende Elend an jemandem festzumachen. Das Elend in SadiQs Welt ist teils buchstäblich unbeschreiblich, denn die oft eingestreuten persischen Begrifflichkeiten erschweren den Zugang hier und da oder verschließen ihn komplett. Der Gesamtkontext lässt die Tragödie manchmal nur erahnen. Bezweifelt werden darf, dass so etwas wie Sensibilität oder Aufmerksamkeit für eine missliche Lage entsteht, wenn vermeintlich katastrophale Zustände in seichtgespültem, vierminütigem Lamentieren ohne neue Perspektive oder Vorschläge ohne irgendeine Art von Originalität, beklagt werden. Und nein, SadiQ hat dafür weder einen irgendwie geilen Flow oder bearbeitet außergewöhnlich düstere Beats noch bringt er seinen Akzent spielerisch beziehungsweise gekonnt ein. Ich bin – wie das vielleicht unterschwellig durchgeklungen ist – etwas gespalten, was "TrafiQ" bis jetzt betrifft.


    "Alles Werkzeug des Teufels/
    Dennoch lass' ich wieder von der Stimme diesen Schmerz von der Brust/
    Denn man fährt immer noch über Grenzen Pakete rein/
    Sie hatten reiche Eltern – wir das Gegenteil/
    "
    (SadiQ auf "Schmerz in der Brust")


    Da die Tracklist mit namhaften Gästen übersät ist, kommen wir nicht umhin, auch sie zur Sprache zu bringen. Was sich dabei ernüchternd festhalten lässt, ist die Tatsache, dass SadiQ von den meisten musikalisch in jeder Hinsicht in den Schatten gestellt, wenn nicht gar deklassiert wird. MoTrips Part veranlasste durch seine perfektionistische Tendenz SadiQ gar dazu, seinen eigentlichen Part komplett zu verwerfen, um dem des Aacheners gerecht zu werden – und immer noch liegen Welten dazwischen. Als hervorragender Techniker und Doubletimer ist SadiQ auf "TrafiQ" selten im Einsatz. Die Ausnahmen verdienen aber ohnehin keine weitere Erwähnung. Das liegt weniger an meiner geringen Begeisterungsfähigkeit für Doubletimeeinlagen, sondern vielmehr daran, dass sich die Vermutung aufdrängt, die schönste Fassade ist für SadiQ wichtiger als alles, was man so mit Inhalt verbindet. Das liegt an billig zusammengeschraubten Plastikbeats, kitschertränkten Sentimentalitäten beziehungsweise Liebesbekundungen und wird von langgezogenen Silben sowie weiteren merkwürdigen stimmlichen Deformationen begleitet. Da wird aus einem "Tattoos" schnell mal ein "Daathuus". Nicht nur, dass technische Eleganz und Verpackung ganz allgemein offensichtlich viel erstrebenswerter zu sein scheinen als textliche Kunstgriffe oder epische Geschichten. Es ist leider auch so, dass die extravaganten Betonungen nicht mehr als schnell erlerntes Handwerk sind und damit in keiner Weise etwas Besonderes darstellen.


    "Ja, in meiner Heimat laufen Kinder barfuß/
    Und kämpfen für Freiheit wie die Achis in Damaskus/
    Terrorist, fick' dich in' Arsch, du, ich stech' auf dich ein, Junge, bis du im Grab ruhst/
    Manche kommen mir dann an: 'Ich kann Kampfkunst'/
    Dann streck deine Beine bis zum Limit wie bei 'Bloodsport'/
    "
    (SadiQ auf "Rapper ohne Tattoos")


    Fazit:
    "TrafiQ" ist – bis auf wenige Ausnahmen und ohne zu drastisch klingen zu wollen – ein großes (klagendes) Gestöhne. Eine Symbiose aus trostlosen Piano-Synthie-Konstruktionen – die im schlimmsten Fall von orientalischen Klängen begleitet werden –, vorgefertigtem und abgenutztem Wehklagen sowie zahlreichen Gästen, die sich zu SadiQ gesellen und in den wehleidigen Tenor bedingungslos einstimmen. Was wir nach dem Hören wissen: Es gibt noch immer irgendwo Ghettos in Deutschland, in Frankfurt gibt es Drogen und Menschen, die sie konsumieren. Doch allem voran: Menschen sterben, leiden, lieben, trauern – die ganze Palette eben. Ein paar kreischende, gepeinigte Freudenmädchen wären mir so gesehen ganz recht gewesen.



    (Die Robbe)

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  • Kann die Review mal gar nicht nachvollziehen. SadiQ hat halt seinen Style, der sich mehr im extrem deepen Straßensound eingliedert - und in dieser Sparte ist er ein sehr ordentlicher Rapper.


    Flowlich viel mehr drauf, als was manch anderer Azzlack-Kollege drauf hat und vielseitiger. Zudem muss man auch bedenken, dass es sein Debüt ist. Dafür hat er es aber ordentlich gemacht. Da haben manch whackere Alben schon mehr Mics bekommen.

  • gabs so ne schlechte bewertung schon mal?

    “We had two bags of grass, seventy-five pellets of mescaline, five sheets of high powered blotter acid, a salt shaker half full of cocaine, and a whole galaxy of multi-colored uppers, downers, screamers, laughers... and also a quart of tequila, a quart of rum, a case of Budweiser, a pint of raw ether and two dozen amyls.
    Not that we needed all that for the trip, but once you get locked into a serious drug collection, the tendency is to push it as far as you can.”

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