01. Intro
02. An alle Banlieus feat. Hanybal
03. Treppenhaus Authentic
04. Hokus Pokus feat. Abdi
05. Ivan Drago
06. Gewaltmonopol
07. Was hast du vor feat. Veysel
08. Franky Town
09. Was wird aus uns feat. Eko Fresh
10. Nächster Halt Top Ten
11. Purple Haze
12. City Gangs feat. Celo
13. Unter der Brücke feat. Gzuz und BK
14. Lebendig begraben
15. Bruder wenn ich reich bin feat. Fard
16. 385international feat. Chaker, Celo & Abdi
17. Nu Pagadi
18. Bum Fights feat. Karate Andi
19. Outro
Es ist schön, das sagen zu können: "Straßenrap ist wieder salonfähig." Vorbei sind die Zeiten, in denen es ausreichte, die Wörter "Hurensohn" und "ficken" inflationär oft aneinanderzureihen, Stichwaffen zu zücken und seine 50 grimmig dreinblickenden Cousins in einem Musikvideo posieren zu lassen, um Erfolg zu haben. Rap aus den dunklen Ecken der Republik vermittelt seit einiger Zeit wieder Inhalte; Das Erlebte wird reflektiert, anstatt dass ein kleinkrimineller Lebensstil glorifiziert wird und auch auf Technik und Style besinnt sich der heutige Rapper bei seiner Straßenpoesie vermehrt. Einen großen Anteil daran haben Künstler wie Xatar, Haftbefehl oder Celo & Abdi, die nicht nur großartige Musik machen, sondern auch noch darauf bedacht sind, mit ihren jeweiligen Labels neue Talente zu fördern.
385i heißt die Kaderschmiede der beiden Letztgenannten und einer der dort unter Vertrag stehenden, aufstrebenden Nachwuchshoffnungen ist Olexesh. Spätestens seit dem ansehnlichen Erfolg seines kostenlosen Download-Mixtapes "Authentic Athletic" – es wurde über 200.000 Mal heruntergeladen – mischt dieser junge Herr ordentlich mit im Deutschrapzirkus. Die einzige logische Konsequenz war ein Album. "Nu eta da" nennt sich der jetzt erschienene, erste Langspieler des aus der Ukraine stammenden Darmstädters. Als "G-Funk" titulierte Olexesh im Vorfeld den Sound seines Albums und kündigte großspurig an, dass sein Debüt definitiv in die Top 10 der Charts einsteigen wird. Grund genug also, mal reinzuhören und die Welt eines hungrigen Mannes zu ergründen, der es nicht immer leicht hatte in unserer spießbürgerlichen, von Bürokratie dominierten Gesellschaft.
"Dawai, hajde jetzt, schnapp' dir die Taler weg/
Der Ukrainer führt ein Internationalgespräch/
Das ist Level eins, box' mich durch ohne Cheats/
Und noch was: Seit wann tragen Rapper Röhrenjeans/"
(Olexesh auf "An alle Banlieus")
Schon im "Intro" deutet sich an, worum es auf "Nu eta da" gehen wird. Raus aus dem versifften Einzimmer-Loch im Plattenbau, rein in die Charts und hin zu einem sorglosen Alltag, die Taschen voller "Parra". Weg vom Milieu, von Diebestouren in der Innenstadt und Hungern am Monatsende. Olexesh hat, um seine Ziele zu realisieren, nicht den schlechtesten Weg gewählt – die Musik. Doch wer glaubt, materielle Werte stehen bei diesem aufstrebenden Künstler an erster Stelle, der täuscht sich. Natürlich, wenn man nichts hat, strebt man nach Höherem und schielt zu jenen mit den teuren Autos und der schicken Kleidung. Am Ende sind ihm Loyalität und Freundschaft jedoch wichtiger als aller Materialismus. Solange er seine Seiten geschnitten bekommt und sich ein paar neue Nike Free leisten kann, ist er zumindest ansatzweise zufrieden. Heißt nicht, dass nicht mehr geht. Genau diese Tatsache, nämlich eine aufrichtige Ehrlichkeit, gepaart mit einem gewissen Humor, bringen Sympathiepunkte. Im Gegensatz zu anderen Rappern dieser Sparte glaubt man Olexesh, was er erzählt und fühlt sich prächtig unterhalten. Sehr punktuell und treffend erzählt der Künstler vom täglichen Struggle auf den Straßen. Ob nun das "Flex" an den Mann und die Frau gebracht werden muss, Damen ihren Körper für Geld hergeben oder eine kleine Streiterei in Gewalt ausartet: Diese Geschehnisse sind beziehungsweise waren allgegenwärtig in seinem Leben. Doch auch Zweifel plagen den Protagonisten. Auf "Hokus Pokus" werden gemeinsam mit Abdi etwas nachdenklichere Töne angeschlagen. Während der Zögling paroliert: "Vom ersten Tag an war ich ein Fan, brauchte nur Rap ... ", und hoffnungsvoll in die Zukunft blickt, hängt dem Ganzen dennoch ein wenig Frustration an. Warum klappt es erst jetzt, erst mit 26? Aber Mentor Abdi macht Mut und motiviert dazu, am Ball zu bleiben.
