Review: Der Plusmacher – FSW (Freie Schwarzmarktwirtschaft)



  • 01. Intro
    02. Träume aus Staub
    03. Bockwurst
    feat. Karate Andi
    04. Mary und meine Nachbarn
    05. Lassmichma
    06. Machmille
    feat. Tareko
    07. Königsmische feat. Omik K.
    08. Mary und meine Nachbarn 2
    09. Kodex
    feat. Olexesh
    10. Nichts
    11. Ein jeder ist Held
    feat. Olexesh & Damion Davis
    12. No Name feat. Marvin Game
    13. Wenn ich spucke
    14. Bis mich jeder kennt
    15. Rinoplus
    feat. Rino Mandingo
    16. Hörma
    17. Ach Brudi
    feat. Sonne Ra
    18. Sterolife
    19. Jetzt is wo anderst
    feat. Asek
    20. Outro


    Die Rap-Szene in Deutschland besteht seit jeher aus vielen Subgenres, die mal mehr miteinander, mal mehr nebeneinander existieren, jedes mit seinen Eigenarten. Da gibt es die Gangsterrapper, die Hipsterrapper, die Battlerapper, die Backpacker und Untergrundrapper, die Gute-Laune-Rapper und so weiter. Die Unterschiede dieser Genres liegen aber natürlich nicht nur bei den Texten, sondern vor allem im Soundbild der Beats. In Deutschland waren für Straßenrap lange Synthie-Beats der neueren Machart mit Standard-Drums typisch, von so manchem scharfzüngig "Plastikbeats" genannt. Und so gab es zum Beispiel von Untergrund Boom bap-Heads mit Vorliebe für Sample-Beats wenig Beachtung, sondern eher ein müdes Lächeln für die Straßensparte. Diese Wahrnehmung änderte sich allerdings in letzter Zeit merklich: Vor allem die AON-Posse um SSIO, Schwesta Ewa und Xatar sowie Produzenten wie Figub Brazlevic machten Straßenrap auf '90er Boom bap-Beats salonfähig. Was im Grunde einfach nur logisch ist: Was haben Amis wie Mobb Deep oder Biggie in den '90er Jahren schließlich anderes gemacht? Rap kommt schon immer von der Straße und diese Art von Instrumentals ist das Natürlichste, was daruntergelegt werden kann. Ein weiterer Rapper, der schon seit Längerem auf diese Weise an seine Musik rangeht, ist der Plusmacher. Straßentexte über Geschichten aus dem Viertel und den Handel mit diversen Substanzen, musikalisch serviert auf Samplebeats mit scheppernden Drums, vielen Cuts und Scratches. Dazu Künstler wie die Funkverteidiger und die Cutcannibalz im näheren Umfeld. Nach seinem 2012er-Album "Bordsteinwirtschaftslehre" behandelt der Berliner dieses Jahr die "freie Schwarzmarktwirtschaft".


    "Die Uhr blitzt, finanziert Cannabusiness, bis es/
    Nicht mehr läuft, der Rubel nicht mehr rollt, bis jetzt sind die Taschen voll/
    [...]
    Nach diesem Album werden auch die Kritiker nicken/
    Ich komm' mit Erstklassticket in die Szene geritten/"

    (Der Plusmacher auf "Intro")


    Das "Intro" erfüllt seine Aufgabe als Einleitung in das Album und gibt das Soundbild schon mal vor. Auf einem düsteren Boom bap-Instrumental von Jay Spaten, bekannt vor allem als Produzent und MC von Schaufel & Spaten, startet Plusmacher mit einem klassischen Representer. Der Berliner harmoniert hervorragend mit dem Beat und gibt eine erste Kostprobe seines durchaus ungewöhnlichen Flows. Der Doppelreim kommt nicht immer, es wird nicht jedes Mal genau auf diesen oder jenen Takt gerappt – im Endeffekt passt der Hörgenuss aber und es kommt nicht das Gefühl auf, der Rapper müsste sich hetzen oder verzögern, um die Zeile reinzupressen. Viel mehr wirkt der harte und flexible Flow eben dadurch erfrischend. Inhaltlich lässt sich der Großteil des Albums grob mit wenigen Begriffen umreißen: Geschichten von der Straße und Erzählungen aus dem eigenen Leben, Drogenhandel, die daraus entstehenden Konsequenzen und Representer- und Battleparts, alles gewürzt mit Berliner Mundart und Humor. Da kommt beispielsweise Karate Andi auf "Bockwurst" als perfekter Featurepartner daher. Der "Boss vom Hinterhof" ist natürlich nicht der klassische Straßenrapper, stellt mit seinen perfekt geflowten Reimketten, die sich inhaltlich an den zuvor erwähnten Themen orientieren, aber eine klasse Ergänzung zum Plusmacher dar.


