Interview: Born


  • Erst kürzlich neigte sich die Tour von Freund von Niemand Bosca zu dessen Top 10-Album "Solange mein Herz schlägt" ihrem Ende zu. Supportact auf dieser Tournee war dabei Boscas Stadtkollege Born. Früher unter dem Pseudonym ZuBös aktiv, machte er sich einen Namen im Untergrund der Mainmetropole und releaste Ende letzten Jahres sein Debütalbum "Seelenschrift" über das noch relativ junge Label Ambivalenz Music. Im Interview mit uns verrät Born von seinen kommenden Plänen, erlittenen Schicksalsschlägen und die Liebe zu seiner Heimatstadt Frankfurt.


    rappers.in: Vor Kurzem hast du auf Facebook geschrieben, dass du aus privaten Gründen vorerst keine Musik mehr machen kannst und einen Tag später, dass du vermutlich doch weiterhin Musik machen musst, um Geschehnisse zu verarbeiten. Willst du uns kurz die dahinter stehende Geschichte erzählen oder ist dir das zu privat?


    Born: Das ist eigentlich nichts Privates. Ich meinte damit nicht, dass ich keine Musik mehr mache, sondern eher, dass man dieses Jahr nicht mehr mit meinem Album rechnen sollte. Ich bekomme jeden Tag Mails, in denen gefragt wird, wann ich denn release. Aber hier in Frankfurt ist etwas Schlimmes passiert. Im Stadtteil Bonames hat wortwörtlich eine Hinrichtung stattgefunden. Ein Freund aus meinen Kindheitstagen ist am helllichten Tag mit 34 Kugeln erschossen worden und es wurde überall von "Rocker hier und da" berichtet – aber das ist mir egal, denn ich kannte diese Person, seit wir Kinder waren. Da gab es noch kein gut oder böse. Wir waren einfach nur kleine Jungs, die draußen Fußball spielen oder mal einen Kippenautomat knacken. Nur Flausen im Kopf ... ob das später dann wirklich in die kriminelle Richtung geht oder nicht, ist nochmal eine andere Sache. Seine und meine Familie kennen sich sehr gut. Für mich war das ein krasser Schock. Ich war zu dem Zeitpunkt in London und hab' das dort erfahren. Und deshalb habe ich den Leuten gesagt, dass ich zu fertig bin, um an mein Album zu denken, bevor noch weitere Fragen kommen. Ich brauche einfach eine gewisse Zeit, um das zu verarbeiten und wer mich kennt, der weiß, dass ich kein Typ bin, der ein Album in zwei Wochen auf die Beine stellt. Das ist einfach ein Reifeprozess, der eine Weile braucht. Ich bin ein Typ, der sehr persönliche Sachen in seinen Songs verarbeitet und sowas kann man nicht einfach mal runterschreiben wie einen Disstrack. Die wirklich persönlichen Sachen brauchen Zeit. Ich habe das auf Facebook geschrieben, um klarzustellen, dass ich dadurch jetzt vielleicht blockiert bin, weil das einfach krass für mich und meine Familie war. Einen Tag später habe ich das wieder in die richtige Bahn geleitet, weil ich auch viele Mails bekommen habe von Fans und Freunden, die alle Anteil gezeigt haben, was mir wahnsinnig Kraft gegeben hat. Daraufhin habe ich auch mit meinem Management gesprochen und wir haben beschlossen, trotzdem etwas auf die Beine zu stellen, weil es unfair wäre, die Hörer warten zu lassen. Man hat gesehen, wie das erste Album angekommen ist – auch, was die Verkaufszahlen angeht. Ich bin nicht gechartet, aber wenn man die Verkäufe des Albums bis jetzt sehen würde, wäre es ein Chartplatz gewesen. Auch wenn es ein längerer Prozess war. Ich versuch' mein Bestes, meinen Kopf frei zu kriegen und den Leuten entweder eine EP oder ein Album zu geben.


    rappers.in: Um noch mal auf das Persönliche einzugehen: Was ist das Ziel hinter deiner Musik? Verarbeitest du mit ihr ausschließlich private Probleme?


