01. Habt ihr mich vermisst?
02. Offenes Herz feat. Mine
03. Blablabla feat. Y'akoto
04. Der letzte König von Schrottland
05. Probleme
06. Fantasie Pt. 1
07. Klasse Klassiker
08. Traum
09. Liebe in der Discotheque
10. Das Paradies
11. Keine Liebe feat. Brixx
12. Schaukelstuhl
13. Verbotene Früchte feat. Malo
14. Penis feat. Flo Mega
15. Mann muss tun
16. Halt dich gut fest feat. Die Fantastischen Vier
Bonus-Tracks:
17. Rapper sind gef****
18. Pappblick Enemy feat. Afrob
19. Hallo (D.E.L.U.X. zum E.)
20. Das Phantom der Seifenoper
Was ist eigentlich "männlich"? Seit rund 200.000 Jahren gibt es Männlein und Weiblein auf dieser Erde und trotzdem scheint auch 2014 immer noch nicht geklärt zu sein, was denn den Mann nun wirklich ausmacht. Aber warum stellen wir uns diese Frage immer wieder? Schließlich scheint es unmöglich, sie kategorisch und eindeutig zu beantworten – und doch wirft Samy Deluxe diese Frage mit seinem neuesten Werk "Männlich" erneut auf und begibt sich damit in inhaltlich und musikalisch äußerst verworrene und perspektivreiche Gefilde.
"Ich hab' weder das Blut eines Königs, noch den Mut eines Löwen/
Doch komme zurück, triumphal, so wie der Flug eines Phönix'/
Yeah, aus der Asche, kauf die Platte, der Sound ist klasse/
HipHop-Fans sind ausgerastet, als sie hört'n, dass ich eine Pause mache/"
(Samy Deluxe auf "Habt ihr mich vermisst?")
Wie im Titel versprochen, stürmt der Hamburger mit jeder Menge Testosteron und neuen Reimen in sein mittlerweile sechstes Solo-Album. Grundsätzlich lässt sich der Langspieler in zwei Teile differenzieren. Auf der einen Seite stehen Tracks, die voller Technikmassaker und Flowvariationen stecken, hauptsächlich aber inhaltliche Tiefe vermissen lassen. Auf der anderen Seite diejenigen Tracks, in denen sowohl schöne Reime als auch Flows hinter den eisernen Ketten inhaltlichen Anspruchs verschlossen sind und es Samy nicht gelingt, sie herauszuholen. Da wäre als Beispiel der Track "Traum", in dem eine äußerst fähige, aber leider ungenannte Sängerin buchstäblich zum Träumen einlädt und auch der Rapper selbst sagenhaft schlüssige und zum Nachdenken anregende Sätze zum Ausdruck bringt – nur leider fehlt es oft an dem ein oder anderen Eindruck schindenden Reim und der Hörgenuss geht in den schleppenden und nicht optimal gerappten Parts etwas verloren. Die musikalische Inszenierung ist auf einem ruhigen Beat mit sehr organischer Instrumentierung passend gelungen. Als Gegenbeispiel dafür kann "Halt dich gut fest" dienen. Mr. Deluxe liefert eine nahezu einzigartige technische Präsenz und fliegt spielend leicht über den kraftvollen Beat – ein wahrer Kopfnicktrack, bei dem jedoch die thematische Oberflächlichkeit nicht auszublenden ist. Dennoch ist ein gewisser Ausgleich vorhanden und das Album hat trotz der hohen Anzahl an Titeln so einiges zu bieten. Denn Lieder wie "Keine Liebe", die lustig und reich an Identifikationsmaterial wunderbar ins Ohr gehen, sind zusammen mit der Sängerin und Rapperin Brixx und ihrer eingängigen Hook weiterhin ein fester Bestandteil des Repertoires des alteingesessenen Hamburger Rappers.