    "Ey, du Stuttgarter, zieh dein' Rucksack ab/
    Das ist wie Mathe, erste Klasse, jetzt wird Plus gemacht/
    Ihr seid transsexuell, startet im Studio Gelaber/
    Doch ich laufe durch die Hood, als wäre Coolio mein Vater/
    "
    (Karate Andi auf "Bockwurst")


    Beim fortschreitenden Hören des Albums wird deutlich, worauf das Hauptaugenmerk bei der Produktion liegt: Kopfnicken. Die Texte und Themen der Tracks sind nicht die Neuerfindung des Rades und das wollen sie auch gar nicht sein. Das Besondere an "FSW" sind die erstklassigen Beats und die Flowvariatonen des Plusmachers, der auf verschiedenen Tracks in verschiedenen Tempos, Stimmlagen und auch mit anderer Ausdrucksweise rappt. Die Instrumentals kommen zum großten Teil von Hauptproduzent Jay Spaten, ansonsten sind Beatbauer wie Figub Brazlevic, Funkverteidiger Marcus B., Mortis und J. Field für die Musik verantwortlich. Sie produzierten zu 90 Prozent straighte Boom bap-Produktionen, entweder mit düsterem Charakter oder '90er Eastcoast-Flavour. Wichtig für den Eindruck der LP sind dazu auch die vielen, perfekt ausgeführten Scratches und Cuts am Ende der Tracks und in den Hooks. Diese liefert, wie schon beim Vorgänger, meistens DJ Dextar. Er bedient sich vor allem im amerikanischen Raum und unterstützt so den Oldschool-Vibe des ganzen Albums. Die Beats stehen bei "FSW" nicht im Hintergrund, viel mehr lebt das Album von ihnen und natürlich dem Plusmacher, der sich auf immer andere Weise an sie anschmiegt. Diese gewisse "Abhängigkeit" wird auch bei Tracks wie dem von Mortis produzierten "Bis mich jeder kennt" deutlich. Dessen Instrumental ist nämlich als große Ausnahme nicht besonders oldschoollastig. Direkt kommen die Raps des Plusmachers weniger lässig und man fängt an, mehr auf den Text zu achten, der dann durch Vortragsweise und Wortwahl etwas an einen Standardstraßentrack erinnert. Auch die leicht gesungene Hook kommt nicht so atmosphärisch rüber wie die sonst durchgerappten, mit Scratches versetzten Refrains. Nichtsdestotrotz ist es nicht so, dass der Rapper unfähig wäre, den Hörgenuss mit Storytelling und Flavour zu verbinden, wie sich auf "Rinoplus", das wieder einen warmen Samplebeat und Cuts dazuliefert, zeigt.


    "Ich weiß noch, damals aufm Bolzplatz, Sekte-Tape im Ostkaff/
    Schule war egal, weil mich die Scheiße überzeugt hat/
    Der erste Zug vom Joint und die Freestyles kamen on point/
    Als Lehrling im Textilbereich hab' ich nicht überzeugt/
    "
    (Der Plusmacher auf "Rinoplus")


    Features wie Rino Mandingo, Marvin Game, Olexesh oder Damion Davis liefern gelungene Gastparts und Hooks ab und bereichern das Album. Sie alle passen sich dem Gesamtkonzept des Langspielers an, liefern textlich und flowlich starke Parts, von laidback, wie etwa Rino und Marvin Game, bis zu härterem Flow (Olexesh). Damion zeigt auf "Ein jeder ist Held" einmal mehr die seltene Gabe in der Rap-Landschaft, eine Hook halb zu singen, halb zu rappen, ohne dabei schmierig zu wirken. Auf der anderen Seite können Tareko und Omik K. nicht so ganz mithalten. Auch ihre Parts sind technisch recht sauber gerappt, die Lines und Flows der beiden gehen mir jedoch nicht wirklich ins Ohr und hinken in Sachen Kreativität und Betonung hinterher. Doch auch ihre Raps stören nicht wirklich auf Instrumentals wie zum Beispiel dem von "Königsmische", einem typischen, nach vorne gehenden Figub Brazlevic-Beat mit druckvollem Klaviersample.


    Fazit:
    Und eben das lässt sich festhalten: Man muss diesen Sound natürlich mögen, aber wer auf Scratches, dreckige Drums, Boom bap und Samples steht, kann mit "FSW" eigentlich nichts falsch machen. Wer den neuen Lyrik-Gott der deutschen Raplandschaft sucht und ein schönes Zitat der Texte in Blockschrift auf das Foto einer rührigen Landschaft legen will, ist hier falsch. Auch wer Raptechnik nur an der Anzahl der Reimsilben pro Zeile festlegt, sollte sich was anderes suchen. Der Fokus liegt bei "FSW" auf dem Hörgenuss und dem Kopfnickersound, und genau dieser Sound ist perfekt umgesetzt und bringt ein weiteres Album mit Qualität in der Boom bap-Straßenrap-Sparte auf den Markt. Plusmacher macht Plus. Und zwar richtig.



    Alexander Hollenhorst

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  • 6 Mics für seine Beats, sein Rap lässt jedoch manchmal echt zu wünschen übrig. Kann mit seinem Flow leider oft nicht so viel anfangen und auch wenn ich keine Reimsilben zähle, würde ich mir hier und dort doch etwas bessere Technik wünschen.

  • Ich glaube sowas nennt man "ordentlich abgeliefert". Reicht bestimmt nicht für die persönlichen Top-10 am Jahresende, ist aber trotzdem ein wirklich hörenswertes Teil, schon allein durch die wundervollen Beats.

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