    Born: Ich verarbeite nicht nur private Probleme damit. Es kann auch etwas sein, was mich gerade beschäftigt und zum Beispiel in den Medien aktuell ist. Wie derzeit gerade das Thema Ukraine und Russland. Wo einfach jemand einläuft und alle Leute dazu zwingt, etwas anderes anzunehmen. Generell bin ich für alle Themen offen, aber meistens – so war es auch bei "Seelenschrift" – ist es sehr persönlich. Das nächste Album wird in etwa auch so werden, wobei ich da sagen kann, dass es etwas mehr nach vorne gehen wird als beim letzten.


    rappers.in: Laut eigener Aussage hast du für den Sound von "Seelenschrift" ein bisschen mehr Zeit gebraucht. Wie sieht das nun aus? Hast du deinen Sound inzwischen gefunden und denkst du, dass du ihn auch beibehalten wirst, um dir selbst treu zu bleiben?


    Born: Das ist klar: Ich werde niemals andere Musik machen als das, womit man mich jetzt kennengelernt hat. Wenn jetzt erwartet wird, dass ich mit 60 Mann im Rücken vor einem Hochhaus und einem BMW oder Mercedes stehe, dann ist man bei mir an der falschen Adresse. Bei mir wird es immer authentische Musik geben und nichts, womit die Leute sich nicht mit identifizieren können. Jeder wird sehen, dass das, was ich sage, wahr ist und dass ich auch so bin. In der Form bleibe ich meiner Musik treu. Was den Sound angeht: Den habe ich auch bei "Seelenschrift" gefunden. Ich finde aber, dass man sich gerade als Künstler immer weiterentwickeln und neu erfinden sollte. Deshalb kann ich dir jetzt schon sagen, dass das neue Album nicht genau wie "Seelenschrift" klingen wird. Man wird die Handschrift erkennen, weil es meine persönliche Note ist, aber es wird, denke ich mal, schon ganz anders klingen.



    rappers.in: Würdest du sagen, dass es nicht nur vom Stil her ähnlich bleibt, sondern auch vom Klangbild beziehungsweise den Beats her?


    Born: Ja, weil zu der Musik, die ich mache, einfach ein gutes Klavier und eine Geige, ein Orchester und viel Gesang gehören. Das wird schon bleiben. Aber die Stimmung, die ich auf den einzelnen Songs vermitteln möchte, wird nochmal eine andere sein. Beim letzten Mal war es so, dass ich viele Mails dazu erhalten habe, dass das Album Menschen durch schwere Zeiten geholfen und man viel Kraft durch meine Musik gesammelt hat. Beim nächsten Mal wird es natürlich wieder so sein, aber ich versuche dann auch, eine andere Seite von mir zu zeigen. Wer mich aus früher Zeit kennt, als es noch nicht nur Born alleine gab, sondern als ich noch Teil der Formation ZuBös war, der weiß, dass ich gern auf die Kacke gehauen und auch mal Banger-Rap gemacht habe. Aber ohne dass es asozial geworden ist, sondern, indem auf Rapebene mal ein paar Punches verteilt wurden. Das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Ich denke, das werde ich auf dem kommenden Album in dem ein oder anderen Song wieder zeigen. Im Endeffekt kann man wieder einen roten Faden erwarten und es wird viel Persönliches dabei sein, aber das Klangbild wird nicht mehr von Track 1 bis 18 düster und traurig sein, wie das beim ersten Album war.


    rappers.in: Ich habe dir ein Zitat von dir selbst mitgebracht: "Das ist Volksmusik für Kampfsport, Uppercut Antwort aka Frankfurt." Dazu würde ich gerne wissen, was genau diese "Volksmusik für Kampfsport" und wer alles ein Vertreter für sie ist? Ist sie eventuell nur für Frankfurter gedacht, weil man sie nur zu 100 Prozent fühlt, wenn man auch ein Frankfurter ist?


