Review: Donato – Enzo



  • 01. Einfach
    02. Feuer
    feat. Tatwaffe
    03. STRG-Z
    04. Winterschlaf
    05. Nordsüdwestost
    06. Du
    07. Wozu
    feat. Jinx
    08. Wenn ich gehe
    09. Nachtrag
    feat. Jinx
    10. Gib dich nicht auf
    11. Panzer
    12. König & Königin
    13. Ich bin nicht normal
    14. Qual
    feat. Moses Pelham
    15. Bei Nacht
    16. Enzo


    Zwischen den üblichen Verdächtigen, wenn es um Deutschrap in den Charts geht, und den Hobbymusikern, die den tiefsten Untergrund bevölkern, gibt es eine gewaltige Anzahl an semi-bekannten Rappern, die mal mehr, mal weniger erfolgreich sind. Der "normale", wünschenswerte Werdegang solcher Rapper besteht wohl darin, sich nach und nach zu steigern und neue Fans zu finden, um im Laufe der Zeit immer mehr Gehör geschenkt zu bekommen. Dennoch kommt es ab und an vor, dass ein Künstler, der nie so ganz da, aber irgendwie auch nie so ganz weg war, urplötzlich in aller Munde ist. Dem Dortmunder Donato ist so eine Überraschung zumindest im kleinen Maße gelungen. Sein nunmehr drittes Soloalbum ließ fast vier Jahre auf sich warten und scheint – getreu dem Motto "Was lange währt, wird endlich gut" – von positiver Resonanz nur so überhäuft zu werden. Chakuza gab via Twitter sogar bekannt, dass "Enzo", so der Titel von Donatos neuem Werk, textlich eines der drei besten Deutschrapalben sei, die er jemals gehört habe. Bei einem derartigen Vorlauf legt der Hörer natürlich große Erwartungen in das über Kopfhörer Recordings veröffentlichte Werk – doch kann es diesen überhaupt gerecht werden?


    "Bauen ein Haus, neuer Mann, neue Frau, die alten Sachen verramscht/
    Verworfener Traum, raus aus den Knebeln der Angst – umworbener Rausch/
    Seidene Fäden halten den Käfig zusammen/
    Ich schneide sie durch und gehe es an – jetzt/
    "
    (Donato auf "Einfach")


    So ganz abwegig scheint das Lob von Medien und Künstlerkollegen auf keinen Fall zu sein, denn Marco E. Donato, so der Rapper mit vollem Namen, hat die vierjährige Pause wohl bestens genutzt. Textlich sehr ausgereift und detailliert beschreibt er auf 16 Tracks unterschiedlichste Aspekte des Lebens, schlüpft in verschiedenste Rollen und erzählt aus diversen Blickwinkeln heraus Geschichten. Gleichzeitig schafft er es jedoch, dem Ganzen einen Kollektivgedanken zu schenken. Den Wunsch des "Weggehens", sich und sein Umfeld zu verändern oder schlicht und ergreifend zu reisen, verbindet die einzelnen Tracks ebenso wie ein einheitliches Klangbild, für welches größtenteils DJ s.R., der bereits 2009 gemeinsam mit Donato an dessen "Von damals bis heute Mixtape" arbeitete, verantwortlich zeichnet. Sanfte Pianoklänge und Streichertöne werden mit harten Drums kombiniert, halten sich jedoch zurück, sodass Donatos Stimme, als er sich entscheidet, "einfach" loszugehen, trotz ruhigem und entspanntem Flow im Vordergrund steht. Auch wenn sich die Stimme des Dortmunders nicht sonderlich oft facettenreich zeigt und der Flow stellenweise etwas sehr monoton wirkt, erlaubt gerade dies, den Geschichten, welche Donato erzählt, bestens zu folgen und sich darauf einzulassen. Der einleitende Charakter und der damit verbundene Beginn der Reise wird verstärkt, als der Beat immer mehr an Energie gewinnt und die Atmosphäre, in der der Rapper sich aufrafft, instrumental grandios umgesetzt wird. Seine Abrundung findet dieses Gefühl in den sprachlichen Fähigkeiten des Künstlers, der die Situation bildhaft, detailliert und dennoch so allgemein, dass jeder Hörer sich damit identifizieren kann, beschreibt. Die Liebe zum Detail manifestiert sich in einzelnen Strophen und Texten, findet aber auch in den Zusammenhängen verschiedener Titel zueinander. So wird dem Hörer nicht nur die auf "Einfach" begonnene Reise mit den kratzigen Gitarrenriffs von "Nordsüdwestost" wieder in Erinnerung gerufen und entsprechend fortgeführt, sondern die Geschichte von "Wenn ich gehe", in der ein Mann mit Zweifeln und Gedanken spielt, seine Beziehung zu beenden, per "Nachtrag" aus einer beobachtenden Haltung weitererzählt und mit den Konsequenzen und Folgen seiner Entscheidung vervollständigt. Der sehr erzählerische Charakter seines Flows eignet sich hier wie andernorts großartig dafür, die diversen Handlungen darzustellen und fortzuführen. Dabei ist es gar nicht immer Donato selbst, der seine Geschichten weiterdichtet und so inspirierte das bereits 2012 veröffentlichte "Winterschlaf" Deutschrap-Urgestein Spax dazu, die Handlung auf seine Weise abzurunden. Verwunderlich ist dies jedoch ebenso wenig wie die Entscheidung, "Winterschlaf" trotz seines Alters auf "Enzo" zu packen; hinterlässt der an "Same Story" von Vinnie Paz angelehnte, sehr emotionale Titel nicht nur Spuren bei den Hörern, sondern passt zudem auch noch sowohl thematisch als auch klangtechnisch ausgezeichnet in das Album.