"Du hast immer in der Scheiße gesteckt/
Ich holte dich raus, jetzt steckst du noch tiefer drin/
Früher kam ich schnell wie der Wind/
Heute hast du niemanden und fragst dich: 'Wo ist all die Liebe hin?'/"
(Samy Deluxe auf "Keine Liebe")
Andere Features und Thementracks sind hingegen weniger gelungen. Deshalb wirkt das Album mit neun Gästen, bezieht man die Beiträge auf "Traum" und der Special Version mit ein, etwas überladen und gerade Tracks wie "Schaukelstuhl", "Verbotene Früchte" und "Blablabla" wirken inhaltlich unkoordiniert, witzetechnisch zwanghaft überladen und unkreativ. So wird auf "Verbotene Früchte" nicht mehr als ein lustiger, aber völlig überholter Internet-Witz nacherzählt und werden auf "Schaukelstuhl" zweideutige Sprüche zum Besten gegeben, die den Hörer mehr zum Fremdschämen als zum Lachen verdonnern. Zudem hätte die hohe Zahl an Features definitiv reduziert werden können. Denn eine Y'akoto, die auf "Blablabla" nichts weiter sagt als "blablabla", oder Die Fantastischen Vier auf "Halt dich gut fest", deren Hook oberflächlicher und simpler nicht hätte sein können, hätte Samy Deluxe auch zufriedenstellend durch sich selbst ersetzen können. Insgesamt haben die vier Bonus-Songs auf der Special Version viel zu bieten. Denn es sind durchaus schöne Raps vorhanden, nur gibt es auch hier wieder ein etwas überflüssiges Feature mit Afrob auf "Pappblick Enemy", da auch dieser nur eine Hookline zum Besten gibt und der ersehnte Gastpart seinerseits ausbleibt. Zum Glück gibt es da noch Thementracks wie "Der letzte König von Schrottland" oder "Das Phantom der Seifenopfer", in denen inhaltlicher Tiefgang, musikalische Qualität und konstruktiv ausgewählte Parts und Hooks wunderbar aufzeigen, wie es richtig gehen kann. Beide behandeln zudem gleichermaßen die Problematik der Menschen im System Gesellschaft und die Kontrollsucht großer Konzerne und Politiker.
"Bloß nichts fragen, cool wirken/
Immer nur das tun, was wir tun dürfen/
Alles hier ist Politik, doch wenn man seine Rolle spielt/
Hat man nichts zu befürchten/"
(Samy Deluxe auf "Das Phantom der Seifenoper")
Mit "Hallo (D.E.L.U.X. zum E.)" ist, ähnlich wie bei "Halt dich gut fest", auf einem wundervollen Beat ein wahres Gewitter an Power und raptechnischer Finesse gelungen, das zum Mitnicken zwingt. Und an solchen Produktionen merkt man, dass, genau wie bei "SchwarzWeiss", ein Kollektiv Teil eines immerwährenden Prozesses bei der Entstehung der Beats war, in dem sich immer wieder ausgetauscht und Drums, Bässe oder Melodien untereinander hin- und hergeschoben wurden, wie man es von der KunstWerkStadt eben kennt. Mitunter kommen dabei auch sehr schlüssige Instrumentals heraus – doch eine, letztlich allerdings sehr kleine Zahl der Beats erweist sich als zu lässig und vermutlich gar halbherzig. So zum Beispiel bei "Schaukelstuhl" oder "Verbotene Früchte". Leider gibt es in dem gesamten Komplex eines Samy Deluxe-Albums im Jahre 2014 wieder einmal vermeidbare Nebenfaktoren. Zu den bereits angesprochenen Problemen mit einzelnen Tracks und Produktionen kommen grundsätzliche Aspekte, die den Hörgenuss allgemein stören und auch oft inhaltlich eher ein Aus- als ein Mitlachen bewirken. Denn Zeilen wie "Komma, komma wie ein Satzzeichen" (Samy Deluxe auf "Rapper sind gef****") sind keine Seltenheit. Zu den inhaltlichen Aussetzern, für die der Begriff "Füll-Line" ein Kompliment wäre, kommen grammatikalisch unmögliche Einschübe, die den Hörgenuss mit aller Kraft in die Knie zwingen: "[...] statt dass wir was investieren in unsere Söhne und Tochtern, ich mein' Töchter [...]" (Samy Deluxe auf "Der letzte König von Schrottland"). Schmerzhaft und äußerst unnötig.
Fazit:
Ja, sie bleiben leider nicht aus, die Mankos. Natürlich gibt es grammatikalische Hörgenusskiller, natürlich gibt es einzelne Tracks, die in keiner Weise zu überzeugen wissen und natürlich passt hier und da eine Line überhaupt nicht in das Gesamtbild, aber das gehört dazu. So oder so ähnlich würde man es wohl auszudrücken und zu erklären versuchen, wenn Samy Deluxe erst seit drei Jahren rappen würde und dies sein erstes oder zweites Release wäre. Leider muss man bei über 15 Jahren Raperfahrung den Maßstab etwas anders setzen und es eher folgendermaßen ausdrücken: Natürlich gibt es schöne Hooks, natürlich zeigt Samy immer wieder seine, auch 2014 noch außerordentlichen, technischen Fähigkeiten und natürlich ist an einigen Stellen der ein oder andere Denkanstoß zu finden. Und insgesamt ist es ein rundes Album. Aber da muss letztlich viel mehr gehen. "Männlich" ist insgesamt flüssig zu hören und sowohl musikalisch als auch raptechnisch solide, aber inhaltlich unzeitgemäß. So erweckt es den Eindruck eines Samy Deluxe', der sich schon lange eher auf seinen Lorbeeren ausruht, als all das, womit er angibt, zu bestätigen.
(Max)
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