    Born: Die Formation des Tracks – Bosca und Born – sagt schon allein, dass es sehr Frankfurt-lastig ist. Es ist eine Art Hymne ... Wenn man den Beat hört und wie wir darüber erzählen. Und die Line trifft es wie die Faust aufs Auge! (grinst) Mit "Volksmusik für Kampfsport" meine ich, dass viele Leute das zum Trainieren hören werden. Die gehen damit pumpen und zum Boxclub. Die Bosca-Hörer sind ja auch teilweise Fußballfans und da sind immer ein paar Leute dabei, die Kampfsport ausüben, auf den Acker gehen und sich gegen andere Fangruppen die Köpfe einschlagen. Da ist das Ganze dann eben auch ein Motivations-Bringer. Und natürlich sollte das auch eine Ansage sein: Die Musik, die wir machen, können andere nicht verstehen, die nicht von hier kommen. Wenn du Frankfurter bist, dann kennst du den rauen Ton und die rauen Sitten hier. Wenn du aus einem Dorf kommst: Was willst du denn da reden? Wenn du da einen auf Kampfsportler machst, dann komm mal nach Frankfurt und die Leute zeigen dir ganz schnell, wo dein Kampfsport ist. Das steht schon klar für Frankfurt: das Aggressive. Berlin oder andere Städte, die sehr viel Kriminalität haben, werden das natürlich auch verstehen und genauso pumpen können, aber eigentlich ging es uns dabei mehr um das Frankfurt-Ding.


    rappers.in: Dein Künstlername Born leitet sich vom Frankfurter Stadtteil Bornheim ab, aus dem du stammst. Und unter den Zusammenarbeiten für deine Tracks finden sich oft bekannte Frankfurter Rapper wie Jonesmann oder Bosca. Es scheint, als würdest du eine enge Verbundenheit zu der Stadt haben. Warum genau wirkt das so?


    Born: Ich bin seit ungefähr acht Jahren im Underground unterwegs. Damals habe ich diese ganzen Leute noch auf Jams kennengelernt. Da gab's diese ganzen Veranstaltungen ja noch und man hat sich gefeiert und unterstützt. Heute ist das ein ganz anderes Ding. Als mir Ambivalenz Music die Möglichkeit gegeben hat, mein Album rauszubringen, war mir wichtig, dass ich auf meinem ersten Album nur Leute drauf habe, die wirklich in meinem Umfeld zu finden sind. Also Leute, mit denen ich oft telefoniere, privat viel zu tun habe und von denen ich wirklich sagen kann, dass das Freunde von mir sind. Viele kaufen sich bei ihrem ersten Album Features ein, damit die Klickzahlen und die Verkäufe steigen. Darum ging es uns nie. Bei diesem Label ist das eine tolle Sache: Ich kann mich frei entfalten. Wenn ich sage, ich möchte keine Moves machen oder gewisse Videos drehen, damit ich mehr Klicks kriege, dann wird das akzeptiert und der Weg, den wir gehen, der wird zusammen gegangen. Da wird mir nicht reingeredet oder mir irgendeine Vorgabe gemacht, mit wem ich einen Song zu machen habe und mit wem nicht. Die Leute können sich immer sicher sein, dass, wenn ich jemanden feature, dort auch eine persönliche Bindung ist. Speziell bei Tatwaffe hat man das gesehen, mit dem ich ja eine EP gemacht habe. Das war ein total menschliches Ding, weil wir uns super verstanden haben und dann kam eben die Idee, dass wir gemeinsam eine Platte machen. Jeder, der auf meiner Platte ist, hat auch persönlich mit mir zu tun. Der einzige Kontakt, der aufgrund der Entfernung jetzt nicht ganz so eng ist, ist der mit Cashmo. Aber selbst da haben wir auch immer ganz guten Kontakt gehabt, wenn er Videos von Marcella gedreht hat und ich dabei war. Die Connections sind vorhanden und das ist mein Umfeld, das ich auf der Platte auch zeigen wollte. Gerade, weil es so persönlich ist, haben da Fremde eigentlich nichts drauf zu suchen.



    rappers.in: Inwieweit hat dich die Stadt selbst geprägt – gerade auch der Stadtteil Bornheim, was dein Leben und deine Musik angeht?