    "Gehen den schmalen Gang, bis sie hinter dem Haus sind/
    Dad zeigt mit dem Finger gen Himmel: 'Guck mal da rauf, Kind/
    Siehst du den Stern da, dort oben? Da sitzt dein Opa/
    Er passt auf dich auf, wenn's dunkel ist, ganz egal, was hier los war'/
    "
    (Donato auf "Enzo")


    Schritt für Schritt nähert sich Donato dem Ziel seiner Reise, dem Titeltrack "Enzo", lässt den Hörer jedoch lange im Dunkeln darüber, wie genau dieses Ziel aussieht. Dies gelingt ihm nicht nur dadurch, seine sehr bildhafte, fast filmähnlich erzählende Darstellungsweise so zu verwenden, dass der Fokus eher auf den Einzelgeschichten statt dem großen Ganzen liegt, sondern auch durch geschickte Stimmungswechsel, die lange offenlassen, wohin der Rapper sich auf dem Album entwickelt. Neben dem sehr düsteren, mit Dubstep-Elementen durchsetzten "Ich bin nicht normal", bei dem Wut und Zorn trotz Donatos ruhiger Stimme herausgehört werden können, und dem, in Zusammenarbeit mit Tatwaffe entfachten, grimmig knisternden "Feuer" finden sich melancholische, nachdenkliche Titel wie "Gib nicht auf" und "Wozu", wobei vor allem letzterer auch von 58Muzik-Signing Jinx und dessen Gesangshook profitiert. Wie eine Art Resümee spiegelt da der letzte Featuretrack der Platte "Qual" das emotionale sowie klangliche Auf und Ab des bisherigen Albums noch einmal wider, bewegt sich sowohl textlich als auch instrumental unauffällig zwischen Freude und Trauer, Verlust und Selbstfindung sowie Zerstörung und Hoffnung, komplettiert durch Moses Pelham, welcher seine eigene Hook aus dem Track "Mein Glück" hier in leicht abgewandelter Form zitiert.


    Nach einer letzten Ruhephase in Form des in sehr leise, schlichte Klänge getauchten "Bei Nacht", welches sich mit schleppendem Flow voranarbeitet, erreicht Donato das Ende des Weges – Titeltrack, Höhepunkt und Outro in einem: "Enzo". Kräftige Pianoklänge und sanfte Drums bilden einen angenehmen Klangteppich für den wohl persönlichsten Text des Albums, wenn nicht gar Donatos ganzen bisherigen Schaffens. Die vielen Ängste und Sorgen einer Kindheit, die nie so unbeschwert war, wie sie es hätte sein sollen, werden durch die wenigen Silberstreifen an seinem Horizont so gut es geht verdrängt, mehr von sanfter Melancholie statt tatsächlicher Freude geprägt. Detailverliebt und doch irgendwie kurz und knapp gehalten, erzählt Donato aus seiner Kindheit und nutzt auch hier wieder seine Fähigkeit, mit wenigen Worten deutliche Bilder erschaffen zu können und sie zu inszenieren. Zum Schluss offenbart uns der Künstler den Dreh- und Angelpunkt des Albums, zu dem sämtliche Anspielstationen inhaltlich wie klanglich hinführen: Einen Stern, der für ihn seit seiner Kindheit den verstorbenen Großvater repräsentiert. Somit erklärt sich nicht nur die fortwährende, mal mehr, mal weniger stark ausgeprägte Traurigkeit der Lieder, sondern zugleich der Name des Albums selbst. Der Albumtitel in Verbindung mit dem (Nach-)Namen des Künstlers ergibt somit die Widmung an den Großvater und rundet das Konzept von "Enzo", welches sich dem Hörer erst in diesem Moment wirklich erschließt, vollends ab.


    Fazit:
    Auch wenn es heutzutage einige Rapper gibt, die vor allem von einem unerklärlichen, teils vielleicht sogar unverdienten Hype profitieren und daher plötzlich in aller Munde sind, beweisen Ausnahmen immer wieder, dass so ein "aus dem Nichts auftauchen" ab und an durchaus legitimiert wird, sobald man sich mit dem Künstler und seinem Werk beschäftigt. Wer die ruhige, kräftige Stimme Donatos in Verbindung mit seinen wohldurchdachten, detailverliebten Texten und den stets passenden instrumentalen Unterlagen hört, kann nachvollziehen, warum HipHop-Medien und Künstlerkollegen derartig von "Enzo" schwärmen. Der Flow des Dortmunders mag für Fans ausgeklügelter Raptechniken nicht sonderlich viel bieten, doch verleiht er dem Album umso größere, erzählerische Kraft und erhält durch sorgfältig arrangierte Beats den geeigneten Soundtrack. Es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht wieder vier Jahre dauert, bis wir Neues von Donato hören und er auf dem Fundament, das er sich mit "Enzo" nun definitiv geschaffen hat, baldigst Weiteres aufbaut.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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  • Sehr nettes Album, erst letztens durch Zufall entdeckt. Durch die Kombination von Instrumental und Stimme sehr atmosphärisch, was den Text wunderbar unterstreicht. Gerne mehr davon.

  • Richtig gutes Album vor kurzem auch erst entdeckt und gleich die Platte gekauft, kriegt viel zu wenig Aufmerksamkeit.
    Das vorgänger Album "Angst" ist auch zu empfehlen auch wenns nicht an Enzo rannkommt.

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