"Hier gewinnt nur, wer weise handelt/
Nach dem Tief folgt das Hoch, keine Bange/
Meine Chance habe ich in Rap gesehen/
Ficken oder gefickt werden – that's the game/"
(Abdi auf "Hokus Pokus")
Auf "Nu eta Da" gibt es zusammengefasst zwei Arten von Tracks. Zum einen die optimistischen, großspurig überheblichen Stücke, auf denen in eine rosige Zukunft geblickt wird und der Spaß am Musikmachen deutlich spürbar ist. Battlerap mit Anfeindungen, Punchlines und allem, was dazu gehört. Olexesh rappt dabei mit interessanten Betonungen, technisch versiert und auf den Punkt. Auch wirft er mit vielen russischen Wortfetzen und Redewendungen um sich, was seinen Texten eine interessante Note verleiht. Und so bieten Titel wie "Bum Fights", mit einem authentisch asozialen Karate Andi als Gast, gute Unterhaltung. Auf der anderen Seite stehen die schon angesprochenen Erzählungen von Geschichten aus dem Viertel und die Auseinandersetzung mit der inneren Gefühlswelt. Das Erzeugen von Bildern liegt dem jungen Mann und so wird die düstere Realität gut verpackt aufgearbeitet, ohne dass dabei etwas beschönigt wird. Eine leise anklingende Gesellschaftskritik ist der Unterton, den man nach genauem Hinhören erfassen kann. Eine Brücke zwischen beiden Richtungen bietet dabei der wohl beste Titel der LP, "Purple Haze", der von einem heißeren, kratzigen Stimmeneinsatz des Rappers und vor allem durch den verstrahlten Beat lebt. Übliche Verdächtige wie KD Beats oder Brisk Fingaz sorgen auf "Nu eta da" für eine Instrumentierung zwischen gechoppten Vocalsamples, gelungenem Synthesizereinsatz, harten Drums und ab und zu tatsächlich auch einer funkigen Note – wie vorher angekündigt. Wirklich schlechte Beats kennt dieses Album nicht. Leider sucht man klassisches Material, das bei "Authentic Athletic" noch gang und gäbe war, vergebens. Das hätte das Album jedoch sicher noch eine Spur interessanter gemacht. Durch die lyrische Versiertheit des Rappers fällt diese Tatsache jedoch gar nicht so groß ins Gewicht.
Das Einzige, was Olexesh definitiv nicht kann, ist singen. Die auf diese Weise vorgetragene Hook auf "Nächster Halt Top 10" verreißt deswegen den eigentlich gelungen Song völlig. Auf anderen Stücken sorgen die Features nach Ende des Titels für einen faden Beigeschmack. So hätte man auf die Parts von Chaker oder Gzuz getrost verzichten können. Alle anderen Gäste wissen dafür glücklicherweise, was sich gehört und ergänzen das Album zum Positiven.
Fazit:
Ja, auch Olexesh ist eine Bereicherung für deutschen Rap. Das wurde auf diesem Debütalbum bewiesen. Interessante Texte, eine authentische Ausstrahlung und der gewisse Grad an Coolness sind genauso gegeben, wie die Zusammenarbeit mit den richtigen Produzenten und Kollegen aus der Rapszene. Klar, er und das 385i-Kollektiv passen ja auch zusammen wie die Faust aufs Auge. Viel gemäkelt werden kann an diesem Stück Musik daher nicht. Vielleicht hätte man sich auf ein paar Tracks weniger beschränken können, vielleicht hätte dem Album etwas klassisches Beatmaterial gut getan und vielleicht wären einige Gastparts nicht nötig gewesen. Hätte, sollte, könnte ... Nun ist "Nu eta da" das geworden, was es ist: Ein gutes, unterhaltsames Straßenrapalbum, was sich von anderen Releases aus dieser Richtung aufgrund der technischen Fähigkeiten und der interessanten, bildhaften Sprache abhebt, aber immer noch ein wenig Luft nach oben lässt. Das ist jedoch nicht schlimm, wir sprechen hier wie gesagt von einem Debüt. Der Nachfolger könnte daher eine große Sache werden.
(Johann Voigt)
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