    Born: Extrem! Gerade Bornheim und wie ich da aufgewachsen bin ... Ich bin ja sozusagen neben Celo groß geworden. Wir haben fast Tür an Tür gewohnt, ich in der Heidestraße, er in der Bergerstraße. (lacht) Dann hat man sich halt abends getroffen, lange bevor das Rap-Ding war. Die Stadt hat uns geprägt, der Stadtteil ebenso. Man kennt von Frankfurt immer nur die Brennpunkte: die Nordweststadt oder Bonames. Aber Bornheim war nie ohne, denn man ist in zwei U-Bahnstationen in der Innenstadt und da brennt es dann halt auch mal richtig. In der Zeit, in der ich groß geworden bin, ging es da auch richtig rund. Schießereien oder Messerstechereien waren Alltag. Aber ich will jetzt nicht den Begriff "Ghetto" benutzen, weil es hier trotz der Brennpunkte keine Ghettos gibt. Das kann man nicht mit Amerika vergleichen, aber die Kriminalitätsrate ist heute wie damals schon ziemlich hoch. Ich gebe das auch zu: Ich bin selbst auf den falschen Weg gekommen, weil der Einfluss durch die Umgebung sehr stark ist. Und das prägt einen schon für das ganze Leben. Ich könnte in meinen Texten nicht das erzählen, was ich heute erzähle, wenn ich nicht dort gelebt hätte.


    rappers.in: Du hast vorhin schon kurz dein Label erwähnt. Du stehst bei dem noch jungen Label Ambivalenz Music unter Vertrag, das sich neu aufgebaut hat. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?


    Born: Das ist eigentlich eine schöne Geschichte! (grinst) Wie man es auch oft im Internet sieht, sind das Ambivalenz-Tonstudio und das -Label sehr nah miteinander verbunden – nicht nur durch den Namen. Das liegt daran, dass der Besitzer derselbe ist. Damals war es nur ein Tonstudio. Jonesmann hat mich hergebracht. Er meinte zu mir, dass, wenn ich ein Studio zum Aufnehmen suche, ich doch zu dem gehen sollte. Der würde mir schon einen guten Preis machen. Dann kam ich hin und habe die Hälfte meines Albums dort aufgenommen. Als die Hälfte fertig war, kam Tommy Nolte auf mich zu und sagte, dass er Lust hätte, ein Musiklabel zu gründen, bei dem er mich gern als sein Zugpferd dabei hätte. Er hat in mir was gesehen, was er in Frankfurt nicht bei jedem sieht und es kamen wirklich Gott und die Welt in dieses Studio, um aufzunehmen. Das heißt, es gab eine große Auswahl an vertragslosen Rappern. Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, dass er sich für mich entschieden hat und auf mich zugekommen ist. Ich stand damals ohne Deal da, hatte zwar auch Angebote von größeren Labels, aber das war nicht das, was mein Herz mir gesagt hat. Ich wollte immer zu einem Label, bei dem ein gutes Umfeld vorhanden ist – wo ich mich frei entfalten kann und künstlerische Freiheit ohne Ende habe. Das ist dort genau gegeben. Es ist die perfekte Basis, denn ich als Künstler und Newcomer kann wachsen und das Label ebenfalls. Bislang hat sich das als eine super Sache herausgestellt und ich bin sehr froh, dass wir den Weg zusammen gehen.


    rappers.in: In der Deutschrapszene bist du ein noch frischer, neuer Künstler. Zum Abschluss würden wir gerne wissen, was deinen Rap von anderen Künstlern in 2014 unterscheidet?


    Born: Ich muss schon sagen, es haben sich 2014 viele Künstler positiv weiterentwickelt. Dennoch unterscheidet mich der Punkt der Ehrlichkeit und Emotion. Es gibt wenige Rapper, bei denen ich sagen würde, dass sie von der Auswahl der Beats oder der Musik her in Zusammenarbeit mit Gesang an mich rankommen. Ich denke auch, dass ich authentischer als viele andere Rapper da draußen bin. Gerade, weil ich sie auch persönlich kenne. Bei den meisten weiß ich, dass nicht alles so ist, wie es gesagt wird. Bei mir ist alles so, wie es gesagt wird. Es gibt keinen Song, bei dem man mir danach die Pistole auf die Brust setzen und sagen kann, dass das nicht stimmt. Es stimmt alles. Jeder, der mich kennt, weiß das auch und man kann das nachprüfen, denn es gibt Unmengen Beweise dafür. Ich würde sagen, gerade die Authentizität ist das, was mich von den anderen unterscheidet.


    Simon (Manager): Und ich würde noch gerne sagen, dass es der Draht zu den Fans ist. Und: Live ist er unglaublich!



    (Kristina Scheuner)

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